„… radikal, das müssen wir sein
und uns zusammentun!“1
Nach dem Auftakt des ersten Tribunals in Köln 2017 folgteni die Tribunale in Mannheim 2018 und in Chemnitz 2019. ii Erst 2022 konnte Corona bedingt das 4. Tribunal vom 3. bis 5. Juni im Staatstheater Nürnberg starten.Im Aufruf zum diesjährigen Tribunal heißt es in der Programm-Broschüre „Anerkennen. Aufklären. Verändern“ iii: „NSU-Komplex auflösen! ‚Wenn das Gericht ehrlich ist, wird es auch noch sagen, dass Lücken geblieben sind. Solange diese Lücken bleiben, können meine Familie und ich nicht ruhig schlafen‘, mit diesen Worten kommentierte Gamze Kubaşık das Urteil im NSU-Prozess im Juli 2018 in München. Das Urteil war für viele Angehörige der Mordopfer und Überlebende der Anschläge ein Schlag ins Gesicht. Die unermüdlichen Versuche der Nebenkläger*innen, die Unterstützung der Täter*innen durch lokale rechte Netzwerke sowie die staatliche Verstrickung in den NSU-Komplex aufzudecken, blieben im Urteil unberücksichtigt. Das Gericht stützte die unhaltbare Trio-These und ließ zentrale Fragen offen. Warum noch ein Tribunal? Wir sagen „Kein Schlussstrich!“ und fordern Antworten.Die Tribunale in Köln 2017, Mannheim 2018 und Chemnitz 2019 stellten sich solidarisch an die Seite der Betroffenen. Sie klagten die verantwortlichen Institutionen wie Polizei und Verfassungsschutz sowie Einzelpersonen an. Sie machten deutlich, dass die Taten von einem neonazistischen Netzwerk mit lokalen Unterstützer*innen verübt worden sind.Sie benannten die rassistische Berichterstattung zahlreicher Medien wie auch die nach allen Morden rassistisch geführten Ermittlungen der Polizei als zentrale Bestandteile des NSU-Komplexes. Die Tribunale verwiesen auf strukturelle Rassismen und Antisemitismus als Ermöglichungsbedingungen von rechtem Terror. Heute, vier Jahre nach dem Ende des NSU-Prozesses, nach den Anschlägen am OEZ in München im Juli 2016, in Halle im Oktober 2019 und in Hanau im Februar 2020 sind wir davon überzeugt: Anklagen reicht nicht mehr. Wir fordern Veränderungen!“ Dementsprechend vielfältig waren die Themen der Workshops, Diskussions-Runden, Großveranstaltungen, Foren, Kritischen Stadtspaziergänge sowie Kunst- und Filmangebote auf dem Tribunal gefächert. Bei Plenumsveranstaltungen wurden Übersetzungen in Deutsch, Türkisch, Englisch und eine Dolmetschung in Deutscher Gebärdensprache angeboten. Auch in einigen Workshops waren Nicht nur im Staatstheater sondern „überall in Nürnberg” verteilt war das „Tribunal“ vor Ort. So in verschiedenen Lokalitäten wie DIDF Junge Stimme e.V., Villa Leon, Luise – The Cult Factory, im DESI Stadtteilzentrum e.V. und im Künstlerhaus. In letzterem wurden Filme, zum Beispiel „Der lange Weg der Roma und Sinti”, „Kein Vergessen – 22.07.2016” gezeigt und diskutiert. Im „Rahmenprogramm” wurde in der Roten Galerie Nürnberg die Ausstellung „Wir werden nicht vergessen – Die Portraits der Opfer des NSU“ gezeigt. Vor dem Opernhaus konnten die Installation „Flaggen für `Visited by a Tiger‘“ sowie die Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ von Birgit Mair vor dem Schauspielhaus besichtigt werden. Im Künstlerhaus lief die Filminstallation „This Makes Me Want to Predict the Past“. Die gesamte Tribunal-Veranstaltung war sowohl inhaltlich, gestalterisch, als auch praktisch, technisch super organisiert. Die Veranstaltungsorte waren gut ausgewählt. Insgesamt verlief das Tribunal in einer beeindruckend solidarischen, zugewandten, verantwortlichen Stimmung zwischen allen Teilnehmenden. Ein großer Dank an alle Organisator:innen und Unterstützer:innen, die mit großem Engagement auf allen Ebenen gewirkt haben.In diesem Tribunal waren bewegend und durchdringend die Emotionalität und die Stärke von Angehörigen, von Opfern, von Überlebenden und Betroffenen rassistischer, faschistischer Gewalt. Die Solidarität der Teilnehmer:innen mit- und untereinander. Selbstermächtigung und Empowerment – das zog sich durch das ganze Tribunal. Praktisch zeigte sich das ungemein wichtige Vorankommen in der Vernetzungsstrukturen von Angehörigen, Betroffenen und