Die Wohnungsfrage ist eine internationale Frage. Sie trifft die Werktätigen weltweit. Aber in den abhängigen, neokolonialen, kapitalistischen Ländern trifft sie die Werktätigen mit aller Wucht: Sie haben überhaupt keinen Wohnungen, fristen ihr Leben auf Straßen, auf Müllkippen, unter Plastik- und Wellblech-Hütten. Als „Wohnungen“ werden in diesen Ländern Elendsquartiere im Slum, in der Favela oder im Gecekondu wie auch immer sie sonst noch genannt werden, deklariert.
„Was man heute unter Wohnungsnot versteht, ist die eigentümliche Verschärfung, die die schlechten Wohnungsverhältnisse der Arbeiter durch den plötzlichen Andrang der Bevölkerung nach den großen Städten erlitten haben; eine kolossale Steigerung der Mietspreise, eine noch verstärkte Zusammendrängung der Bewohner in den einzelnen Häusern, für einige die Unmöglichkeit, überhaupt ein Unterkommen zu finden. Und diese Wohnungsnot macht nur soviel von sich reden, weil sie sich nicht auf die Arbeiterklasse beschränkt, sondern auch das Kleinbürgertum mit betroffen hat.“1
WohnGemeinschaft
mit
Friedrich Engels
Das hört sich an, wie eine aktuelle Analyse. Das hat Friedrich Engels allerdings 1872 vor etwa 150 Jahren treffend festgestellt – in seiner wissenschaftlichen Artikelserie „Zur Wohnungsfrage“. Die Wohnungsnot ist heute ein Riesenproblem geworden. Das war sie aber offenbar vor 150 Jahren ebenso. Auch heute ist das nicht nur ein Problem der ArbeiterInnenklasse, der Werktätigen oder der ärmsten Schichten. Nein! Sie ist ein breites gesellschaftliches Problem. Sie trifft selbst die kleinbürgerlichen Schichten, wie auch Teile der Mittelschicht. Und da erfolgt nun einen Aufschrei. Würde diese Not nur die ArbeiterInnenklasse treffen, die schon immer in miesen Verhältnissen gelebt hat und nach wie vor lebt, wäre die Empörung nicht so laut. Erinnern wir nur an die bis heute existierenden maroden Siedlungsgettos für migrantische ArbeiterInnen, an die elende Wohnungsnot der Erwerbslosen, die Hartz IV aufgeliefert sind. Leben am Rande der Obdachlosigkeit.
Wohnraum darf keine Ware sein?
Kann Wohnraum eine Ware sein? Ja! Im Kapitalismus ist einfach alles Ware: Essen, Trinken, Wohnen, Sex und die Arbeitskraft. Das ist die Grundvoraussetzung für den Kapitalismus. Allerdings unterscheidet sich die menschliche Arbeitskraft von allen anderen Waren, sie ist eine ganz besondere Ware: Sie produziert den Mehrwert, den Reichtum in der Gesellschaft, der aus der ArbeiterInnenklasse herauspresst wird. Und diesen eignen sich die Ausbeuter an. Ohne dies könnte der Kapitalismus nicht existieren. Das müssen wir begreifen und den Kapitalismus angreifen! Arbeitskraft darf keine Ware sein! „Wohnraum darf keine Ware sein“… ist eine aktuell häufig aufgestellte Forderung, die im Kapitalismus aber nicht zu verwirklichen ist! Das ist nicht machbar. Sie ist es und wird es immer bleiben, solange wir im Kapitalismus leben.2
Für die Abschaffung der Ausbeutung unserer Arbeitskraft und der kapitalistischen Warenproduktion! Das ist unser Ziel!
Die Wohnungsfrage brennt
Die Zahl der obdachlosen Menschen in Deutschland liegt bei 1,2 Millionen. 3 Täglich verlieren MieterInnen durch Zwangsräumungen ihre Wohnungen und haben keine Bleibe. ArbeiterInnen, Lebensgemeinschaften mit Kindern, die in prekären Arbeitsverhältnissen schuften, müssen horrende Mieten zahlen und leben in beengten, schlechten Wohnungen. Gespart wird an Essen und Kleidung.
