100 Jahre Arbeiter-Illustrierte-Zeitung

Zeitschrift für ArbeiterInnen und Werktätige –
Zeitschrift von Arbeiter:innen-Korrespondent:innen und Bildreporter:innen

Der Aufruf zur internationalen Solidarität von Lenin angesichts der großen Dürrekatastrophe im Sowjetland August 1921 war die „Geburtsstunde“ der AIZ, unter ihrem damaligen Namen „Sowjet-Rußland im Bild“.

Vor 100 Jahren, erschien die erste Ausgabe dieser „proletarischen Illustrierten“. Zunächst als Zeitung der IHA (Internationale Arbeiterhilfe) im kleinen Format. Mit eindrucksvollen Bildreportagen wurde das wirkliche Leben im Roten Russland dokumentiert und den Arbeiter:innen in Deutschland näher gebracht. Zentrales Kunst-Element war die Gestaltung der Zeitschrift durch Arbeiterfotograf:innen und Berichte, die ganz konkret das politische Geschehen und die Lebenswirklichkeit der werktätigen Menschen, den Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion schilderten.

Am 1. Januar 1933 erscheint die AIZ mit einem Cover, auf dem Hitler von einem Felden zwischen Felsbrocken und anderen fallenden Politkern und einem zerbrochenen Hakenkreuz in die Tiefe stürzt. Titel: Glückliche Reise ins Neue Jahr wünscht die AIZ!

Sie widerlegten die bürgerliche Hetzpropaganda über den „Terror des Bolschewismus“ anhand der Realität als Lügen und Fake.

Mitglieder und Sympathisierende der KPD und freiwillige Unterstützer:innen vertrieben und verkauften die Zeitschrift auf den Straßen und in den Arbeiter:innenvierteln.

Auch die Zeitungsmacher:in-nen selbst waren unterwegs und erhielten viele Anregungen für Themen und Artikel durch Diskussionen und Nachfragen ihrer Leser:innen.

Der Name der Zeitschrift wurde 1923 in „Sichel und Hammer“ verändert, damit sollte das erweiterte inhaltliche Spektrum verdeutlicht werden.

Die Beschränkung auf Artikeln über die Sowjetunion und die Internationale Arbeiter:innenhilfe wurde aufgegeben. Zunehmend griffen die Redakteur:innen Themen wie Klassenkampffragen, Geschichte der Arbeiter:innenbewegung, Analysen über Ökonomie und Politik des deutschen Imperialismus, Krieg und Frieden, sowie Reportagen aus den vom Imperialismus unterdrückten Kolonien und vieles mehr auf.

November 1924 erfolgte die Umbenennung in „A-I-Z Arbeiter-Illustrierte-Zeitung“. Sie erschien zweimal im Monat in größerem Format und mit einer, für damalige Zeiten, gewaltig hohen Auflage von 180 000 Exemplaren. Herausgeber war der Neue Deutsche Verlag von Willi Münzenberg. Die Redaktion war eng mit der KPD verbunden und wurde von dieser auch teilweise materiell unterstützt.

Nach der Umstellung auf den Kupfertiefdruck wurde die AIZ 1926 zur Wochenzeitung, mit 52 Heften im Jahr. Nach und nach wurde ihre Aufmachung und ihr Lay-out revolutioniert. Die innovative Verbindung von Bild und Text wurde unter dem Motto „Benütze Foto als Waffe!“1 einzigartig weiterentwickelt.

John Heartfield, der die „Fotomontage“ als eigenständige Kunstform entwickelt und etabliert hatte, wandte sie meisterlich an: Ironisch, verfremdend, dokumentarisch, satirisch, berührend und agitierend.

Die freiwilligen Korrespondenten und Bildreporter:innen wurden in Kursen mit den verschiedenen Techniken vertraut gemacht. Sein Ziel war die Arbeiter:innen zu ermächtigen ihre eigenen Ge-schichten zu erzählen und fotografisch zu dokumentieren. Eine moderne, innovative proletarische Berichterstattung in Wort und Bild. Mit Ironie und Satire auf die herrschenden Verhältnisse.

Der AIZ-Wettbewerb unter dem Motto „Unsere Leser als Fotomonteure“ wurde ge-startet. Die sogenannte Arbeiterfotografie erlebte eine agitatorische Blütezeit. Heartfield gestaltete ab 1930 monatlich eine Seite in der AIZ und blieb ihr, bis zu ihrer Einstellung 1938, eng verbunden.