Initiativen seit dem letzten Tribunal. Auf keinem der bisherigen Tribunale waren so viele Opfer, Betroffene und Angehörige und Aktivist:innen zahlreicher Initiativen präsent: Semiya Şimşek, Tochter von Enver Şimşek. Die Initiative „Das Schweigen durchbrechen“ (Nürnberg). Gamze Kubaşık, Tochter von Mehmet Kubaşik. Die Initiative „Bündnis Tag der Solidarität – Kein Schlussstrich Dortmund“. Der Neffe von Süleyman Taşköprü, der vom NSU in Hamburg 2001 ermordet wurde. Mehmet O. Überlebender des ersten NSU-Terror-Anschlags in Nürnberg. Die Familien und Freund:innen der Opfer des Nazi-Anschlags in Hanau 2020, die „Initiative19. Februar-Hanau“. Jüdische und migrantische betroffene Menschen traumatisiert durch den antisemitischen und rassistischen Anschlag in Halle 2019. Die Initiative „München erinnern“, die Eltern von Can Layla, eines der neun jungen Opfer des faschistischen OEZ-Anschlags 2016 in München. Die Familie von Burak, der von einem, bis heute nicht ermittelten Faschisten 2012 auf offener Straße in Berlin erschossen wurde und die „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş“. Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“, Mamadou Saliou Diallo, Bruder von Oury Jalloh, der von Polizisten in einer Dessauer Gefängniszelle 2005 verbrannt wurde. Die „Initiative für ein Gedenken an an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân“. Beide wurden Opfer eines rassistischen Brandanschlags 1980 in Hamburg. Die „Initiative Hafenstraße 96“ Lübeck. Januar 1996 stecken Nazis die Geflüchtetenunterkunft in der Straße in Brand und zehn Menschen starben. Und weitere Initiativen, Betroffene, Angehörige und Opfer von rassistischer Gewalt.
Workshops + Veranstaltungen
Wir, eine kleine Gruppe Aktivist:innen von Trotz alledem sind aus verschiedenen Orten der Republik zum Tribunal gekommen. An den vorhergehenden Tribunalen haben wir auch teilgenommen und teils mitgewirkt. Einige unserer Genoss:innen arbeiten in antirassistischen-antifaschistischen Initiativen mit. Auf dem Tribunal in Nürnberg haben wir an so vielen Veranstaltungen wie möglich teilgenommen und uns eingebracht. Leider konnten wir nicht alle Angebote wahrnehmen. Wir versuchen in diesem Artikel einige Ausschnitte von Gesprächen und Diskussionen aus den Workshops und Veranstaltungen wiederzugeben. Diese Erfahrungen, Vorstellungen, Bemerkungen und Informationen sind unserer Meinung nach, für die weitere antirassistische Arbeit und Perspektiven wichtig. Aber natürlich sind das nur sinngemäße Zusammenfassungen und keine wortwörtlichen Wiedergabe. Beeindruckend und Mut machend war insgesamt die aktive Teilnahme der Betroffenen im Tribunal. Sie haben mit großem Mut ihre Situation und ihre Erfahrungen geschildert, was sie mit dem Staat, seinen Institutionen und Ordnungskräften erlebt haben. Sie haben Zukunftsperspektiven für den Kampf um Gerechtigkeit, Anerkennung und Aufklärung entwickelt und an vielen Punkten bereits auch umgesetzt. Beeindruckend war ihre kämpferisch-positive Einstellung und Bereitschaft diesen Kampf trotz allem fortzusetzen. Mit Nachdruck und großer Klarheit betonten sie nicht aufzugeben. Diese Stärke, bei aller auch anhaltenden Wut und Enttäuschung, verlieh den Workshops und Diskussionen eine unglaubliche Kraft. Viele Angehörige, Betroffene haben unter anderem Fragen gestellt wie „Warum kommen die Politiker nicht weiter?“, „Warum kommen wir nicht weiter?“ oder „Warum wird alles nicht ausreichend bekannt gemacht und stattdessen verschleiert?“. In den Debatten wurde das ungerechte und heuchlerische Verhalten des Staates, der Unwille und die Verweigerung zur Aufklärung der Ereignisse – ja, die Vertuschung/Verschleierung durch den Staat – benannt und thematisiert. Trotz der großen Enttäuschung wird aber immer noch Gerechtigkeit und Anerkennung von diesem Staat eingefordert und die Hoffnung auf Aufklärung und Gerechtigkeit nicht aufgegeben. Hinsichtlich der Bewertung und der Konsequenzen aus diesem staatlichen, politischen Handeln werden, haben wir alle, unserer Meinung nach, noch nicht ausreichende Schlussfolgerungen, gezogen.
