Die Revolution hat kein Geschlecht

Artikel aus „Proletarische Revolution/Österreich“, Nr. 80

National-Demokratische Front Philippinen

von Markus del Pilar und Pat Gambao

Vorbemerkung der PR-Redaktion: In Österreich sind Vorurteile über kommunistisch geführte Guerillakriege weit verbreitet, auch über den bewaffneten Kampf unter Führung der KP Philippinen. Deshalb haben wir den folgenden Text aus der Zeitung der National-Demokratischen Front der Philippinen ungekürzt übersetzt. 1

„Wenn wir zusammen eingeteilt wären, hätten wir Kompaniestärke. Aber das wird nicht passieren. Haben Sie gesehen, wie rüpelhaft wir während des Volleyballspiels waren? Wir können extrem laut sein“. Sie alle lachten über die Idee.i

Selten kommen sie zusammen. Tatsächlich haben sich einige von ihnen gerade erst kennengelernt. Sie gehören verschiedenen Guerilla-Zonen an und können, wie sie sagen, nicht in Gruppen zusammengefasst werden. Nicht weil sie übermütig sind, sondern weil in den Gebieten, die ihnen zugewiesen wurden, ein besonderer Bedarf besteht.

Sie sind Mitglieder des Pulang-Bagani-Bataillons (PBB) der New People‘s Army (NPA), (Neue Volksarmee, Anmerkung d. Übers.). Revolutionäre. Bayot, Schwule.

Der Kampf gegen Diskriminierung

Ka Riko, ein Choreograf, erzählte, dass ihre „Ninunong Bakla“; und „Anitong Bading“; (wörtlich: schwule „Vorfahren“; und schwule „Ikonen“) in den städtischen Zentren von einigen Mitgliedern der Bewegung diskriminiert wurden, welche Homosexualität als Schwäche betrachteten. Die Schwulen wurden wegen ihres Fingerschnipsens und Hüftwackelns kritisiert, vor allem bei Kundgebungen. Es gab sogar eine Zeit, in der das Schwulsein als Sicherheitsrisiko galt.

Die wachsende Zahl von Schwulen und Lesben in der Partei erforderte gründliche Studien, ideologische Umgestaltung und einen politischen Leitfaden für die richtige Haltung gegenüber Mitgliedern, die ihre sexuellen Vorlieben äußerten. Diese Bemühungen zielen darauf ab, die geschlechtsspezifische Diskriminierung zu mildern, wenn nicht sogar ganz zu beseitigen.

Dazu gehörte auch „Über das proletarische Verhältnis der Geschlechter (OPRS)“; ein Parteidokument, das Beziehungen und Eheschließungen lenken soll.

Das 10. Plenum der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) sprach sich für die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben und die Anerkennung ihrer sexuellen Präferenzen sowie ihrer Beziehungen und Ehen aus. Auch die Schwulen haben sich zur rechten Zeit bewährt; dass ihr Fingerschnipsen und ihr Hüftwackeln nichts mit ihrer Fähigkeit zu tun haben, zu führen und Aufgaben, einschließlich militärischer Aufgaben, zu erfüllen.

Der Prozess der Akzeptanz und Anerkennung der Rechte der nicht-heterosexuellen Mitglieder war jedoch nicht einfach. Abgesehen von der ungleichen Entwicklung der Mitglieder in der Bewegung ist der Einfluss der bürgerlichen Kultur und Gesellschaft stark, die auf Lesben, Schwule, Bi- und Transgender (LGBT) herabsieht und sie diskriminiert. Die konsequente Bekämpfung dieses verderblichen Einflusses ist unerlässlich.

Ka Duday, eines der Mitglieder des medizinischen Personals der PBB, verriet, wie unbehaglich es ihm anfangs zumute war. Er wusste nicht, wie er sich einordnen sollte. „Ich kann nicht mit den Männern baden, weil das gegen die Regeln verstößt. Ich kann mich den Frauen nicht anschließen, weil sie denken könnten, ich würde sie missbrauchen. Dann machte jemand die Bemerkung, dass Schwule keinen Platz in der Revolution hätten. Tief beleidigt, war ich sehr demoralisiert. Ich habe dann der Bewegung den Rücken zugekehrt. Doch zu Hause musste ich sehr weinen. Nach einigen Monaten habe ich ihnen mitgeteilt, dass ich zurückkehren und mit ihnen zusammen eine Bewertung vornehmen wolle“.