Zwischen 1927 und 1933 entwickelte sich die AIZ zur zweitgrößten Illustrierten in Deutschland. Mit einer Auflage von über einer halbenMillion! Exemplaren. Aber das bedeutete nicht, dass „nur“ 500 000 Menschen sie gelesen haben. 20 Pfennige – das war ihr Preis – damals war das einfach unglaublich viel Geld für eine Arbeiter:innenfamilie.

Einer der Werbeslogans der AIZ lautete: „Lasst sie wandern! Gebt sie andern!“.Die Zeitschrift hatte also ein Vielfaches an Leser:innen, denn sie ging von Hand zu Hand.

1933, das Jahr der Machtübernahme des Nazi-Faschismus, war auch das Jahr als die AIZ aus Berlin ins Exil nach Prag/Tschechoslowakei getrieben wurde. 1936 wurde ihr Name in „AIZ – Das Illustrierte Volksblatt“ verändert. Chefredakteurin der AIZ war von 1927 bis 1933 Lilly Becher. 1 Ihr folgte der Literat F.C. Weiskopf, eine Schlüsselfigur des antifaschistischen Widerstands in der Tschechoslowakei. Bis 1938 konnte die Zeitschrift weiter herausgegeben werden, allerdings mit einer viel kleineren Auflage.

Die Belieferung der Leser:innen in Deutschland erfolgte durch ein Netz von AIZ-Unterstützer:innen, die sie illegal ins „Reich“ transportierten.

Am 5. Oktober 19382 erschien aufgrund der sich zu­­spitzenden politischen Situation in der Tschechoslowakei die letzte AIZ Ausgabe in Prag. Im Exil in Paris versuchte F.C. Weiskopf erfolglos die weitere Herausgabe zu sichern.

Die AIZ fand von Anfang an im Ausland nicht nur eine begeisterte Leser:innenschaft, sondern auch freiwillige Bild- und Textreporter:innen, die die AIZ ungemein bereicherten.

Neben den Arbeiterkorrespondent:innen, konnten zahlreiche fortschrittliche, revolutionäre Schriftstel-ler:innen, Künstler:innen, Wissenschaftler:innen für Beiträge und zur Mitarbeit gewonnen werden.

Die AIZ war eine Massenzeitung, eine, im besten Sinne des Wortes, „Illustrierte“: Sie umfasste alle Lebensbereiche der Werktätigen. Arbeit, Wohnen, Erziehung, Politik, Kultur, Unterhaltung, Karikatur, Klassenkampf, Geschichte, Wissenschaften, Sport und noch vieles mehr. Für alle Schichten und Interessen der Werktätigen, für Kinder und die Jugend, für Frauen, und Arbeiter:innen war etwas dabei. Von Leser:innenumfragen, Kreuzworträtseln, Wettbewerben bis zu Artikeln für die „10-Minuten-Schulung“. Erklärtes Ziel der Redaktion und Mitarbeiter:innen war die breiten Massen mit Kopf und Herz für die Sache ihrer eigenen Befreiung, für Sozialismus und Kommunismus zu begeistern und zu gewinnen.

Die Themen der AIZ behandelten ein ungeheuer vielfältiges Spektrum. Die Verbindung von politischer Bildung, Wissensvermittlung und Sozial-Reportagen über das Leben der Werktätigen vieler Länder in all seinen Facetten ist auch heute noch mitreißend nachzulesen und in Fotos zu bestaunen.

Die AIZ war und ist Sinnbild für eine proletarische Gegenkultur. In der bürgerlichen Medien-Welt kamen die Arbeiter:innen nur in Horrormeldungen über „Elend, Verbrechen und Zügellosigkeit“ der „unteren Schichten“ vor.

Die Herausgabe der AIZ ist ein beispielhaftes Vorbild für eine breite Massenagitation, ohne sich anzubiedern und reformistische Zugeständnisse zu machen, den sozialistischen Klassenstandpunkt in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens überzeugend, verständlich und kreativ zu vermitteln.

In dieser Hinsicht denken wir, ist diese Zeitschrift bis heute ein gelungenes Vorbild. Natürlich leben wir heute in vieler Hinsicht in sehr veränderten Klassenkampfbedingungen. Kommunist:innen, Kommunistische Parteien und Organisationen sind heute sehr viel schwächer als zum damaligen Zeitpunkt. Gründe dafür gibt es genug.