„FORUM“: Offenes Gespräch – Solidarisch. Perspektivisch. Strategisch!
Mit Betroffenen bzw. Angehörigen und Überlebenden rechter Gewalt.
Moderator:innen Mouctar Bah, Initiative Oury Jalloh, Bahar und Selim, Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş. Moderator:in Wir haben 2017 mit verschiedenen Initiativen das Tribunal in Köln mit vorbereitet, und das „Forum“ Perspektiven und Strategien der Solidarität und des Widerstands organisiert. In diesem geschützten Raum können sich Betroffene und Angehörige und Aktivist:innen austauschen, über gemeinsame Aktionen, über Perspektiven und Strategien unseres Widerstandes sprechen und sich gegenseitig stärken. Der Stand, wo wir heute sind, hat sich im Vergleich zu den letzten Jahren sehr verändert. Heute sind hier viele Angehörige, Betroffene und Angehörige der NSU-Opfer vor Ort. Hier einen Austausch über unsere Erfahrungen zu haben und unsere Forderungen festzuhalten, das ist wichtig. Das ist unser Ziel diese bundesweit nach außen zu tragen in unserem Kampf gegen strukturellen Rassismus und rassistische Gewalt. Wir habe die massive Stille durchbrochen! Alles was entstanden ist an Verstrickungen von Staat und Politik, wo sie ihre Hände im Spiel haben, muss aufgeklärt werden. Der Münchner-„NSU-Prozess“ war kein Schlussstrich. Wir haben einen langen Weg zurückgelegt und mit den Angehörigen und Opfern rechter Gewalt eine breite bundesweite Vernetzung für Gerechtigkeit geschaffen. In der Konstellation wie hier haben wir uns bisher noch nie zusammen getroffen. Das ist stark. In einem offenen Gespräch ist Raum um über Erfahrungen und Forderungen zu sprechen und zusammen können wir eine gemeinsame Agenda, nach außen ins Tribunal hineintragen. Es ist hier unser Raum, unser aller Raum. Mouctar Bah Mein großes Anliegen ist, was können wir zusammen tun, was können wir erreichen. Mein Gefühl ist Angehörige, Familien und Freunde, wir kommen nicht wirklich weiter, wir dringen nicht durch in Deutschland, gegen die Gesellschaft, die Polizei und die Institutionen. Bei uns ist es so seit 17 Jahren. Ich erlebe immer dasselbe. Das ist ein System, sie wollen keine Aufklärung. Sie blockieren und decken sich gegenseitig. Wichtig sind unsere eigenen Ideen und eigenen Perspektiven, damit wir uns zusammen stärken. Das sind die einzigen Orte, wo wir uns Kraft geben um weiter zu machen. Seit fünf Jahren gehe ich nicht mehr in Veranstaltungen mit Politikern. Hier unter Euch, da fühle ich mich wohl, hier bin ich mir sicher und da kann ich nochmal vieles mitnehmen für mich und unsere Arbeit. Daher sollten wir verstärkt auf internationaler Ebene uns mit Angehörigen, Opfern und Initiativen gegen Rassismus vernetzen um noch mehr Druck aufzubauen. Wir haben nochmals Forensic Architecture gemeinsam mit der Initiative 19. Februar Hanau beauftragt, „Drei Türen“ aufzumachen. „Three Doors“ ist der Titel der Ausstellung im Kunstverein in Frankfurt am Main. iv Um noch einmal eine Aufarbeitung mit ihnen zu machen.Wir sehen, wir leben in einem System, einem Fascho-System. In einem Land, das nichts anderes gelernt hat als zu töten. 2000 in Dessau wurde Alberto Adriano ermordet, Mario Bichtemann 2002 und 2005 Oury Jalloh in Polizeigewahrsam verbrannt. Es ist eine Kontinuität des Staates. Es liegt in unserer Hand weiter zu kämpfen, so wie wir es bis jetzt gemacht haben. Mamadou Saliou Diallo, Bruder von Oury Jalloh: Er ist erneut nach Deutschland gekommen und möchte sein herzliches Beileid an alle hier Betroffenen übermitteln. Das gehöre zu seiner Kultur, wenn Menschen so sterben müssen, und deren Angehörige dieses Leid erfahren. Er möchte, dass wir uns zusammen die Hand geben und zusammen kämpfen. Und fügt hinzu, auch wenn wir