Ka Duday glaubte, dass der Kampf gegen die minderwertige Kultur dieser bürgerlichen Gesellschaft, in die wir hineingeboren wurden, und die Einleitung von Veränderungen aus dem kollektiven Kampf der Schwulen, Lesben und Heteros in der nationaldemokratischen Revolution erwachsen würde. Es gibt Parteidokumente, die Schwule und Lesben darüber aufklären, dass sie von der Unterdrückung und Ausbeutung anderer sozialer Geschlechter betroffen sind. Daher ist es wichtig, dass sie eine aktive Rolle in der Volksrevolution übernehmen.“

Aber wir können die Botschaft nicht aussenden und sie von der Notwendigkeit einer Revolution überzeugen, wenn wir selbst undiszipliniert sind“, sagte Ka Duday.

Unterdessen teilte Ka Riko ihre Erfahrungen während einer Begegnung mit dem Militär im Jahr 2000 mit, bei der sie in die Defensive gedrängt wurden. Sie hatten es schwer, sich vom Feind abzusetzen. Das Militär rückte schnell vor. Dann positionierte sich einer ihrer Kameraden, ein Schwuler, abseits der NPA-Haupteinheit und schoss auf das Militär, um dessen Aufmerksamkeit abzulenken. Diese ermöglichte es der NPA-Einheit, zu manövrieren und sich zurückzuziehen. „Darauf sind wir stolz“! rief Ka Riko aus.

Dieser Vorfall diente als Wendepunkt der in Art und Weise, wie Schwule in ihrer Einheit behandelt wurden. Sie machten sich immer noch über sie lustig, aber diesmal mit Zuneigung, anders als zuvor, wo sie das Gefühl hatten, dass die Leute sie mieden.

Ka Riko bemerkte stolz: „Die Schwulen in der Bewegung sind großartig – mutige und echte Kämpfer.“

Sie erinnerten sich liebevoll an Wendel Gumban-Weng, wie er für seine Familie hieß, bzw. Wanda für seine Freunde und Genossen in der Stadt und Ka Waquin für die roten Kämpfer der PBB und der Lumad – er starb den Märtyrertod. Mit einem Abschluss in Tourismus an der Universität der Philippinen stellte Wendel persönliche Ambitionen zurück, um den Massen und der Revolution zu dienen.

„Abgesehen davon, dass er ein schwuler Krieger ist, ist Ka Waquins Hingabe an den Dienst am Volk eine unsterbliche Inspiration, nicht nur für uns Schwule, sondern auch für viele GenossInnen und die Massen. Er hat bewiesen, dass Schwulsein kein Hindernis ist, eine Waffe abzufeuern, besonders wenn es um die nationale Befreiung geht“, erklärte Ka Duday.

Sein Schwulsein öffentlich machen

Neben der Konfrontation mit dem Feind wissen sie auch, dass es notwendig ist, sich mutig den inneren Widersprüchen zu stellen. Aus dem Schrank herauszukommen, sein Schwulsein öffentlich zu machen, kann auch heißen, herabgesetzt, verspottet und verabscheut zu werden.

„Seit der Highschool wusste ich bereits, dass ich schwul bin, aber ich habe es vor meiner Familie verheimlicht. Ich war in Kontakt mit der NPA, aber ich hatte nicht vor, ihr beizutreten. Ich habe ihr lediglich geholfen, wenn ich es konnte.

Wenn Du aus einer Bauernfamilie stammst, sehnst Du Dich immer danach, Deine Familie aus ihrer elenden Lage zu befreien.

So arbeitete ich als Sicherheitsbeamter in der Stadt. Allerdings konnte ich die ausbeuterische Situation, in der sich die Sicherheitskräfte befinden, nicht ertragen. Es ist ein wertloses Opfer. Ich gab meinen Job auf und kontaktierte meinen Freund in der NPA, um meinen Wunsch zu äußern, mich der NPA anzuschließen“, erzählte Ka Princess.

„Mehr als ein Jahr lang habe ich mein wahres Ich vor unserer Gruppe verborgen. Aber das belastete mich enorm, und so öffnete ich mich Ka Bob gegenüber, einem Leitungsmitglied. Ich bat ihn, dies mit der Leitung zu besprechen. Ich wusste nicht, wie sie reagieren würde, aber das war die geringste meiner Sorgen. Das Wichtigste war, dass ich mich „geoutet“ hatte und mich erleichtert fühlte“, fügte Princess hinzu.

Princess erwartete Spott von seinen Kameraden und den Massen, nachdem sie die Wahrheit erfahren hatten. Aber das geschah nicht. Tatsächlich gab es einige, die ihm erst nicht glaubten.

„Wenn Du wirklich Deine wahre Identität verbergen willst, machst Du alles, um keinen Verdacht zu erregen“, erklärte Ka Princess.