Mauern gegen Armut
Auf der anderen Seite schotten sich die Bonzen ab in den stark anwachsenden Gated Communities – eingezäunte/eingemauerte Wohnungs-/Häusersiedlungen. Rund um die Uhr durch private Sicherheitsdienste geschützt – todsicher! Gated Communities sind in Deutschland erst im Entstehen: In Potsdam, im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg, in Leipzig, in Hamburg, in Düsseldorf oder in München … Weltweit sind Gated Communities längst allgegenwärtige Realität: In den USA stehen über 40 000 „todsichere“ Anlagen. Ob in Russland oder Indien – die Reichen und die Superreichen ziehen sich aus dem „Mief“ der Stadt zurück in abgeriegelte Communities im Grünen. In Südamerika gehören sie seit 30 Jahren ins Stadtbild und in Südafrika riegelt sich die weiße Bourgeoisie in Luxus-Hochsicherheitsvierteln ab. Vor der Wut der entrechteten – meist schwarzen – Bevölkerung.
Stuttgart
In Stuttgart steigen die Mieten rasant an: Mehr als 30 Prozent in den letzten Jahren, bei den inserierten Wohnungsmieten (Angebotsmieten) sogar um mehr als 45 Prozent. Mit durchschnittlich 13,50 Euro pro qm gehört Stuttgart zu den teuersten Städten. Während viele Werktätige nach einer bezahlbaren Wohnung suchen, stehen mehrere tausend Wohnungen zu Spekulationszwecken leer. Erhaltenswerte Wohnungen werden abgerissen, und superteure Neubauten entstehen. Mehrere hunderttausend Quadratmeter Gewerbe-und Büroflächen stehen schlichtweg leer.
Monopole, wie Vonovia, die Schwäbische BauWerk GmbH aber auch die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften (Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH, SWSG) machen dabei enorme Profite. Bereits mehrfach wurde daher in Stuttgart leerstehender Wohnraum besetzt, zuletzt Mitte März die Forststraße 140 im Westen der Stadt. Mittlerweile ist sie mit einem brutalen Polizeieinsatz wieder geräumt.
Berlin
In vielen Berliner Bezirken haben sich die Mietpreise im vergangenen Jahrzehnt mehr als verdoppelt! Wie kann das sein? In den späten 1990ern wurden Hunderttausende kommunale Wohnungen zu Schleuderpreisen an Investoren verhökert. Die SPD-LINKE-Regierung legte 2004 dann noch eins drauf und privatisierte die GSW, die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft. Diese ist heute im Besitz der Aktiengesellschaft Deutsche Wohnen SE 4. Größte Wohnungs-Vermieterin in Berlin mit einem Bestand von 110 000 Wohnungen. Aber auch bundesweit auf dem Vormarsch. 5 Das Monopol Vonovia spekuliert in Berlin mit rund 40 000 Wohnungen und ist Großaktionär bei der Deutsche Wohnen SE.
Klar: Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt seit Jahren. In Berlin wurde zwischen 2003 und 2013 keine einzige geförderte Wohnung gebaut. 6
In Stuttgart waren 1987 noch 33 500 Sozialwohnungen auf dem Wohnungsmarkt, 2017 nur noch 14 443. In ganz Deutschland lag 1990 der Bestand bei fast drei Mio. Sozialwohnungen. 2017 sind es noch 1,2 Mio. Zwar werden im selben Jahr 26 231 neue Sozialwohnungen gebaut, aber gleichzeitig laufen bei 50 000 Sozialwohnungen jährlich die Sozialbindungen aus. 7
Enteignen ja! Aber:
In Berlin hat sich ein Bündnis gebildet, das per Volksentscheid den Konzern Deutsche Wohnen SE enteignen will. 8
Hört sich richtig gut an. Aber in wessen Händen befinden sich die Häuser nach der Enteignung? Sie werden zum Besitz des Landes Berlin, der Stadt oder des Staates?
