Kurzbericht von TA-BetriebsaktivistInnen
Liebe TA-LeserInnen,
hier sind stichpunktartig unsere Eindrücke und Einschätzungen von der Strategiekonferenz „Für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik!“: Die Konferenz hat am 25.-26. Januar 2020 in Frankfurt im Haus der Jugend mit 130-140 Leuten stattgefunden. Sie wurde seit Herbst 2019 von der VKG „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“ vorbereitet:
Woraus entsteht dieser Bedarf für eine solche Strategiekonferenz? Die OrganisatorInnen beantworten diese Frage: „Der Bedarf an ernsthaften Diskussionen über Strategie und Ausrichtung der Gewerkschaften ist groß, ebenso wie der Wunsch nach Vernetzung und besserer Koordinierung aktiver und kämpfender Kolle-ge*innen“.
In dieser Konferenz waren unterschiedliche vernetzte Initiativen und Einzelpersonen, die immer noch in verschiedenen Gremien der Gewerkschaften arbeiten oder gearbeitet haben – zu einem großen Teil aber jetzt im Ruhestand sind – Betriebsräte, Vertrauensleute, aktive kämpferische ArbeiterInnen, die in großen Betrieben tätig sind und für einen kämpferischen Kurs in den Gewerkschaften eintreten.
Die OrganisatorInnen wollten mit „aktiven kämpferischen Kollege*innen“, die aus verschiedenen großindustriellen Betrieben, öffentlichen Einrichtungen etc. kommen „gemeinsam an einem Strang ziehen“, die „Gewerkschaften insgesamt auf einen neuen Kurs, bzw. in eine kämpferische Richtung bringen“.
Für dieses Ziel sollte daran gearbeitet werden, sich „besser zu vernetzen und zu koordinieren“, „weitere Absprachen“ zu treffen, sich zu organisieren und „mit möglichst vielen Aktiven eine kämpferische Gewerkschaftspolitik zu entwickeln.“
Die Strategiekonferenz wurde am Samstag mit einem Referat von Matthias Fritz (ehemaliger Betriebsrat und IGM-VK-Leiter bei Mahle in Stuttgart Bad Cannstatt) eröffnet. Die Rede beinhaltete die Fragen„In welcher Lage befinden sich die Lohnabhängigen in der BRD heute?, Was tunin Zeiten von Wirtschaftskrise, Prekarisierung, Arbeitshetze, Massenentlassungen und Umweltzerstörung?“
In einer kurzen Diskussionsrunde haben viele der Beteiligten ihre Meinungen und Erwartungen geäußert.
Hier sind einige Bespiele: „Die Politik der Sozialpartnerschaft muss eine Ende haben“, „Die Gewerkschaftsbosse spielen mit und sind Teil dieses Systems“, „Die Krise steht vor der Tür, aber auch die DGB-Gewerkschaften vertuschen das“, „2008/2009 gab es eine Überproduktionskrise – 2019/2020 ist das Kapital mit einer Absatzkrise der Hauptprodukte der Exportindustrie konfrontiert“, „Der Staat versucht, die Gewerkschaften unter Kontrolle zu halten“, „Die Arbeitszeitverkürzung spielt wieder eine große Rolle“, „Die Umwelt- und Klimapolitik kommt wieder auf die Tagesordnung“, „Wir müssen die gewerkschaftlichen Kämpfe mit den Kämpfen der Klimaschutzbewegung verbinden!“, „Das politische Bewusstsein ist nicht wie in den 1970er Jahren“, „Der Druck muss wieder von unten organisiert werden“, „Die Politik der bestehenden Gewerkschaften ist eine Stillhalte- und Niederlage-Politik“, „Wir brauchen eine kämpferische Gewerkschaftspolitik und radikalere Kampfformen“, „Die DGB-Gewerkschaften sind das Co-Management der Unternehmen und Regierung“, „Die Politik der Sozialpartnerschaft ist prokapitalistisch“, „Wir müssen den Massen eine kämpferische Gewerkschaftspolitik bzw. Wege und Methoden zeigen“, „Die kapitalistische Krise ist an der Tagesordnung, die IGM versucht, das klein zu reden und unternimmt nichts!“, „Eine kämpferische Gewerkschaftspolitik gegen Rassismus muss mit den ökonomischen Kämpfen verbunden werden“, „Anti-Rassistischer Kampf und Politik in den Betrieben“, „Die bestehenden Gewerkschaften können wir nicht reformieren, Alternativen müssen her!