KO Kongress: Eindrücke & Kritiken

Kommunismus Kongress Kommunistische Organisation (KO)

Der Kongress fand zwischen dem 23. und 25. September im ND-Haus (Neues Deutschland) in Berlin statt.

Ursprünglich hatte die Kommunistische Organisation zu einem Kongress mit dem Thema „Parteiaufbau“ eingeladen.

Als dann aber am 24. Februar 22 die russische Armee in die Ukraine einmarschierte, wurden Widersprüche innerhalb der Organisation so groß, dass das Thema des Kongresses umgeworfen wurde.

Es ging nun um die Fragen „Führt Russland einen Angriffskrieg oder ist es eine Verteidigungsmaßnahme – schließt sich das aus? Ist es ein imperialistischer Krieg von allen Seiten und was bedeutet das? Oder ist es ein notwendiger und überfälliger Schritt zur Eindämmung der NATO-Aggression?“.

Dazu hatte die KO im Vorfeld eine Zeitung herausgegeben worin die Positionen von verschiedenen revisionistischenParteien wie KKE – Kommunistische Partei Griechenlands, KPRF – Kommunistische Partei der Russischen Föderation, RKAP – Russische Kommunistische Arbeiterpartei, TKP – Kommunistische Partei der Türkei veröffentlicht wurden.

Wir hatten uns als Trotz alledem zu der Veranstaltung angemeldet und haben für die Debatte ein vierseitiges Papier „Thesen zum Kommunismus Kongress der KO“ verfasst, das wir verteilen und auslegen wollten. Darin sind unsere Kernthesen zum Krieg in der Ukraine knapp dargestellt.

Auftakt am Freitagnachmittag war eine interessante Gegenüberstellung der Positionen. Zwei junge KO‘ler:innen haben die Widersprüche unter dem Motto „Welche Fragen der Kommunistischen Bewegung stehen im Raum?“ offen dargestellt. Hier einige Schlaglichter:

– Die G7 sind imperialistische Räuber, Russland aber nicht. Russland ist halbkolonial. Die Gegenposition vertrat, Russland ist imperialistisch, aber schwächer als die USA.

– Ist China ein aufsteigendes imperialistisches Zentrum oder auf dem Weg zum Sozialismus?

– Ist die nationale Frage noch Teil des Klassenkampfes?

In der anschließenden Frage- und Diskussionsrunde wurden die unterschiedlichsten Standpunkte deutlich. Dabei hat sich gezeigt, dass viele Teilnehmer:innen von politisch teils weit auseinanderliegenden Organisationen vor Ort sind, mehrere trotzkistische Organisationen, MLPD, ArbeitZukunft (AZ), KPD und auch wir von Trotz alledem! …

Die Trotzkist:innen schätzen Russland als eine kapitalistische Regionalmacht seit 2014 ein. Die russische Regierung dürfe man nicht politisch verteidigen, aber militärisch! China sei ein deformierter Arbeiterstaat, den es zu verteidigen gelte. Das ist eine typisch zentristische trotzkistische Position, die alles und nichts bedeutet.

Wir von Trotz alledem! haben unsere Einschätzung zur Diskussion gestellt: Der Ukraine-Krieg ist ein von allen Seiten ungerechter Krieg. China ist eine imperialistische Großmacht. Russland ebenfalls, auch wenn es ökonomisch schwächer ist, dafür aber militärisch sehr stark und einer der größten Waffenexporteure weltweit.

In der Diskussion wurden viele Wider­sprüche dargestellt und offen gelassen, auch richtige Positionen wurden vertreten, wie die Arbeiter:­innenklasse hat in einem imperialistischen Krieg nichts zu gewinnen. Einigkeit bestand eigentlich nur in dem Punkt, die NATO-Osterweiterung ist ein Schritt zur militärischen Umzingelung Russlands.

Leider dauerte dieser Block insgesamt nur zwei Stunden, so dass viele Redner:innen nicht zu Wort gekommen sind. Eine wirkliche Diskussion kam so nicht zustande.

Im folgenden Block berichtete ein Mitglied der RKAP (Russische Kommunistische Arbeiterpartei), online über die Situation und ihre Position zur „Militäroperation“. Er vertrat, im Donbas (Donezk und Luhansk) wird ein gerechter Kampf gegen das faschistische Ukraine-Regime geführt. Er stellte die Referenden im Donbas als gerecht und unterstützenswert dar. Er kritisierte Russland 2014 nichts für den Donbas getan zu haben. Die RKAP hat nicht an Demonstrationen gegen den Krieg teilgenommen. Weder auf der einen, noch auf der anderen Seite. Die Referenden in Cherson und Saporischschja dienen, seiner Meinung nach, allerdings nur zur Ausweitung der imperialistischen Einflussgebiete Russlands. In der RKAP gibt es ebenfalls wesentliche Widersprüche. Die älteren Genossen sagen, der Hauptfeind sind die USA, die jüngeren Genossen vertreten, der Hauptfeind ist der russische Imperialismus. Im Oktober wird die Partei einen Kongress abhalten um einige Fragen zu klären.