Ja! Denn hier ist mit Enteignung Vergesellschaftung (nicht im Sinne des Sozialismus) und Rekommunalisierung (also die Kommune kauft die Gebäude zurück) gemeint. Der Senat von Berlin hatte für einen Appel und ein Ei die landeseigenen Wohnungen verscherbelt und jetzt sollen die selben Wohnungen für horrende Summen zurückgekauft werden. Die Spekulanten mit mindestens der zehnfachen Summe entschädigen?
Und wer profitiert letztendlich davon? Die Immobiliengesellschaften! Wir sollen die Spekulanten noch reicher machen. Nichts anderes ist Enteignung mit Entschädigung.
Ja zur Enteignung aber ohne jede Entschädigung!
Das ist wirklich Enteignung. Alles andere ist Betrug an uns! Wir sollen die Spekulanten noch reicher machen.
Entschädigungen ja – aber nur bei „erwiesenem Bedarf“. An was lässt sich ein erwiesener Bedarf überhaupt messen? Gehen wir von den Profiten der Monopole aus, haben sie immer einen erwiesenen Bedarf. Unsere Bedürfnisse sind andere. Die Entscheidung liegt bei dem bürgerlichen Staat. Der bürgerliche Staat, der die Interessen des Kapitals wahrt und bisher niemals in unserem Interesse gehandelt hat. Man kann das machen und letztendlich wird es auch dazu kommen, denn es ist so, dass laut einer Umfrage die Mehrheit der Berlinerinnen für die Enteignung (Verstaatlichung in der bürgerlichen Gesellschaft) ist. 9
Aber wer glaubt, dass eine Verstaatlichung (oder Rekommunalisierung oder Vergesellschaftung) einzelner Wohnungskomplexe das Wohnungsproblem löst, die Vertreibung der Werktätigen aus lukrativen, heiß umkämpften, teuren Innenstadtbezirken stoppt oder gar partiell die Abschaffung des Kapitalismus bedeutet, der oder die liegt völlig daneben.
Recht auf Wohnen ist Menschenrecht?!
Ja, eigentlich schon. Aber das System des Kapitalismus beruht auf Profit und da gibt es keine Menschenrechte, kein Recht auf Wohnen und auch sonst keine Rechte für uns. Die Bedürfnisse der Werktätigen nach einer passenden Wohnung sind dem Kapitalinteresse untergeordnet. Stück für Stück wird für deren Interessen Wohnraum privatisiert. Der Immobiliensektor ist heute einer der profitabelsten Wirtschaftszweige.
Kein Profit mit der Miete… Diese Forderung ist gerecht. Aber eine Forderung, die im Kapitalismus nicht umsetzbar ist. Wohnraum ist ein Mittel der Profitmacherei und wird es solange bleiben, solange der Kapitalismus herrscht. Investoren, die den Wohnungsmarkt verstärkt für sich entdecken, spekulieren mit steigenden Mieten, da sie in der produzierenden Wirtschaft geringere Renditen erwarten und mit weiteren Krisen rechnen. Alle wollen Gewinne scheffeln: Sowohl Anlagefonds, börsennotierte Gesellschaften, als auch Bonzen aus aller Welt. Wohnraum wird zu Anlage- und Spekulationsobjekt, die Mieterhöhung maximal ausgeschöpft bei gleichzeitiger Reduzierung der Unterhaltskosten der VermieterInnen. So wurden im letzten Jahr in Deutschland Immobilien im Wert von 78 Mrd. Euro verkauft. Sieben Prozent mehr als im Jahr 2017.
Mieten machen arm!
Ja! Aber der Ursprung der Armut liegt nicht in den Mieten. Armut kommt daher, dass der Lohn unter den Wert der Arbeitskraft gedrückt wird. Wir verdienen einfach nicht genug, um uns eine anständige Wohnung leisten zu können. Millionen Menschen leben in Armut – obwohl sie erwerbstätig sind.