Bei einer der Jubiläumsfeierlichkeiten der CPP lud Princess seine Familie ein. Dort gestand er ihnen seine sexuelle Vorliebe ein. Zuerst waren sie schockiert, aber nachdem er sich ihnen erklärt hatte, akzeptierten sie ihn von Herzen, so er war.

Princess Ka fühlte sich nach diesem Geständnis befreit, als ob ihm ein großer Dorn aus der Kehle gezogen worden wäre. Er trat der NPA als Ka Marco bei, jetzt ist sie Ka Princess, eine politische Führerin eines Zuges.

Für Ka Awra ist es eine doppelte Belastung, Moro (Anmerkung d. Übers.: muslimische Minderheit auf den Philippinen) und schwul zu sein.

„Ich beneidete meine Freunde in der Stadt, weil viele von ihnen, sowohl Männer als auch Frauen, den schwulen Jargon beherrschten. Ich hatte den Eindruck, dass sie Schwule sehr akzeptierten. Wie ich später erfuhr, vermuteten sie bereits, dass ich schwul sei, weil ich zurückhaltend und sanft war. Aber sie haben mich nie danach gefragt oder mich gezwungen, es zuzugeben.

Im Jahr 2005 wurde ich zur Gründung der Organisation von Schwulen und Lesben eingeladen. Ich fragte mich, warum ich eingeladen wurde. Bei der Selbstvorstellung musste man seinen Namen und sein Gender- schwul, lesbisch oder bisexuell – angeben. Als ich an der Reihe war zu sprechen – da sprach ich offen und meine „Karriere“ als Awra Alindogan begann – unerwartet. Bongga! (Toll!),“ staunte Ka Awra, ein Bildungsbeauftragter, über diese Erinnerungen.

Ka Awra entdeckte nach der Enthüllung, dass er noch viel mehr tun und zur Revolution beitragen kann – er kann schreiben, tanzen und seine kulturellen Fähigkeiten unter Beweis stellen, um seine Organisations- und Unterrichtsarbeit lebendig zu gestalten. Er war offen gegenüber seinen GenossInnen und den Massen.

Er erkannte, dass die Massen Dich unabhängig von deinem Gender akzeptieren und lieben werden, solange Du ihnen bei ihren Problemen helfen kannst; sie sehen dich am Gericht des Volkes bei der Lösung von Problemen; sie sind aufgeklärt und lernen aus deiner Unterweisung, aus den Parteikursen oder einfach beim Lesen und Schreiben. Solange Du mit ihnen zusammen Pläne und Programme entwirfst, die ihren Interessen dienen, werden sie Dich von ganzem Herzen akzeptieren.

Ein erfinderischer Schwuler

„Einmal wurde unser Lager überfallen und all unsere Habseligkeiten waren gestohlen worden. Als die Massen von dem Vorfall erfuhren, schickten sie mir einen Beutel voller Dinge, um das zu ersetzen, was ich verloren hatte. Die Geste hat mich so berührt, dass ich vor Freude weinen musste. Ich habe zurückgeschrieben, um ihnen zu danken. Die Massen lieben die Volksarmee so sehr. Sie freuen sich immer darauf, uns zu treffen und sich mit uns auszutauschen, wann immer wir in der Nähe sind“; so Ka Awra.

Awra sprach von der Erkenntnis, dass Respekt nicht dadurch verdient wird, dass man sein wahres Selbst verbirgt. Zunächst einmal muss man sein bevorzugtes soziales Geschlecht weder verbergen noch verleugnen. Wenn man seine Arbeit gut macht, ein gutes Verhältnis zu allen hat, sich an die Politik und die Programme der revolutionären Bewegung hält, gibt es keine Schwierigkeiten. Dies gilt nicht nur für Schwule. Alle Männer und Frauen müssen ihre Aufgaben für die Revolution gut erfüllen. Auf diese Weise werden sie sicherlich das Vertrauen und den Respekt ihrer GenossInnen und der Massen gewinnen.

Einmal wurde er mit der Leitung eines Teams in einer militärischen Spezialoperation beauftragt. Er lehnte dies vehement ab, vor allem weil seine langen Haare dafür hätten abgeschnitten werden müssen. Er weinte die ganze Zeit, als ihm die Haare geschnitten wurden. „Ayoko na mag-struggle (Ich will nicht mehr Teil des Kampfes sein)“, sagte er lachend, als er sich an den Vorfall erinnerte.