Um nur einige zu nennen: Die Siege der Konterrevolution bei der Umwandlung ehemals sozialistischer, volksdemokratischer Länder in kapitalistische Länder. Der Niedergang der kommunistischen Arbeiter-:innenbewegung in zahlreichen Ländern – auch aufgrund von Fehlern der kommunistischen Weltbewegung selbst …

Heute sind wir Kommunist:innen noch weit davon entfernt alle fortschrittlichen Arbeiter:innen in unseren Reihen zu organisieren und eine Massenarbeit zu entfalten, wie es zum Beispiel die KPD in den zwanziger Jahren vorgemacht hat.

Wenn wir uns also die Geschichte der AIZ als ein Beispiel der revolutionären Massenarbeit im Rückblick anschauen, dann nicht, weil wir heute eine solche Massenzeitung als aktuelle Aufgabe für die kommunistische Propaganda sehen. Nein!

Wir sehen Kapitel der Arbeiter:innenbewegung, wie die AIZ, als Lehrstücke für unseren heutigen Kampf für den Aufbau der kommunistischen Partei. Sie wurden durch die bürgerliche Geschichtsschreibung völlig zugeschüttet und sind weitgehend in Vergessenheit geraten. Auch heute können wir für unsere Propaganda gewisse Methoden, Inhalte und Gestaltungselemente der AIZ übernehmen, ohne eine breite Massenzeitung zu starten. Auch für unsere politisch-theoretische Zeitung Trotz alledem! – natürlich in viel bescheidenerem Ausmaß. Was die Gestaltungsgrafik angeht, so hat sich natürlich eine technisch-digitale Revolution vollzogen. Vieles ist leichter, einfacher geworden und ungeahnte Möglichkeiten haben sich eröffnet.

Neue Medien wie youtube, Instagram, twitter, facebook, sowie Streaming-Plattformen sind entwickelt worden. Von Seiten der Herrschenden werden sie ausgiebig genutzt für die Vernebelung des Bewusstseins der Massen mit allen denkbaren miesen bürgerlichen Propagandainhalten in „glitzernder“ Verpackung. Bürgerlicher Individualismus, Egotrip, Selbstverwirklichungs-Illusionen ist erklärtes allerhöchst anzustrebendes Ideal. Die maßgebliche Folge ist ein Abstumpfen der Werktätigen durch kaum vorstellbaren Schwachsinn. Hinzu kommt, dass im Namen der „Demokratie“ die Bevölkerung mit offen faschistischer, rassistischer Nazi-Hetze inklusive Mordaufrufen auf allen Kanälen bombardiert wird. Hinzu kommt noch die absolute Kontrolle der Lebensumstände der Nutzer:innen der sogenannten „sozialen“ Medien. Die von Staat und Industrie sowohl für die Profitmaximierung und vollständige Durchleuchtung verwendet werden.

All das macht es revolutionären, kommunistischen Kräften natürlich noch ungemein schwerer wirklich massenhafte Aufmerksamkeit für unsere Themen zu erzielen. Auch wenn in einer Hinsicht die Möglichkeiten von „revolutionärer Werbung“ vielfältiger und auch vereinfachter ist als früher. Wie wir diese technologischen Entwicklungen und Medien für unseren Kampf richtig und sicher nutzen können, um unsere Inhalte spannend, verständlich und überzeugend breit zu vermitteln – das müssen wir lernen!

Autoren/MitarbeiterInnen der AIZ

In Stichpunkten eine Auswahl

Maxim Gorki, Anna Seghers, Erich Kästner, George Bernhard Shaw, George Grosz, Heinrich Mann, Henri Barbusse, Heinrich Mann, Bert Brecht, Romain Rolland …

Zum Beispiel Kurt Tucholsky alias Theobald Tiger: „Augen in der Großstadt“; Egon Erwin Kisch: „Berlin bei der Arbeit“, Reisereportage „Entdeckung Australiens“; Erich Weinert: Gedichte.

Buch- Film-Theaterkritiken: Die Gewehre der Frau Carrar (Theaterstück Brecht); Der Weg ins Leben (Verfilmung Roman von A. Makarenko); Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk – In der Uraufführung der Piscatorbühne Berlin (Bühnenfassung)

Themen der AIZ

ArbeiterInnenbewegung + Klassenkampf

Unser Gruß dem Weltkongress der IHA

Proletarier aller Länder: VII. Weltkongress in Moskau

Verhindert den Raubzug der Fürsten!