Prekariat – eine Randerscheinung?
Zwei Drittel der seit Beginn der Krise, 2008, in Deutschland geschaffenen Arbeitsplätze sind prekär. Das bedeutet, diese Werktätigen laufen Gefahr, trotz mehrerer Jobs, in die Armut abzugleiten. Zudem kommen steigende Mieten vor allem in den Städten und im ehemaligen Westen von Deutschland, wo die Infrastruktur noch einigermaßen intakt ist, hinzu. Die EinwohnerInnen müssen durchschnittlich 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für Miete ausgeben. Das ist aber nur der durchschnittliche Wert. In einigen Bundesländern, z.B. in Sachsen und Sachsen-Anhalt, liegt er bei durchschnittlich 26 Prozent. Aber in Hamburg und Berlin mittlerweile bei mehr als der Hälfte, über 50 Prozent des Nettoeinkommens für Miete – Nebenkosten exklusive. 10
Wir fordern: Die Miethöhe muss auf höchstens 10 Prozent des Einkommens begrenzt werden!
Deutschland ist das Land in Europa mit den wenigsten Immobilien-BesitzerInnen, (Eigentumswohnungen und Häuser so das Ergebnis der letzten Volkszählung (2011). Um die extremen Mieterhöhungen zu umgehen, raten bürgerliche Ökonomen zum eigenen Häuschen.
Jedem Arbeiter, jeder Arbeiterin ihr/sein Häuschen?
Nein! Das ist nicht die Lösung der Wohnungsfrage und kann nicht unsere Forderung sein. Die völlig widersinnige Zersiedelung und Zubetonierung weiter Flächen mit Ein-Familienhäuschen an den Stadträndern und auf dem Land sind ökologisch extrem unsinnig. In den Stadtvierteln führt die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum zur weiteren sozialen Auslese. Gewachsene soziale Bindungen und gesellschaftliche Gefüge im Stadtraum werden zerstört und alles individualisiert. Aber nicht nur das.
Die ArbeiterInnenklasse wird durch den Haus- bzw. Wohnungskauf an das System gebunden. Auch dieser kapitalistische Mechanismus ist nicht neu. Engels hat diesen bereits aufgezeigt: „Wie sich diese Lösung der Wohnungsfrage vermittelst der Fesselung der Arbeiter an ein eigenes ‚Heim‘ (…) Somit haben die Arbeiter schwere Hypothekschulden aufzunehmen, um nur diese Wohnungen zu erhalten, und sind nun erst recht die Sklaven ihrer Brotherren; sie sind an ihre Häuser gebunden, sie können nicht weg und müssen alle ihnen gebotenen Arbeitsbedingungen sich gefallen lassen.“11
„Mietpreisbremse“
–
Reale Wirkung gleich Null
Wohnen ist Luxus. Daran hat auch die seit 2015 eingeführte „Mietpreisbremse“ nichts geändert. Seit 2016 steigen die Mieten so stark und so schnell wie nie zuvor. Hat sie also etwas gebremst?
Nein! Sie hat den Anstieg der Mietpreise nicht verlangsamt. Im Gegenteil, sie hat kurzfristig sogar zu einem stärkeren Mietpreisanstieg geführt. Also die reale Wirkung der „Mietpreisbremse“ ist gleich Null. Die Mieten steigen in diesem Land doppelt so schnell wie die Löhne. 12
Und: Darüber hinaus steigert die Mietpreisbremse die Rendite von Neubauinvestitionen.13 Jetzt können wir natürlich sagen, das liegt daran, dass die GroKo-Regierung eine wirkliche „Bremse“ gar nicht ernsthaft wollte. Ja, das stimmt, denn gesetzt der Fall, die GroKo hätte echt ein Interesse an der Mietpreisbremse, könnte sie etwas bewirken. Denn Wohnraum ist ausreichend vorhanden. Hunderttausende Wohnungen stehen als Spekulationsobjekte leer. Nur nicht für uns! Aber die GroKo – wie auch alle anderen bürgerlichen Regierungen – handelt im Sinne des Kapitals. Und da heißt es nun mal: Profitmaximierung!