Am Samstagmorgen wurden parallel verschiedene Seminare angeboten. Wir waren bei „Die Stellung Russlands mit Blick auf die Neuaufteilung der Welt seit 1990“. Referentin war Eva Niemeyer, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung, des Hamburger Arbeitskreises „akdiamat“ und der Gesellschaft für dialektische Philosophie.

Niemeyer vertrat vehement Russland sei keine imperialistische Macht, dazu fehlen die Ressourcen. Auch das BIP (Brutto-Inlandsprodukt) sei gerade mal halb so groß, wie das der BRD. Im Bankenranking sei Russland auf Platz 60, der Export von FDI (Direktinvestitionen im Ausland) betrage gerade mal 15 Prozent von dem der USA. 75 Prozent aller Exporte seien Öl, Gas und Metalle, also Rohstoffe. Vom Wesen her sei Russland eine „Kleptokratie“, die großen Konzerne in staatlicher Hand.

Im Wesen des Imperialismus habe sich in den letzten 100 Jahren nichts verändert, nach wie vor gibt es die Handvoll imperialistischer Länder, diese seien unverändert. Ihr Fazit: Man solle die unterschiedlichen Positionen akzeptieren und nicht noch weiter auseinander driften, sonst verschwinden wir in die Bedeutungslosigkeit.

In unserem Redebeitrag haben wir ausgeführt, dass die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung des Imperialismus notwendigerweise Veränderungen mit sich bringt. Die Türkei sei beispielsweise kurz davor, eine imperialistische Macht zu werden. China ist eine relativ junge imperialistische Macht. Im BIP nach Kaufkraft hatte China schon 2019 einen Anteil von 17,39 Prozent, Tendenz steigend und die USA 15,93 Prozent, Tendenz fallend. Was Russland betrifft, so geben wir der Referentin Recht, sei es ökonomisch nicht so stark, wie andere imperialistische Großmächte. Aber es ist militärisch kumulativ immer noch zweitstärkste Macht und Atommacht Nummer 2 in der Welt. Russland ist an vielen militärischen Konflikten beteiligt und scheut sich auch nicht, wenn nötig, die USA militärisch herauszufordern. Das sehen wir in Syrien und in der Ukraine. In den letzten Jahren macht sich Russland sowohl ökonomisch als auch militärisch auf dem afrikanischen Kontinent breit, zur Ausplünderung, aber vor allem um seinen Einfluss auszubauen. Russland ist eine imperialistische Großmacht. Was die Frage betrifft, ob wir Russland militärisch unterstützen, die können wir nur verneinen. Russland führt einen Krieg um die Neuaufteilung der Welt. Da schlagen sich nicht zwei mittelgroße Kräfte auf dem Schlachtfeld, sondern Russland wird von China unterstützt und die Ukraine von den westlichen Imperialisten. Deutschland ist direkt am Krieg beteiligt, liefert Waffen und bildet Militärs aus… Unser Fazit: Der Hauptfeind steht im eigenen Land und hier müssen wir gegen Waffenlieferungen kämpfen.

Bereits hier war schon klar, dass wir uns mit unserer Position auf diesem Kongress kaum Freund:innen machen. Die Referentin meinte, wer China als imperialistisch bezeichne, habe keine Ahnung von der Gesetzmäßigkeit des Imperialismus. China sei auf dem Weg zum Sozialismus.

Anschließend folgte wieder ein gemeinsames Podium zu der Frage „Imperialistischer Krieg, Verteidigungskrieg, gerechter Krieg?“.

Auf dem Podium waren vertreten: Renate Koppe, verantwortlich für Internationale Beziehungen im Parteivorstand der DKP, Hannes Hofbauer, ein Wiener Verleger, Erhard Crome, Politikwissenschaftler und Mitarbeiter der Zeitschrift Welttrends, sowie zwei Vertreter:innen der KO, die Fragen stellten.

Koppe vertrat, Russland führe einen Verteidigungskrieg, der vom Völkerrecht gedeckt sei. Sie verteidigte den Einmarsch zur Befreiung des Donbas, auch der Einmarsch über den Donbas hinaus sei gerecht – hier gebe es aber Widersprüche innerhalb der DKP. Hofbauer nannte den Einmarsch völkerrechtswidrig. Der Krieg sei weder ein imperialistischer noch ein gerechter Krieg. Als Linke können wir nur die Losung ausgeben: Es ist nicht unser Krieg. Hingegen vertrat Crome die Invasion als unzweifelhaft völkerrechtswidrig. Zudem sei Russland eine imperialistische Macht. Leider haben in diesem Block fast nur die Referent:innen geredet. Es war kaum Zeit für Fragen und Meinungen. Die meisten, die etwas sagen wollten, sind nicht drangekommen, so wie wir auch nicht.