Aber am Ende wurde ihm klar, dass er persönliche Wünsche nicht über seine revolutionären Aufgaben stellen sollte. Schließlich nahm er die Aufgabe an, und sie probten, wie die Operation durchgeführt werden sollte. Er sollte einen angeblich von der AFP kontrollierten Kontrollpunkt besetzen. Während der eigentlichen taktischen Operation gab es Leiter, die ihn trainierten. Sie machten ihn immer dann aufmerksam, wenn seine Stimme und sein Handeln weich wurden. Aber sie haben ihn selbst sein lassen, wenn keine anderen Leute da waren. Er konnte sich mit gekreuzten Beinen hinsetzen. Er konnte sich mit Gusto zufächeln.

Aber wenn andere Leute und Fahrzeuge dort waren, musste er zu seinem „AFP-Charakter“ zurückkehren und es gelang ihm gut, diese „Rolle“ zu spielen, bemerkte Ka Awra.

„Nach der Operation, beim Zusammenpacken unserer Sachen, waren wir alle verdammt hungrig. Als sich ein LKW mit Obst näherte, baten mich Mitglieder meiner Einheit, um etwas zu essen zu bitten.

Obwohl ich irritiert war, gewann mein Mitgefühl die Oberhand, und ich hielt den Lastwagen an, um Essen zu bitten. Ich trug bereits ein Sando-Hemd, aber immer noch eine Flecktarnhose. Ich ließ meinen Charme spielen.

Diejenigen im Lastwagen konnten mich jedoch immer noch mit der NPA identifizieren, weil sie sagten, niemand in der AFP würde zugeben, dass sie schwul seien. Später erfuhren wir, dass sie von einer der Barangays (Dörfer) kamen, wo wir zuvor Massenarbeit geleistet hatten“, fuhr Awra fort.

Befreiungsbewegung

Die Anerkennung und Achtung der Rechte von Schwulen und Lesben durch die CPP (Kommunistischen Partei der Philippinen, Anmerkung d. Übers.) ist ein großer Fortschritt für die Schwulen und Lesben. Die Bewegung wird weitere Erkenntnisse gewinnen und Lehren daraus ziehen, während sie die nationaldemokratische Revolution vorantreibt.

Die Bewegung mag auf dem Weg auf enorme Hindernisse stoßen, aber sie wird, geleitet von den marxistisch-leninistisch-maoistischen Prinzipien, in der Lage sein, den Weg zum Sieg zu ebnen. Die GenossInnen, Kader und Massen werden die gelernten Lektionen untermauern, leben und weiter bereichern.

Laut Ka Riko kann nicht verhindert werden, dass Schwule immer noch Probleme haben könnten, vor allem mit Genossen, welche die bürgerliche Kultur, in der sie aufgewachsen sind, nicht vollständig abgeschüttelt haben. Aber hier unterscheidet sich die CPP von allen anderen politischen Parteien. Sie erkennt ihre Schwächen, lernt aus diesen und korrigiert sie, und damit ihre Mitglieder.

„Die Revolution diskriminiert nicht nach dem Geschlecht. Die Waffe hat kein Geschlecht. Das Bestreben, den Massen zu dienen und die Revolution zu gewinnen, um einen echten gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen, verbindet uns alle – Männer, Frauen, Schwule und Lesben“, fügte Ka Princess hinzu.

„Es ist nur angemessen, dass sich alle Schwulen und Lesben der revolutionären Bewegung anschließen. Nur durch eine bewaffnete Revolution können wir eine Gesellschaft voranbringen und aufbauen, deren Schönheit nicht nur an der Oberfläche liegt, sondern auch aus dem Kern der völligen Freiheit hervorgeht“, schloss Ka Duday.

Nicht nur hat die Partei die Rechte der Schwulen und Lesben anerkannt, sondern sie darüber hinaus mit Theorie und Praxis des MLM, des Marxismus-Leninismus-Maoismus, ausgestattet, um sie zur Befreiung nicht nur ihres Sektors, sondern aller unterdrückten Klassen zu befähigen.

Sie sind so in der Lage, dass sie den konventionellen Glauben daran, dass das von ihnen gewählte soziale Geschlecht nur für Schönheitssalons taugt und ihre Talente nur zur Unterhaltung dienen, zerschlagen können. Sie sind in der Lage, an einer Gesellschaft, die frei von den Fesseln der Ausbeutung und Diskriminierung ist, teilzuhaben und das Fundament dafür zu legen.

i https://liberation.ndfp.org/main-stream/the-revolution-has-no-gender/veröffentlicht 29. Juni 2018 Liberation, April-Juni 2018, S. 26-30. Auf Deutsch veröffentlicht von Proletarische Revolution Österreich, Nr. 80/2019; überarbeitete Übersetzung, TA.