Recht
auf Wohnen – Ja –
Aber nur im Sozialismus!
Ja! Natürlich. Aber: Wir leben im Kapitalismus und da ist das Recht nun mal auf der Seite der Mächtigen und Bonzen. Denn, wie es im Lied der ArbeiterInnenbewegung „Die Internationale“ heißt: „Leeres Wort des Armen Rechte, leeres Wort des Reichen Pflicht …“
Für uns, ArbeiterInnen und Werktätige gibt es weder das Recht auf Arbeit, noch das Recht auf Gleichberechtigung, noch das Recht auf Würde, noch das Recht auf Wohnen, noch sonst ein Recht. Alle Rechte, die wir uns in hunderten von Jahren erkämpft haben, wurden uns nicht geschenkt!
Recht auf Wohnen, ist also auch ein Recht, das sich im Kapitalismus nicht verwirklichen lässt.
Aber es gab es schon mal:
Das verwirklichte und gelebte Recht auf Wohnen!
Aufbruch zur Lösung der Wohnungsfrage in Sowjetrussland
Nach dem Sieg der Oktoberrevolution, dem Ende des 1. Weltkriegs, dem lang andauernden Bürger- und Interventionskrieg der imperialistischen Staaten lagen weite Teile der Städte und Dörfer in Russland verwüstet am Boden. Eine schreckliche Wohnungsnot herrschte. Eine gigantische Aufgabe stand vor der jungen sozialistischen Gesellschaft.
Neue Bau- und Wohnformen wurden entwickelt und in die Tat umgesetzt. Menschengerechtes Wohnen und Leben hatte eine große Priorität. Nicht Individualisieren von Wohnen und Luxus, sondern gemeinschaftliches, ökonomisches und ökologisches sinnvolles Bauen und Wohnen stand auf dem Plan.
Ziel war nicht für jede Wohnung maximaler Luxus, sondern eine gute Mischung aus gemeinsamer Nutzung, neuen Konzepten und Technologien:
Gemeinsame Waschküchen, Gemeinschaftskantinen, Sportanlagen, Kinder- und Schülerbetreuung, Zusammenwohnen von Jung und Alt. Als Alternative zur Kleinfamilie wurden als neue Formen des Zusammenlebens gemeinschaftliche Kommunen ausprobiert. Sicher, viele Schwierigkeiten und Rückschritte, abgebrochene Projekte und Neuanfänge waren an der Tagesordnung. Aber Bauen und Wohnen wurden als menschliche Grundbedürfnisse anerkannt und versucht, auf neuen Wegen im gesellschaftlichen Leben neu und revolutionär zu gestalten.
In der Verfassung (Grundgesetz) der Sowjetunion von 1936 wird festgeschrieben:
Artikel 6: „…Kommunalbetriebe und der Grundbestand an Wohnhäusern in den Städten und Industrieorten sind Staatseigentum, das heißt Gemeingut des Volkes.“14
In einem Entwurf von 1929/30 über „Die Städte der Zukunft und die Organisation der sozialistischen Lebensweise fordert L. M. Sabsovics: „Die Wohnhäuser in der sozialistischen Stadt sollen so gebaut werden, daß sie den größtmöglichen Komfort für das kollektive Leben, die kollektive Arbeit und die kollektive Erholung der Werktätigen bieten (…) In diesen Häusern soll es keine einzelnen Wohnungen mit Küchen, Vorratskammern etc. geben, (…) weil die Befriedigung der Lebensbedürfnisse der Werktätigen zur Gänze vergesellschaftet sein wird. Sie sollen auch keine Räumlichkeiten für ein isoliertes Leben jeder einzelnen Familie enthalten, denn die Familie in dem Sinne, wie sie heute existiert, wird restlos verschwinden.“ 15
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei beschließt für die Ausstattungen der kollektiven Wohnungsiedlungen am 16. Mai 1930:
„Beim Bau von Arbeitersiedlungen in der Nähe der neuen Großbetriebe (Stalingrad, Dneprostroj, Magnitogorsk, Celjabinsk u.a.) ist für einen ausreichenden Grüngürtel zwischen den Produktions- und den Wohnzonen, für Straßen und Verkehrsverbindungen zu sorgen; diese Siedlungen sind mit Wasserleitung, elektrischer Beleuchtung, Bädern, Wäschereien, gesellschaftlichen Speiseeinrichtungen, Kindereinrichtungen, Klubs, Schulen und Einrichtungen für medizinische Hilfe auszustatten.