wissen, wenn wir für Gerechtigkeit kämpfen, werden die von uns Gegangen sind, nicht wieder zurückzukommen. Das sei das Schwerste, und das sei das was uns verbinde. Es gebe immer mehr Menschen, die sowas erlitten haben, und sie finden sich zusammen um einen gemeinsamen Nenner zu finden, Bildungsarbeit und Forderungen stellen. Er hätte sich nie vorstellen können, dass es so viele Fälle von rassistischen Morden gibt. Er dachte vorher immer das sind Einzelfälle. Ein ganz anderes Bild von Deutschland herrsche in seinem Land. Wenn er zurückfahre dann werde er das in meinem Land erzählen. Der Kulturverein Forensic Architecture, das ist unglaublich, dass sie nachweisen können, dass Oury sich nicht selbst anzünden konnte. Ein Bruder hat gesagt, wir müssen nicht aufgeben sondern viel zusammenarbeiten und nicht aufgeben. Er bedankte sich herzlich bei allen und hoffe, dass sich alle nochmal sehen. Efe, Kassel berichtet über den rassistischen Angriff auf ihn selbst. Er wurde als Taxi-Fahrer bei seiner Arbeit beleidigt und mit einer Messer-Attacke angegriffen und als „dreckiger Ausländer“ beschimpft. Am 21. Juni 2020. Nach diesem Angriff war er so fertig, dass er bis heute nicht mehr arbeiten kann. Vieles sei schon in Kassel passiert an rechter Gewalt, ein syrischer Junge wurde Opfer einer Messer-Attacke und Dr. Lübcke ermordet. Efe macht den Vorschlag ein bundesweites Zentrum zu schaffen, wo alles gemeldet, zusammengefasst und dokumentiert wird, wo diese Gewalt existiert. Er ruft dazu auf, „Wenn wir zusammenhalten sind wir stark genug. Wenn wir alleine sind, sind wir nicht stark“. Weiter informiert er darüber, dass am 21. Juni eine Demo (Autokorso) in Kassel für seinen Fall organisiert wird. Für ihn beginnt die Vernetzung mit anderen Opfern und Angehörigen gerade jetzt. Semiya Şimşek spricht von ihren Gefühlen über den Verlust ihres Vaters vor 22 Jahren. Die Vorstellung bewegt sie, was wäre, wenn das alles nicht passiert wäre, welche schöne Dinge und Zeit hätte die Familie gemeinsam verbringen können. Das sei ihnen alles gestohlen worden. Ihre ganze Kindheit wäre anders verlaufen. Diese sensiblen Gefühle seien eigentlich unaussprechlich, das schmerze sie so sehr. Immer wieder komme sie an einen Punkt mit Politikern, wo sie nicht mehr reden möchte. Die Angehörigen werden auf die Schippe genommen. 100 Mal wird Aufklärung versprochen, aber dann sehe man, die Akten sind einfach weggesperrt und nichts ist aufgeklärt. Es gehe nicht vorwärts. Viele würden sagen, wir möchten nicht mehr weiterkämpfen, weil es nichts bringt. Aber an diesem Punkt dürften wir nicht aufgeben, wir müssen weiter kämpfen. Mouctar Bah stellt die Frage, was können wir tun, wie das Schweigen durchbrechen? Wir haben 2005 eine Autopsie machen lassen, die beweist sie haben nachweislich Oury misshandelt. Auf den Röntgenbildern sieht man eindeutig ein gebrochenes Nasenbein. Und trotzdem passiert nichts, das in einem angeblich demokratischen Land. Gamze Kubaşık berichtet, sie waren unter denen, die am meisten in München beim Prozess waren. Es gab bei dem Mord an ihrem Vater, Mehmet Kubaşık, genug Beweise dafür, dass der NSU mit Nazis vor Ort in Nürnberg Kontakte hatte. Bis heute seien diese Nazis unterwegs. Es würde sie nerven, dass sie in ihrem Land das Gefühl habe, dass Nazis besser behandelt werden, als sie die Angehörigen. Dieses Land sollte sich dafür schämen für das was sie alles ertragen und erlitten haben. Das wäre das Mindeste was sie machen müssten. Sie bekräftigt, „den gegenseitigen Austausch den es hier gibt, den brauchen wir unbedingt.