Der Fall Max Hölz

Mieterstreik!

Über den mitteldeutschen Braunkohlenstreik!

Bauer steh auf – Bauer zu Hauf!

Wissenschaft

Die Wunderwelt des Mondes

Der Raketenflug von Morgen

Albert Einstein Anlässlich seines 50. Geburtstages

Lernen! Wissen! Kämpfen!

Die Zehn-Minuten-Schule der AIZ: Über historischen Materialismus

AIZ und Frauen

„Eine Tochter der Tiefe“ Ein Frauen-Roman von Agnes Smedley

Das schöne Frauengefängnis – Enthüllte Bilder-Lügen

Sexualforschung/Gebärzwang und Massenelend

Cyankali Drama von Friedrich Wolf

Als erster in unserer neuen Serie: `Fragen der werktätigen Frau` schreibt Dr. Max Hodann über:

Warum prügelst Du Dein Kind?

Aus der Haussklaverei in den Sozialismus – Zum internationalen Frauentag – 8. März

Spanische Frauen

Die werktätige Frau: Tägliches Turnen ohne Turnapparat

Hölle der Frauen: Frauenhandel im Fernen Osten

ArbeiterInnen-Leben

3-Gruben-Katastrophen an
einem Tag

Bergarbeiter fallen Dividenden steigen

3 Millionen gehen stempeln

Warum ist Dein Hemd so teuer‘?

Auf dem Titel der Sondernummer „Juden im III. Reich“ Beilage der Ausgabe Nr. 12 19. März 1936 ist der „Judenpranger“ in Breslau dokumentiert. Text am Pranger: „Hierher gehören folgende artvergessene Frauenspersonen mit ihren jüdischen Schändern!“ In der Rubrik aus dem Inhalt: Sinn und Zweck der braunen Klassenlehre – Porträt des Julius Streicher – Olypia und gelber Fleck – Warum die deutschen Juden fielen – Künstlich aufgepfrofter Judenhass. Kommentar auf der Titelseite zu dem „Judenpranger“-Foto: Mit Rücksicht auf die Olympiade versucht die Nazipropaganda der Welt immer wieder weiszumachen, die nürnberger „Judengesetze“ sicherten die rechtliche Lage der Juden und diesen werde kein Haar gekrümmt. Was geschieht nun mit den Unglücklichen deren Namen auf die Tafel des Judenprangers gesetzt werden? Man läßt sie Spießruten laufen, man schleppt sie in Konzentrationslager, man inszeniert Ausbrüche des Volkszorns, man sperrt ihnen Gas und Wasser, kurz man behandelt sie im wahrsten Sinne des Wortes als Freiwild.

Krieg

Geldquellen der Hitler-Armee

Krieg und Leichen – die letzte Hoffnung der Reichen

Imperialismus

Auf dem Weg zum Dritten Reich- Die Bilanz der Frickregierung

USA: Demokratie in Aktion

Ökonomie

Die Weltkonzerne

„Deutsche kauft deutsche Autos!“ – Und was hinter der Reklame steckt!

Blohm u Voss Deutschlands größte Werft

Kapitalistische Rationalisierung

DAS HEISST:Die Arbeitskraft des Menschen wird durch Maschinen ersetzt der Arbeitslose kann verhungern

Politische Kampagnen

Free Sacco Vanzetti

Volksbewegung gegen den Panzerkreuzer

Die Rote Einheit macht euch frei! Wählt Liste 3

Sport

Über alle Hindernisse hinweg:
Rot Sport!

Olympiade im Zeichen des
Gelben Flecks

Die Kinder A-I-Z

Comic Felix der Kater

Kinderhilfe der AIZ

Wie leben die Kinder in China?

Nazi-Faschismus

Neue Bluttat der Nationalsozialisten

Der bestialische Mord an dem Schuharbeiter Jopp in Fürstenwalde

Arbeiter als Zugtiere! Die Hölle der Konzentrationslager!

Der 65. – Arbeiterredakteure hinter Gittern!

Hinter Stacheldraht und Kerkergittern

Dachau wie es in Wirklichkeit ist

Krieg nach aussen –

Mord nach innen

Sondernummer der AIZ

Juden im III. Reich

Antifaschismus/Antirassismus

Arbeiterwehren

Die über die Grenze entkamen-Proletarische Emigranten

Der Richter – Dimitroff; Der Gerichtete – Ministerpräsident Göring

Das Neueste: Der Reichstag brannte in Moskau!