Beim Neubau sind allgemein zugängliche hygienische Einrichtungen sowie auch Maßnahmen zur Hebung des Komforts in maximalem Umfang sicherzustellen; gleichzeitig sind alle Maßnahmen für eine höchstmögliche Verbilligung des Bauwesens zu ergreifen…“16
Über die Dringlichkeit des verstärkten Wohnungsbaus und die konkrete Umsetzung der Wohnungspolitik wird 1931 festgelegt:
„1.Wohnungswesen: Das ZK beauftragt die Moskauer Organisation und die Staatliche Plankommission, zusammen mit dem Volkskommissariat für Finanzen einen Dreijahresplan für den Moskauer Wohnungsbau und seine Finanzierung auszuarbeiten, damit im Laufe dieser drei Jahre aus dem Haushalt des Moskauer Sowjets und der Industrie für mindestens eine halbe Million Einwohner neue Häuser gebaut werden, die genossenschaftlichen und anderen Bauten und Aufstockungen nicht eingerechnet.“17
Mit dem Beispiel der Sowjetunion wollen wir Mut machen, zu kämpfen:
Ja! Eine sozialistische Alternative auch in der Wohnungsfrage ist möglich und machbar – Herr und Frau* NachbarIn! 18 Aber nur in einem anderen Gesellschaftssystem.
Nicht
betteln, nicht bitten –
nur mutig gestritten!
In Berlin haben im April letzten Jahres mehr als zehntausend Menschen in der Hauptstadt unüberhörbar demonstriert. Unter dem Motto „Widerstand – gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“ sind am 7. April 2019 in Stuttgart, in Berlin und anderen Städten, sowie Europaweit zig zehntausende zu „Mieten-Demonstrationen“ geströmt.
Kampf für Reformen
Die Wohnungsfrage ist unter heutigen Bedingungen ein reiner aber bitter notwendiger Abwehrkampf. Natürlich sind auch wir, KommunistInnen, auf der Straße, in der Fabrik, Schule, Firma… im Kampf für Reformen, die unsere Klassenkampfbedingungen verbessern. Natürlich auch in der Wohnungsfrage. Was wir tun können und müssen: Kämpfen für demokratische Verbesserungen, die wir auf der Straße Staat, Kapital und Miethaien abtrotzen. Bezahlbare Wohnungen für alle!
Gegen Gentrifizierung und Vertreibung von MieterInnen aus ihren Vierteln und „Kiezen“!
Na klar kann es Nischen geben, z.B. selbstverwaltete Wohn-und Hausprojekte, in denen es nicht so brutal offen kapitalistisch zugeht. Aber das sind kleine Nischen, die sich ein imperialistisches Land wie Deutschland leisten kann. Das sind na klar auch Privilegien für „uns“, um uns in diesem System selbst zu halten! Im Grunde genommen reine Bestechung! Und die vielfach traurigen Beispiele wie aus HausbesetzerInnen HausbesitzerInnen wurden, die sich gegenseitig vor bürgerlichen Gerichten um das Eigentum streiten, sind gerade in Berlin nicht wenige! Solche Projekte werden immer in der Minderheit bleiben und letztendlich das kapitalistische System noch nicht mal angreifen und schon gar nicht abschaffen.