Am Abend gab es ein weiteres Podium unter der Leitfrage „Der gegenwärtige Imperialismus und die Kommunistische Bewegung“. Referent:innen waren Dima Alnajar (Partei des Volkswillens Syrien), Björn Blach (DKP), Torsten Schöwitz (KPD) und Andreas Sörensen (SKP, Schwedische Kommunistische Partei). Blach vertrat die größte Räuberbande seien die G7 mit der NATO als militärischer Stützpunkt. Demgegenüber meinte Sörensen, es sei falsch einem Land das Adjektiv kapitalistisch oder imperialistisch zuzuordnen. Der Imperialismus sei ein Weltgefüge. Daher bestünden nur quantitative, aber eben keine qualitativen Differenzen unter Staaten hinsichtlich ökonomischer und militärischer Stärke.

Das konnte Alnajar nicht so stehenlassen und widersprach. Es gebe zurückgebliebene kapitalistische Länder. In Russland seien die Monopole in staatlicher Hand und daher fortschrittlich. Schöwitz von der KPD betonte, dass es in seiner Organisation genau die gleichen Differenzen gebe, wie innerhalb der KO.

Die sehr zutreffende Frage des Referenten von KO an Blach, ob denn Russland also imperialistisch war, solange es Mitglied in der G8 war, wurde nicht beantwortet und aus dem Publikum mit Lachen quittiert.

Das alles war Ausdruck davon, dass in diesem Kongress wirklich unterschiedlichste Positionen aufeinanderprallten, die schwerlich zu einer einheitlichen Position innerhalb der KO und ihrer verbündeten Organisationen führen werden.

Es haben insgesamt etwa 300 junge Menschen teilgenommen – auch wenige Ältere.

Eindrucksvoll, wie engagiert diese jungen Menschen diskutiert und wie viel Wissen sie sich angeeignet haben. Auch wenn falsche Schlussfolgerungen gezogen werden und wurden. Das Bemühen, auf einem öffentlichen Kongress zu einer einheitlichen Position zu kommen, ist ein mutiger Ansatz.

Sehr negativ ist uns das teilweise undemokratische Verhalten aufgestoßen.

Angefangen damit, dass Organisationen keinen Büchertisch machen durften, ausgenommen die Organisationen, von denen Referent:innen eingeladen wurden.

Wie bereits erwähnt, hatten wir uns als Aktivist:innen von Trotz alledem für den Kongress angemeldet und dabei auch angefragt, einen Büchertisch zu machen. Die Antwort von KO war, sie freuen sich über unsere Teilnahme: „Allerdings können wir euch keine positive Rückmeldung geben was das Auslegen/Verteilen eures Materials betrifft. Wir haben beschlossen nur den aktiv ins Programm eingebundenen Organisationen diese Möglichkeit zu Eröffnen.“ (E-Mail von KO)

Also kein Büchertisch und nicht mal das Verteilen von Material im Gebäude wurden erlaubt.Klar haben wir darauf geantwortet: „Dass wir keinen Büchertisch machen können, halten wir für ziemlich undemokratisch. Wenn wir eine Veranstaltung etc.. machen, laden wir extra Organisationen ein, dass sie auch einen Tisch machen können. … Bedenkt doch mal eure undemokratische Haltung.“

Wir wurden auch unsachlich in den Debatten angemacht: Zum Beispiel, wir wären schlimmer als der bürgerliche deutsche Staat, nicht einmal der behauptet, Russland sei faschistisch. Eine Frau von den Trotzkisten hatte KO hart – aber teilweise richtig – kritisiert. Ihr wurde das Mikrofon abgedreht, sie wurde während ihrer Rede laut ausgebuht. Ein weiteres Mitglied dieser Organisation durfte dann nicht mehr reden. Soviel zum Thema Kritik und Selbstkritik.

Wir haben am Samstag im Eingangsbereich einen kleinen Büchertisch aufgebaut. Im Hof und Aufenthaltsbereich durften wir nichts verteilen. Zeitungen haben wir kaum verkauft, aber unsere Thesen haben wir gut verteilt.

Insgesamt war es gut und richtig, an dem Kongress teilzunehmen, unsere Position zu vertreten, einen Überblick über die unterschiedlichen politischen Einschätzungen zu bekommen und das teils undemokratische Verhalten zu kritisieren.

Ende September 2022