Rasse? Klasse!

Volksfront und Landesverteidigung

International

Arbeiter – Welt

Nach China – Indien

Das Erwachen der Massen in Mexiko!

Wien 1 … Das alte Wort der Kommune ward wieder lebendig: „Platz dem Arbeiter! Tod dem Henker“

Madrid 1936 No Pasaran Pasaremos İ Sie kommen nicht durch! Wir kommen durch!

Mit Spaniens Volk an den Fronten

Sowjet Russland

Deutsche Arbeiter in Sowjetrußland

Turk-Sib das Epos eines Bahnbaus

Ein AIZ-Traktor für die Sowjet-Union

24 Stunden aus dem Leben einer Moskauer Arbeiterfamilie

Artikel der AIZ

Vorbemerkung TA: 2020/2021 wurde vom deutschen Kulturbetrieb das „Beethovenjahr“ ausgerufen. Sein Geburtstag jährte sich zum 250. Mal. Aus diesem aktuellen Anlass, veröffentlichen wir einen Artikel der AIZ, der schon damals die bürgerliche Vereinnahmung Ludwig van Beethovens scharf zurückweist.

Diese hält bis heute an. 1984 hat sich die imperialistische EU erdreistet Beethovens berühmte „Ode an die Freude“ in Instrumentalversion zu ihrer Hymne zu erklären. Beethoven hat genial in der „Ode an die Freude“, seinem revolutionären Freiheitsdrang musikalischen Ausdruck verliehen. Als EU-Hymne wird die demokratisch-revolutionäre Prägung der Musik Beethovens geradezu denunziert.

Dem Gedächtnis Ludwig van Beethovens zum 100.Todestage am 27. März 1927

Von der Musik und besonders von den musikalischen Meisterwerken wird fast immer behauptet, und nicht nur von bürgerlicher Seite, daß sie zeitlos, an keine Form des gesellschaftlichen Lebens gebunden seien. Gewiß, die Musik und die Malerei sind Formen des gesellschaftlichen Ausdrucks, an denen der materielle, der politische und wirtschaftliche Hintergrund nicht ganz leicht nachzuweisen ist.

Doch auch das Kunstvermögen des Musikers, des schöpferischen Musikers, ist bedingt und abhängig einmal von der realen Welt, in der er wurde und lebt, dann von den Traditionen toter und lebendiger Generationen und endlich – darauf Ist ein Hauptaugenmerk zu richten – von dem Material, das die Wirtschaft und ihre Technik dem künstlerischen Wollen und Können jeweils zur Verfügung stellen konnte und kann.

Beethovens Werk ist gerade, weil es der vollendetste Ausdruck eines der wichtigsten Zeitabschnitte der Weltgeschichte – der französischen Revolution – ist und weil es nicht irgendwelche „zeitlose“ Phantome, sondern das Leben seiner Zeit und das Leben und Kämpfen überhaupt widerspiegelt, das Werk, das die Zeiten überdauern wird.

Es kann hier auf so knappem Raum nicht das Leben und Werk eines Menschen besprochen werden, der, ein Titan an Arbeitskraft und Lebenswillen, nicht nur mit seiner Zeit und um seine Kunst kämpfte, sondern auch alle Schmerzen grausamen physischen Leidens tragen mußte. Aber trotzalledem und alledem obsiegte die Liebe zum Leben, der Wille zur Lebensfreude. Das Grundelement Beethovenschen Schaffens und Könnens ist die allen tückischen Gewalten trotzende Lebensbejahung.

Ach, es dankte mir unmöglich, die Welt eher zu verlassen, bis ich das alles hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt fühlte, und so fristeteich dieses elende Leben …“ heißt es im „Heiligenstädter Testament“. Haben ihn später auch Kaiser, Könige, Bürger und Adelige zugejubelt, so hat der größte Musiker aller Zeiten doch nie vergessen, daß die Kunst für die Freiheit, die Kämpfenden, die Armen zu sprechen und zu singen hat.