Wir schließen uns den Forderungen an, die in den breiten, von vielen Schichten der werktätigen Bevölkerung mitgetragenen Protesten rund um das Thema Wohnen und Mieten in vielen Städten aufgestellt werden:
* Keine Erwartungen an Politik und Investoren.
* Eine solidarische Wohnungspolitik, die sich nicht an Profit und Verwertungsinteressen – sondern an den Bedürfnissen der Menschen und der Umwelt – orientiert.
* Gegen Spekulanten und Mietwucher
Aber da bleiben wir nicht stehen!
Mutig streiten für den Sozialismus
Die Wohnungsfrage ist vom Standpunkt der ArbeiterInnenklasse keine isolierte Frage, sondern Teil des Klassenkampfes zur Überwindung dieses Ausbeutersystems.
Gegen den Horror der aktuellen Barbarei, die überall auf dem Vormarsch ist, laufen viele verschiedene antirassistische, antikapitalistische, antipatriarchale, antifaschistische Kämpfe. Und der Widerstand gegen die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen entwickelt sich.
Viele kämpfen für eine andere Gesellschafts- und Lebensform. Aber noch sind die Kämpfe teils sehr isoliert, sie zu verbinden, ist eine unserer wichtigsten Aufgaben!
Erst wenn wir ArbeiterInnen und Werktätige, SchülerInnen und RentnerInnen selbst aktiv werden und uns alle zusammenschließen, wird sich etwas ändern. Nur so werden wir Veränderungen der herrschenden Verhältnisse durchsetzen. Wir gehen nicht zurück, wir gehen nach vorne.
Wir kämpfen für den Sozialismus, für die Überwindung der Warenproduktion durch den Sozialismus. Dazu werden wir KommunistInnen uns in der ArbeiterInnenklasse verankern und diese auf dem Weg zu ungeahnten Möglichkeiten organisieren.
Für menschliches, kollektives gesellschaftliches Leben und Wohnen im Einklang mit der Natur
– Für den Kommunismus!
Berlin
Ihre Wut und ihren Widerstand haben über 30 000 Menschen sichtbar und hörbar gemacht. Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts, Geflüchtete, Kinder, MigrantInnen … Ein Querschnitt der werktätigen Bevölkerung, die in ihrem Recht auf Wohnen existentiell durch den Profit des internationalen Finanzkapitals beschnitten wird.
Klare Ansage und Stimmung war, wir lassen die weitere Gentrifizierung nicht zu. Wir werden uns wehren, und wir überlassen euch nicht unsere Wohnungen, unsere Mietshäuser, Kieze und unsere Stadt.
Wir zerren eure miesen Methoden ans Licht. Wir werden euch das Handwerk legen! Viele Mietergemeinschaften, die ihre Wohnungen bzw. Häuserblöcke gegen Abriss oder Luxussanierung verteidigen, beteiligen sich.
Am Alex gestartet, läuft der lange Demozug über die Karl-Marx-Straße, hier kauft sich die Deutsche Wohnen massiv ein, nach Kreuzberg. Viele Plakate, Transparente, Installationen machen den Protest bunt, heftig und eindrücklich. Ein Riesen-Hai und Papier-Clown-Fische an Stangen befestigt, mit Schildern von „Block 89“ wogen wie auf Wellen über unseren Köpfen. Mit Parolen „Gegen Rassismus“, „Gegen Sexismus“, „Gegen Faschismus“, „Wir alle sind Block 89“, „Schwarmintelligenz“, „Revolution jetzt“, „Gute Nachbarschaft“, „Für einen solidarischen Kiez“, „Gegen Verdrängung“, „Keine Rendite mit der Miete“ zu allen aktuellen politischen Themen.