“, „Leiharbeit, Auslagerungen und andere Maßnahmen zur Profitmaximierung haben Belegschaften gespalten, zerstückelt und nahezu kampfunfähig gemacht“, „Der Verlust des Klassenbewusstseins verhindert, dass erkannt wird, wer verantwortlich ist für immer schärfere Ausbeutung und immer miesere Arbeitsbedingungen“, „Die IG Metall Bonzen und Betriebsratsfürsten setzen auf Kuschelkurs mit dem Kapital – wir wuppen die „Transformation“ gemeinsam“, „In diese Lücke stoßen faschistische Organisationen wie Zentrum Automobil e.V.“, „Die aktuelle Tarifrunde in der IG Metall ist eine Farce, null politische Diskussion, nur Hochglanzinformationen“, „Damit der anstehende Umbau – die so genannte Transformation – der Schlüsselindustrie, insbesondere der Autoindustrie nicht auf den Rücken der ArbeiterInnen abgewälzt wird, muss die Schlüsselindustrie vergesellschaftet werden!“
Arbeitsgruppen
In der Strategiekonferenz waren folgende sieben Arbeitsgruppen geplant und fanden gut besucht mit spannenden Debatten statt.
„AG 1: Der Kampf für einen neuen „Normalarbeitstag“. Radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich!“
„AG 2: Mehr Demokratie in Arbeitskämpfen und Gewerkschaften. Was können wir aus Erfahrungen lernen und wie können wir diese verallgemeinern?
„AG 3: Gewerkschaftliche Kämpfe politisch führen! Wie können wir den Druck in den Gewerkschaften aufbauen, um die Kämpfe politischer zu führen?“
„AG 4: Prekarisierung bekämpfen statt „gestalten“!“
„AG 5: Internationale Solidarität statt internationaler Konkurrenz!“
„AG 6: Gewerkschaften und Klimaschutzbewegung zusammenbringen!“
„AG 7: Umgang mit Rassisten und Faschisten im Betrieb“
In der Strategiekonferenz konnten wir an folgenden vier Arbeitsgruppen teilnehmen.
1. „Der Kampf für einen neuen „Normalarbeitstag“. Radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollen Lohn- und Personalausgleich!“,
2. „Gewerkschaftliche Kämpfe politisch führen! Wie können wir den Druck in den Gewerkschaften aufbauen, um die Kämpfe politischer zu führen?“
3. „Prekarisierung bekämpfen statt „gestalten“!“
4. „Umgang mit Rassisten und Faschisten im Betrieb“
In der Arbeitsgruppe, „Der Kampf für einen neuen „Normalarbeitstag“. Radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich!“ wurde sehr intensiv diskutiert und festgestellt, dass diese Forderung absolut an der Tagesordnung ist.
Allerdings wird von vielen befürchtet, dass das Kapital eine Arbeitszeitverkürzung zur Arbeitsverdichtung und damit Arbeitsplatzvernichtung und verschärfter Ausbeutung nutzen würde. Im Hinblick auf anstehende Massenentlassungen ist Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich allerdings die einzig sinnvolle Forderung innerhalb des kapitalistischen Ausbeutungssystems! Zumal es eine neue Tendenz gibt, dass KollegInnen ihre Arbeitszeit individuell auf Teilzeit verkürzen, weil sie den „normalen“ Arbeitstag nicht mehr schaffen. Weg von der individuellen Arbeitszeitverkürzung, den gewerkschaftlichen Kampf um die tarifliche Arbeitszeitverkürzung und den politischen Kampf für ein Arbeitszeitgesetz mit Begrenzung auf 30 Stunden in der Woche, sechs Stunden am Tag führen! Leistungsverdichtung muss verhindert werden durch Aufstockung der Personaldecke.
In der Arbeitsgruppe „Gewerkschaftliche Kämpfe politisch führen!“, berichtete ein kämpferischer Amazon-Arbeiter ausführlich über den Amazon-Streik Hier einige Stichpunkte zu seinem Bericht:
Insgesamt haben an dem Amazon-Streik 4 000 ArbeiterInnen teilgenommen. Davon waren 2 500 fest angestellte und 1 500 LeiharbeiterInnen. Der Organisationsgrad in diesem Betrieb war vor dem Streik bei 30 Prozent.