Und wenn heute wieder die Neunte, die Symphonie mit Schlußchor über Schillers Ode an die Freude, das „Durch Leiden zur Freude“, das „Seid umschlungen Millionen“, der gewaltigste, Grenzen und Klassen niederreißende Dithyrambus an die Freiheit durch die Lande tönt, dann wollen wir nicht vergessen, daß dieses Werk ein stolzer Kämpfer für die Freiheit und ein Mensch geschrieben hat, der dem Proletariat entstammte und den eine „göttliche“ Weltordnung bis zu seinem Tode in Not und Schmerzen leben ließ.

Beethovens Musik gehört nicht denen, die sie sich auf Grund ihrer wirtschaftlichen und politischen Vormachtstellung anzueignen versuchen, Beethovens Musik gehört dem um seine und damit um alle menschliche Freiheit ringenden Proletariat!

Arthur Seehof AIZ 1927, Nr. 13

Pariser Kommune

Das Monument der Föderierten am französischen Friedhof Pierre Lachaise. Dieses Dokument ließ die Pariser Arbeiterschaft aus den Steinen der Mauer des Friedhofes meißeln, an der die französische Bourgeoisie 1871 mehr als 5000 (insgesamt über 20 000) Kommunarden ermorden ließ.

Was seit 1917 Moskau für alle Leidenden, Denkenden und Kämpfenden in der Welt bedeutet: die Hauptstadt der größten Revolution der Weltgeschichte, das ist für frühere Generationen Paris gewesen: der Schauplatz der großen revolutionären Tradition von 1789, 1830 und 1848. Darüber hinaus aber hatte der Kommuneaufstand vom 18. März 1871 das Paris der bürgerlichen Revolution in ein proletarisches rotes Paris verwandelt. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte setzte das Proletariat seinen Bedrückern den Fuß auf den Nacken. Und die bürgerlichen `Machthaber` mußten Hals über Kopf aus dem Machtbereich des Proletariats flüchten. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte versuchte das siegreiche Proletariat den Aufbau eines neuen, eigenen Staatswesens.

Marx nannte schon im Mai 1871 die Kommune

die erste Revolution in der die Arbeiterklasse offen anerkannt wurde als die einzige Klasse, die noch einer gesellschaftlichen Initiative fähig ist.

Engels aber schrieb am 18. März 1891:

„Wollt ihr wissen wie die Diktatur des Proletariats aussieht? Seht Euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats.“

Gewiß das Proletariat hat diese erste weltgeschichtliche Machtübernahme damals nur 72 Tage gegenüber der kapitalistischen Konterrevolution und ihrer weißen Banden behaupten können. Dann wurde die Kommune unter dem Beifallsgeheul der ganzen Weltbourgeoisie in einem Meer von Blut ertränkt.

Auf dem großen Foto sehen wir die Gedenk-Mauer des Friedhofs Père Lachaise an die Pariser Kommune und ihre brutale Zerschlagung. Darauf sind die Körper, Gesichter der ermordeten Kommunard:innen künstlerisch nachgebildet.
Bildunterschrift 1 (kleine Bilder)
Die Erstürmung der Bastille am 14. Juli 1789.
Paris war vom Ende des 18. Jahrhunderts an das Mutterland aller europäischen Revolutionen bis zum blutigen Zusammenbruch der Kommune 1871.
Bildunterschrift 2
In den Barrikadenkämpfen der Juli-Revolution von 1830 erhielt das als Klasse mit dem Bürgertum gegen die feudal-klerikale Reaktion kämpfende Proletariat seine ersten revolutionären Lehren …
Bildunterschrift 3
… die es in den Kämpfen vom 23. bis 26. Juni 1849 anzuwenden versuchte. 40 000 Proletarier verbluteten in diesen Tagen im Kampf gegen eine mehr als vierfache Übermacht.

Doch Niederlagen können wie Triumphe sein! Die Kommune war der erste weithin leuchtende Sieg der proletarischen Diktatur und der kommunistischen Gedanken – ein grandioser Auftakt für die proletarische Massenbewegung, wie sie in den sechzig Jahren seit dem Fall der Kommune immer gewaltiger aufgestiegen ist und 1917 in Russland die Lehren der Kommune in siegreiche endgültige Tat umsetzte!

Hermann Duncker

AIZ, 1931, Nr. 11

Mieter Streik!

In verschiedenen Teilen von Amsterdam ist ein Mieterstreik ausgebrochen, als die Hausbesitzer den Mietzins steigerten.