“ Semiya Şimşek zieht ein Fazit über den Umgang mit dem Mord an ihrem Vater. Ihr Vater, ermordet am 9. September 2000 war das erste Opfer des „NSU“. Die Polizei war fest davon überzeugt, es müsse jemand aus der Familie gewesen sein. Ihre Mutter wurde zuerst beschuldigt, dann wurde in der ganzen Familie ermittelt. Die Presse habe den Ruf ihrer Familien kaputt gemacht. „Dönermorde“, so wurde an diese Mordserie herangegangen. Mit Vorurteilen. Fest überzeugt seien die Behörden gewesen, es müsse Strukturen aus der Türkei geben, terroristische Gruppen usw. Dann haben die Ermittler nach anderen Strukturen geschaut, jahrelang wurde immer alles hin und her geschoben. Ihre Mutter habe lange vorher zu den Polizisten gesagt, schauen sie auf rassistische Hintergründe. Hauptgegenargument der Polizei-Ermittler war, es gebe doch kein Bekennerschreiben. Sie durften bis 2011 nicht Opfer sein sondern sie waren die Beschuldigten. Ihr Vater wurde beschuldigt jahrelang mit Drogen gedealt zu haben. Sie wurden im sozialen Umfeld und in der Arbeit ständig damit konfrontiert und auch geächtet. Sie, ihre Familie, haben aus dem Radio (!) über das Auffliegen des NSU 2011 gehört. Niemand sei zu ihnen gekommen und habe sie darüber informiert, als der NSU aufgeflogen war. Ihr Vater war ein Opfer des NSU, nur im Radio haben sie das gehört. Alles was danach ermittelt wurde, zeigte wie vertieft der institutionelle Rassismus ist. Fünf Jahre habe der Prozess gedauert. Warum ausgerechnet ihr Vater ausgesucht wurde, welche Netzwerke dahinterstecken, nichts wurde beantwortet. In Nürnberg muss es viele Helfershelfer gegeben haben. Aber man hörte auch im Prozess und in der Presse nur, das Trio sei der „NSU“. Deutschland tut so, als hätte es kein Problem mit rechts. Sie wollte die Akte ihres Vaters sehen, verschlossen über Jahre hinweg, ihre Anwälte sollten in bestimmte Akten Einsicht haben. Aber auch diese Akten seien irgendwann geschreddert worden. Während des Prozesses, sei die verantwortliche Frau gekommen und wurde vom Richter gefragt, wieso sie die Dokumente geschreddert habe. Sie hätte geantwortet, ich weiß es nicht, das sei aus Versehen passiert. Und so habe sie, Semiya während des Prozesses gesehen, wie das so läuft. Frau Yozgat, Mama von Halit Yozgat habe auf die Frage von Journalist:innen, „Sind Sie zufrieden mit dem Gerichtsprozess“ so geantwortet: „Sie (das Gericht) haben wie eine Biene gearbeitet aber sie haben keinen Honig produziert. Ein bekannter Neonazi wurde nicht im Prozess vorgeladen, obwohl sein Name auf einer CD des NSU steht, die im abgebrannten Haus in Zwickau aufgefunden wurde.“ Richter Götzl hat im Prozess gesagt, wir haben jeden Stein umgedreht im Prozess. Das stimme aber nicht. Im Prozess sei das ein Teufelskreis gewesen. Semiya will nach vorne blicken: „Unsere Forderung ist, um unser Leben zu führen, muss restlos aufgeklärt werden.“ Mouctar Bah Im Fall Oury Jalloh haben wir immer auch versucht international mehr Druck zu machen. Wir sind nach Genf zur UN gefahren, und UN-Mitglieder sind gekommen. Acht Brandgutachter haben eindeutig festgestellt, Oury konnte sich nicht anzünden. Seine Hände waren gefesselt. Wir müssen auch mehr internationalen Druck ausüben, die Leute wollen das nicht hören. Aber genau deswegen müssen wir nicht aufhören das zu thematisieren. Gamze Kubaşık Sie antwortet auf die Frage nach ihrer Bildungsarbeit: Seit eineinhalb Jahren mache sie diese Arbeit in Schulen. Sie wisse nicht, ob sie das langfristig machen könne, das sei sehr schwer. Es gebe eine Gedenkstätte für ihren Vater Mehmet, aber viele Jugendliche, die in Dortmund leben, hätten überhaupt keine Ahnung und wüssten nichts über die Taten und Opfer des NSU. Die NSU‘ler seien bekannt, aber die Namen der Opfer völlig unbekannt. Das Thema Rassismus müsse in die Lehrbücher aufgenommen werden. Gamze findet auch, die