Vorweg an der Spitze der Demo liefen antifa, autonome Jugendliche mit meterlangen Spruchbändern, die sich gegen die Schließung von zahlreichen Jugendeinrichtungen richteten. Enteignung, nicht nur großer Immobiliengesellschaften war Grundkonsens:
„Die Häuser denen, die drin wohnen!“. Die Parole „Krieg den Palästen – Friede den Freiräumen“ war politisch bestimmendes Programm. „Kiezkommune Friedrichshain aufbauen“, „Die Gesellschaft klagt auf Eigenbedarf: Enteignen, Vergesellschaften, Selbstverwaltung“, „Selbstverwaltung statt Investor“.
Klar, was wir dem System abtrotzen, wo wir frei agieren und bestimmen können, das sind kleine Siege. Aber, wie wir in unserem Artikel aufzeigen, wollen wir die Probleme von Grund auf lösen, müssen wir weitergehen.
Nicht nur Friede den Freiräumen, sondern Friede den Hütten! Die Wohnungsfrage hängt mit all den anderen tiefgehenden Problemen der kapitalistischen Gesellschaft zusammen.
Die einzige Alternative ist eine andere Gesellschaft für alle unterdrückten und ausgebeuteten Menschen – nur dann werden wir die Utopie, den Traum von einer ganz anderen Gesellschaft verwirklichen können.
Stuttgart
In Stuttgart beteiligten sich – laut OrganisatorInnen – 4 000 Menschen an der BreiLiBü-Demonstration.
Die Reden waren durchweg sehr kämpferisch. Wir sind im Besetzen-Block gelaufen, einem klassenkämpferischen Block.
Unsere Lieblingsparole: „Was macht den Spekulanten Dampf? – Klassenkampf!“
Das Haus der Vonovia wurde während der Demo bunt gemacht, ein anderes leerstehendes Haus wurde beklebt.
Die Polizei hat gegen uns DemonstrantInnen mit Pfefferspray geantwortet. Und natürlich nicht gegen die SpekulantInnen, die von ihnen sie beschützt wurden!
Kasten
Die GSW besaß 2004 etwa 70 000 Wohnungen und beschäftigte etwa 1 000 ArbeiterInnen. Für unfassbar 6 000 Euro pro Wohnung kaufte ein Konsortium aus Whitehall Investments Ltd (eine Tochtergesellschaft von Goldman Sachs) und der Investmentgesellschaft Cerberus den Bestand der GSW für insgesamt 405 Mio. Euro. Der damalige SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin organisierte das lukrative Geschäft fürs Kapital und wechselte daraufhin in den Vorstand der Bundesbank.
Schnell holten sich die Finanzinvestoren das Geld zurück, indem sie sich 2009 eine Ausschüttung von 447 Mio. Euro aus sogenannten Gewinnvorträgen und eine Vorabausschüttung genehmigten. Was Finanzinvestoren eben so tun! So verlor die GSW fast zwei Drittel ihrer liquiden Mittel und über ein Viertel ihres Eigenkapitals. 2010 brachten die Investoren die GSW an die Börse. Dazu benötigten sie die Zustimmung der Landesregierung. SPD, Linkspartei und FDP stimmten dafür, Grüne und CDU dagegen. 19
FaschistInnen raus aus unseren Reihen im Wohnungskampf!
Faschistische HetzerInnen versuchen immer wieder die Schuld auf die Werktätigen zu schieben, die ganz unten auf der Trittleiter stehen, auf Geflüchtete und MigrantInnen. Millionen arme Werktätige konkurrieren um günstigen Wohnraum, während die Bonzen in Gated Communities in Champagner baden.
Und den Faschisten fällt nichts Besseres ein, als die ganze Schuld der Wohnungsnot auf die Geflüchteten zu schieben. Das ist typisch für die feigen Arschlöcher:
Nach Unten treten – nach Oben kuschen! Geflüchtete gegen MigrantInnen und gegen Arme auszuspielen. Wir lassen uns nicht spalten! Kampf den FaschistInnen und der Inneren Faschisierung!