Durch Anrufung der Gerichte, die natürlich auf Seiten der Hauspaschas standen, wurden Räumungsbefehle erlassen und die streikenden Mieter aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen. Aber die Entschlossenheit und das feste Zusammenhalten der Mieter siegte!

Als der Gerichtsvollzieher mit dem Räumungsbefehl erschien, wurde er ausgepfiffen und mußte unverrichteter Sache wieder abziehen, da sich auch die Möbeltransporter mit den Bewohnern solidarisch erklärten und sich weigerten an der Emittierung mitzuwirken …

Auf den Fotos sind Aktionen wie Mahnwachen, Demonstrationen und Widerstand von Arbeiter:innen gegen die kapitalistische Profitmacherei in der Wohnungsfrage zu sehen. 1931 und 2022 – im Grunde hat sich nichts geändert. Nur die Formen der Ausbeutung. Auch heute sind die werktätigen Massen der Willkür der Groß-Konzerne ausgeliefert, die mit Wohnungen, Wohnraum hemmungslos spekulieren. Die Städte werden zu menschenleeren Geschäftskulissen oder Luxuswohntürmen umgemodelt. Die Obdachlosigkeit auf den Straßen wird immer sichtbarer. Der Druck hoher Mieten auf den Lebensstandard der Massen immer verschärfter.
Foto oben: Vor den Häusern in denen die Mieter streiken stehen die Frauen Wache. Das Plakat am Balkon fordert die Arbeiter auf, einig zusammenzustehen, um die Anschläge der Hausbesitzer zu vereiteln. Links oben Plakate mit dem auch in Holland bekannten Rot-Front-Abzeichen.
Foto unten: Der Gerichtsvollzieher (x) wurde von den Arbeitern, die sich alle mit den streikenden Mietern solidarisch erklärten, ausgepfiffen und musste unverrichteter Sache umkehren.

AIZ, 1931, Nr. 33

Klub für Arbeiterkinder

Unterstützt von der werktätigen Bevölkerung des Berliner Nordostens hat der Jungspartakusbund, der Verband der Pioniere, seinen ersten Klub für Arbeiterkinder eröffnet.

Der Klub ist Sammelstelle und Treffpunkt all jener Kinder, die in ihrem „Daheim“ weder Platz noch Gelegenheit haben, ihr Bedürfnis nach Spiel und Tätigkeit zu befriedigen, mit gleichaltrigen und gleichgesinnten Kameraden zusammenzukommen.

Hier herrscht nicht die säuerlich-frömmelnde Luft, wie wir sie in den christlichen Kinderkrippen finden, wo die unverantwortliche Autorität des lieben Gottes dazu benutzt wird, rückgratweiche Scheinheilige zu züchten. Es fehlt die perfide Hinterhältigkeit so mancher „Wohlfahrtsanstalten“, mit einem Schwarm ältlicher Jungfrauen, die um der Wohltätigkeit und nicht um der Kinder willen gegründet werden.

Der Klub „Lenin“ hat die Aufgabe, an der Schulung jener Generation von Arbeitern mitzuwirken, die die Stoßbrigarden im Aufbau des Sozialismus sein werden. Das bedeutet, daß er aus den Köpfen dieser jungen Arbeiterkinder all das Unkraut ausjäten muß, das auf dem Boden der Unterdrückung, der Umgebung, des Religionsunterrichts usw. wächst.

Er muß das Selbstbewußtsein, das Gefühl der Solidarität und der Verbundenheit mit der Klasse, die Bereitschaft zum Kampf um den Sozialismus bei den Kindern der Arbeiterschaft wecken.

AIZ, 1931, Nr. 11

Dieser Artikel über die AIZ war für eine TA-Ausgabe in 2021 erstellt worden. Leider mussten wir diese verschieben. Daher eine „verspätete Würdigung“ des 100. Jubiläums! in 2022.

1 Arbeiteraufstand 1934

1 Heinz Willmann, „Geschichte der AIZ 1921 – 1938“, Vorwort Lilly Becher, S. 8, Dietz Verlag Berlin 1975. Wikipedia gibt fälschlicherweise im Eintrag über Lilly Becher nur die Zeitspanne von 1932-1933 an.

2 Heinz Willmann, „Geschichte der AIZ 1921 – 1938“, S. 356. Da es hierzu abweichende Datums-Angaben in den verschiedenen Publikationen gibt, nennen wir hier die Quelle, auf die wir uns beziehen.

1 Franz C. Weiskopf, AIZ 37/1929