Frage der Aufklärung sei international sehr wichtig. In der Türkei gebe es zum Beispiel auch überhaupt keine ausreichenden Informationen über den NSU, den Prozess und die Opfer. Hasan und Sibel Leyla Ihr Sohn Can Leyla ist im OEZ München (Olympia-Einkaufszentrum) am 22. Juli 2016 ermordet worden. Ganz lange sei über einen psychisch kranken Amokläufer berichtet worden, und es gab keine Ermittlungen in Richtung Rassismus. Nach einem Jahr der Stille haben sie beide angefangen, nachzufragen und sich für eine Aufklärung einzusetzen. Nach drei Jahren sei herausgekommen, das war kein Amoklauf. Sie waren bisher Einzelkämpfer:innen: Erst seit paar Monaten haben sie mehr Unterstützung. Man komme an einen Punkt, wo man verzweifelt. Wenn sie per E-mail oder Einschreiben beim Innenminister nachgefragt haben, kam keine Antwort. Als dann ein Journalist beim Innenminister nachgefragt habe, bekam er sofort eine Antwort. Soviel sei in Deutschland passiert. Sie haben erst in Hanau von dem Fall Oury gehört. Das sei das Ziel der Politiker, dass alles verschwiegen wird. Sie haben das Gleiche erlebt wie die anderen, das sei nicht menschlich. Sie haben von so vielen Fälle gehört, das mache das Herz sehr, sehr traurig und es muss etwas gemacht werden. So viele Leute haben sich damit beschäftigen, sie haben sich hinter sie gestellt, aber es seien einfach immer noch zu wenige. Teilnehmer:in Sie ist auch aus der Ini-Oury Jalloh. Sie möchte sagen, dass Rassismus unbedingt auch müsse international bekämpft werden müsse und auch unbedingt in Schulen. Sie komme aus Curaçao, das ist eine kolonialisierte Insel und immer noch eine niederländische Kolonie. v Die Geschichte des Rassismus sei begründet in kolonialistischen Strukturen. Dies ist ein zentraler Punkt für die Bildungsarbeit in den unterdrückten Ländern. Das müsse Thema sein. Damit nicht so eine falsche Hoffnung gemacht wird, das Europa und andere Länder, das Paradies seien. Es werden Geschichten in diesen Ländern erzählt, wo gehen wir hin, wenn wir nach Europa oder in die USA fliehen. Die Realität muss erzählt werden, was erwartet die Menschen hierher kommen, Ausgrenzung und Rassismus. Diese Bildungsarbeit sei auch auf internationalem Level notwendig. Wenn das international thematisiert werde, dann müsse der deutsche Staat auch irgendwie reagieren. Semiya Şimşek Sie sagt, sie lebt in der Türkei und auch da würden sie, ihre Familie nicht ernst genommen. Gemeinsam müsste man bedenken, wie soll das in andere Länder transportiert werden. Es gebe Anwälte in Belgien, die sich mit internationalen Verletzungen von Gesetzen wegen Rassismus beschäftigen. Auch dahin sollte sich gewendet werden. In den Schulen werde viel über Rassismus während des 2. Weltkriegs geredet. Und das Motto sei, danach ist doch alles besser geworden. Der NSU und die rassistischen Morde, das seien schwere Themen und zu hart für die Jugendlichen. Sie meint, in den Schulen muss viel früher angefangen werden über Rassismus zu reden, sonst sagen alle, ach das interessiert mich nicht. Teilnehmer:in Sie stellt fest, ihre Großväter waren Nazis. Es sei die Verpflichtung aller Menschen die Menschen sind, dagegen aufzutreten, wenn sich Menschen rausnehmen sich über andere zu erheben, und sich als besser zu fühlen. Sie arbeite in einer Fabrik, da sind 6 000 Arbeiter:innen aus 50 Nationalitäten, da erlebe sie tagtäglich hautnah den Rassismus. Hasan Leyla Er hebt hervor, Opferentschädigung sei ein zentraler Punkt. In München wurde sofort von psychischen Problemen vom Einzeltäter, von einem Amoklauf gesprochen und geschrieben. Das Volk liest das, was ist passiert und immer wird es am Anfang vertuscht und dann verschwindet das ganz. Das hatte aber nichts