Der Streik war eine Art „spontaner“ Streik und wurde nicht von der Gewerkschaft „ver.di“, sondern von den kämpferischen Arbeitern bzw. dem Betriebsrat organisiert. Es gab auch kein Konzept oder eine Strategie für den Streik. Die Gewerkschaft „ver.di“ hat sich nicht von Anfang an eingeschaltet, sondern viel später. Tatsächlich war die Gewerkschaft „ver.di“ nicht für diesen Streik.
Der Arbeitgeber hat am Anfang Gespräche mit den Gewerkschaften verweigert bzw. blockiert. Amazon war auch nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes. Es gab so gut wie keine Solidarität von anderen Betrieben.
Die große Zahl der LeiharbeiterInnen (Leih-Tageskräfte) war ein Defizit für den Streik. Trotzdem haben die LeiharbeiterInnen den Streik aktiv unterstützt und daran teilgenommen.
Die Kontakte der MitarbeiterInnen innerhalb des Betriebs waren sehr schwach; ebenso die allgemeine Kampfbereitschaft bzw. das Bewusstsein.
Während des Streiks wurden die Paketsendungen auf andere Betriebe europäischer oder weltweiter Betriebe verlagert. Diese Flexibilität des Betriebs hat den Streik besonders schwer gemacht.
Nach den Diskussionen in dieser Arbeitsgruppe sind folgende Schlussfolgerungen gezogen wurden.
Uneingeschränktes Streikrecht als Perspektive.
Vernetzung mit anderen Betrieben / Solidarität organisieren.
Konzepte, wie in den Betrieben, ähnlich Amazon, politische Kämpfe vorbereitet werden können.
Mit ArbeiterInnen transparente und offene Kommunikationswege schaffen.
Gemeinsame Tarifverträge (Bund-Land-Kommune).
Für das Prinzip der Abwählbarkeit von GewerkschaftsfunktionärInnen kämpfen.
Und jetzt Inputs aus der Arbeitsgruppe „Prekarisierung bekämpfen statt ‚gestalten‘ “:
Momentan sind ca. zwei Millionen ArbeiterInnen in Deutschland in Leiharbeit beschäftigt.
Prekäre Arbeitszeitgesetze, 1-€-Jobs, Hartz IV Gesetze usw. sind das Werk der SPD, die auch mit Hilfe der DGB-Gewerkschaften geschaffen wurden.
Die DGB-Gewerkschaften haben bislang weder Leiharbeit noch Werkverträge bekämpft sondern mitgestaltet und mitgetragen.
Kampagnen wie z.B. „Faire Leiharbeit“ von der IGM sind Augenwischerei und Verschleierungstaktiken.
Die prekären Arbeitszeitgesetze dienen dem kapitalistischen System bzw. dem Prinzip von „teile und herrsche“.
Hauptforderung soll das „Verbot der Leiharbeit!“ sein.
Aus der Arbeitsgruppe „Umgang mit Rassisten und Faschisten im Betrieb“ haben wir folgendes zu berichten:
In den Betrieben steigt die Unzufriedenheit. Faschistische Organisationen wie Zentrum Automobil e.V. stoßen in diese Lücke und greifen den Unmut in den Belegschaften auf. Wobei in der AG der Begriff „rechtspopulistisch“ verwendet wurde. Angeblich sei die AfD nicht als faschistisch einzustufen, da sie keine paramilitärischen Organisationen hätte. Es wurde dann aber doch konkreter über den Umgang und mögliche Gegenwehr diskutiert. An erster Stelle steht das Starkmachen von kämpferischen Gewerkschaftsstrukturen, KollegInnen, die sich eindeutig positionieren, unterstützen, vernetzen. Verirrte KollegInnen nicht abstempeln, sondern die notwendigen Diskussionen um den Klassenstandpunkt führen. Es ist davon auszugehen, dass in den Betrieben bis zu 25 Prozent offen für faschistische Ideologie sind. Hier müssen wir lernen, wo die Grenzen verlaufen. Die Argumente müssen klar sein. Wie läuft das Co-Management der DGB-Gewerkschaften? Klar benennen: Die AfD ist faschistisch. Zentrum Automobil e.V. will ArbeiterInnen für ihre Ideologie gewinnen. Wir können erkennen, dass sie nach einem nahezu identischen Konzept für ihre „Betriebsarbeit“ arbeiten wie die faschistische NSBO (nationalsozialistische Betriebszellenorganisation) der NSDAP. Schon Anfang der 1990er ließen Nazis aus NPD, DVU u.a. verlauten, dass sie jetzt, nachdem sie „erfolgreich“ in den Vereinen verankert sind, die Betriebe in Angriff nehmen. Kämpferische GewerkschafterInnen müssen hier klare Kante zeigen.