mit Amoklauf, Mafia, Drogen zu tun. In ihrem Fall war das für die Behörden erst nach drei Jahren (!) klar, dass es eine rassistische Tat war. Iznet, Betroffener aus Halle Seine Meinung ist, die Betroffenen haben immer geredet. Auch wenn die Politiker das nicht wollen, dann reden sie immer wieder und werden anklagen: Der Politiker xy hat das und das gesagt. Zur UN seid ihr gegangen, das ist eine große Organisation. Das ist wichtig. Und es ist immer so, erst wenn ein Journalist nachfragt, dann wird reagiert, wenn überhaupt. Wenn jemand innerhalb des deutschen Staates nachfragen willst, dann läuft immer dasselbe Muster ab: Ich schütze meine Polizisten, dann kommt irgendwann ein Schritt, wenn die Sachen, die zugedeckt wurden, angesprochen werden. Dann will Deutschland sich mit Grundrechten schmücken, wie gut sie mit „Mängeln umgehen“. Aktivist, Initiative Tag der Solidarität Dortmund Seine Erfahrung sei, so führt er aus, zuerst, wir müssen mit den Familien zusammenarbeiten und nicht für sie, sie wollen nicht nur Opfer sein, sie wollen auch leben, und wir sollen uns gemeinsam einsetzen. Vorschläge wie im August ein Vernetzungstreffen zu machen, sehe er ein wenig problematisch. Es fällt schon schwer sich an allen Jahrestagen zu besuchen, weil es so viele Fälle gebe. Die Familien müssen hinter uns stehen, manche werfen uns vor wir würden sie instrumentalisieren. Er sei immer etwas vorsichtig, nicht gleich alles zusammen machen zu wollen. Wenn andere sagen Vernetzung ist gut und wichtig, dann macht doch mal, er sei erstmal zurückhaltend und abwartend. Melek Bektaş, Mama von Burak Ihr Sohn sei auf offener Straße erschossen worden. Der Täter laufe frei herum. Das könne nur ein Nazi sein. Viele Leute kämpfen mit ihnen gemein in der Initiative. Sie sind sehr, sehr enttäuscht von den deutschen Behörden und der Polizei. „Wir wollen nicht dass andere Kinder sterben. Wir wollen Burak zurück.“ Hayrettin Saraçoğlu, Bruder von Fatih Saraçoğlu Er spricht über seinen kleinen Bruder, den er verloren habe. Fatih habe immer gesagt, wir müssen dankbar sein, dass wir hier leben können. Die Leute müssen aufgeweckt werden. So viele Leute kamen nach Hanau. Warum? Hanau das war der Wassertropfen, der das Glas hat überlaufen lassen. Seit Jahren erleben wir alle Rassismus, vor allem den Alltagsrassismus. Er gehe mit seiner Frau einkaufen. Sie trage ein Kopftuch und sie wird von anderen Leuten einfach angegriffen. Das ist der Tagesrassismus. Teilnehmer:in Er möchte sich an dieser Diskussion aus einem anderen Blickwinkel beteiligen. Zunächst einmal will er sagen, dass er den Mut der Opfer rassistisch-faschistischer Terroranschläge, die hier das Wort ergreifen, ihre Ausdauer und ihre Bemühungen zu erzählen, aufrichtig schätze und respektiere. Vielleicht können diese individuellen Kämpfe bis zu einem gewissen Punkt erfolgreich sein, sie können dazu beitragen, diese rassistisch-faschistischen Terroranschläge in all ihren Einzelheiten aufzudecken und zurückzudrängen. Aber diese Erfolge werden nur vorübergehend sein. Sie können nicht dauerhaft sein. Er widerholt einige wichtige Fragen, die bisher in der Diskussion gestellt wurden: „Warum kommen die Politiker bei ihrer Arbeit und Untersuchungen nicht weiter?“, „Warum kommen wir bei unserem Kampf nicht weiter?