Der zweite Tag begann mit den Branchentreffen. In der Runde der IGM-KollegInnen wurde hauptsächlich die gerade anlaufende Tarifrunde besprochen. Und die unsägliche „Idee“ noch vor Ende der Friedenspflicht einen Abschluss zu erreichen, ohne Arbeitskampfaktionen und vor allem auch ohne die Forderungsdiskussion in der Basis einzubeziehen. Als Antwort auf das so genannte Moratorium wurde ein Flugblatt zum Verteilen in den Betrieben vorbereitet. Das wurde dann tatsächlich zu Tausenden, zumindest in der Stuttgarter Region, verteilt.
Am zweiten Tag haben die AGs auch ihre Diskussions-Ergebnisse vorgestellt. Anschließend wurde die neue Koordinierungsgruppe für die Strategiekonferenz der VKG vorgeschlagen und gewählt. Alle vorgeschlagenen KandidatInnen, darunter auch ein junger Kollege von DiDF, wurden mit großer Mehrheit gewählt.
Wie schätzen wir diese zweitägige Strategiekonferenz der Gewerkschaftslinken ein?
Obwohl die OrganisatorInnen der Strategiekonferenz von sehr kämpferischer Gewerkschaftsarbeit sprechen und die DGB-Gewerkschaften unter Beschuss nehmen, hatten sie selber jedoch kein konkretes, überzeugendes Konzept, wie diese Arbeit gemacht werden muss bzw. wie die kämpferische Gewerkschaftsarbeit geführt und umgesetzt werden soll. Die Veranstaltung war politisch geprägt von etlichen trotzkistischen Gruppen und AnhängerInnen. Außerdem war der Einfluss der Partei „Die Linke“ auch stark spürbar.
Die Veranstaltung war eine gute Möglichkeit, um sich auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen. Wir konnten unsere politischen Standpunkte einbringen und zur Diskussion stellen. Das bereichert unsere Betriebsarbeit, Agitation und Propaganda.
Klar ist, dass trotz alledem der Kampf für die Befreiung der ArbeiterInnenklasse vereint auf der Basis des Klassenstandpunkts geführt werden muss. Revolutionäre Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit in Verbindung mit der kommunistischen Partei für die sozialistische Revolution – Ja, das ist das einzig Richtige, was so schwer zu machen ist!
Dafür müssen wir uns organisieren! Der Wirklichkeit ins Auge geschaut, heißt das heute, sich mit allen kämpferischen und antikapitalistischen ArbeiterInnen, Werktätigen – zusammen zu schließen, um Verbesserungen zu erreichen UND niemals das Ziel aus den Augen verlieren!
Februar 2020
Einladende Organisationen
Arbeitsausschuss der Gewerkschaftsklinken und örtliche Foren. Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften, Münchner Gewerkschaftsklinke, Forum gewerkschaftliche Gegenmacht Wiesbaden, Zukunftsforum Gewerkschaften Rhein-Neckar, Jour Fixe Gewerkschaftsklinke Hamburg, Gewerkschaftsforum Dortmund, Verdi Linke NRW, Netzwerk für eine kämpferische und demokratische Verdi, AG Betrieb und Gewerkschaft – DIE LINKE Nordhessen, Organisieren-Kämpfen-Gewinnen (OKG) Kassel, TIE – Internationales Bildungswerk, Aktionskreis gegen Unternehmerwillkür (AKUWILL), BaSo Wuppertal, Basisgewerkschaftsgruppe Verdi aktiv Berlin,DiDF – Föderation Demokratischer Arbeitervereine e.V., Redaktion Herzschlag, Redaktion Yeni Hayat/Neues Leben.