“. Und schlussfolgert, die grundsätzliche Hauptfrage sei, warum wird alles unter den Teppich gekehrt, versteckt, vertuscht und verschwiegen. Seiner Meinung nach, liegen die Antworten auf diese Fragen in der Infragestellung dieses ausbeuterischen kapitalistischen Systems liegen. Rassistisch-faschistische Terroranschläge seien nicht das Werk einzelner rassistischer Faschist:innen. Staatliche Institutionen sind involviert und planen diese teils Hand in Hand mit Nazis und ihren Netzwerken. Deshalb müsse dieser Kampf in Verbindung mit dem Kampf gegen das System geführt werden, das die Politik des „Teile und Herrsche“ verfolge. Das System lebt davon, zu provozieren, und zu spalten. Davon zeugen diese Terroranschläge. Der Kampf gegen faschistischen Terror, der Kampf gegen strukturellen, institutionellen Rassismus muss mit dem Kampf gegen das kapitalistische System verknüpft und geführt werden. Erst dann können alle Fragen, die gestellt wurden, beantwortet werden. Nathan, Halle Die jüdische Gemeinde Halle wurde an Jom Kippur beschossen. Er sei immer noch sehr berührt von der Kraft dieses Raumes hier. Er ruft dazu auf, den Kampf gegen Antisemitismus lasst uns zusammen führen, weil Antisemitismus auch Teil der NSU-Ideologie war. Shlomo Lewin und Frida Poeschke wurden von der Wehrsportgruppe Hoffmann 1980 ermordet. Der Halle-Anschlag war antisemitisch. „Wir brauchen euch um mit uns zu kämpfen gegen Gericht, Staat, Polizei, für Entschädigung und Akteneinsicht.“ Nach dem 19. Februar standen alle zusammen gegen Rassismus und Diskriminierung. Er habe gemerkt manchmal kämpfen wir einzeln und haben noch nicht so viel erreicht. Wir müssen alle zusammenarbeiten. Im Einzelkampf können vielleicht einzelne Fragen geklärt werden. Aber mit Hanau haben wir gemerkt, wenn wir zusammenhalten, dann können wir wirklich sehr viel erreichen. Dann können wir sehr laut sein. Nathan erzählt, er arbeite mit Jugendlichen zusammen, die Unterstützung brauchen. Er mache die Tür auf, und sie können für sich und ihre Sachen kämpfen. Noch, meint er, haben wir noch nicht so viel erreicht. Jetzt ist es an der Zeit, das können wir jetzt ändern und wir können viel schaffen. Er stellt die Frage: Warum sind hier keine Politiker:innen? Serpil Unvar Sie antwortet auf die Frage von Nathan. Erstmal müssten wir unter uns sein und eine Gemeinsamkeit schaffen. Viele würden sagen, wir vertrauen nicht, die Sachen werden nicht bekannt gemacht, es wird alles blockiert. Wir könnten nicht auf die Politiker:innen vertrauen. Ihrer Meinung nach müssten wir sehen, das ist eine Systemfrage. Wenn wir nicht gegen das System ankämpfen würden, dann werden wir nichts grundlegend ändern können. Wir könnten Rassismus zurückdrängen, wir könnten anklagen und doch werden wir nichts grundlegend ändern können. Und wir müssten auch international kämpfen.Sie habe sich gefragt, was kann ich machen und sie habe dann die Bildungsinitiative gestartet. Ohne, dass sie genau wusste wie das geht, habe sie sich getraut das Projekt anzupacken. Für ihren Sohn Ferhat, dass er und die anderen Opfer nicht vergessen werden. Wenn wir uns zusammentun und unterstützten würden, und dann könnten wir auch so etwas durchsetzen. Aktivist, Initiative Halskestraße Hamburg Es gebe ihnen viel Kraft, wenn sie die Kämpfe mitbekommen und wenn sie sich gemeinsam mit allen austauschen können. Die Initiative könne jetzt endlich nach 42 Jahrestagen die Halskestraße umbenennen, durch die Finanzierung von Bildungs- und Fortbildungsmaßnahmen. Zum Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân, die Opfer des rassistischen Brandanschlags auf eine Geflüchtetenunterkunft in dieser Straße wurden. Nun wird die Halskestraße den Namen Châu-und-Lân-Straße tragen. Newroz, Hanau Sie berichtet, was sie tagtäglich erleben: Überfordert zu sein, an Grenzen zu stoßen bei der Polizei, beim Rassismus. Aber nach dem ersten Tribunal 2017 da habe es nicht aufgehört… Denn es gibt einen Prozess von Vernetzung, es hat sich etwas aufgebaut und es ist ein geschlossener Raum. Newroz fragt, warum wir hier sitzen? Ihre Antwort ist, dass es in den letzten Jahren noch mehr Anschläge gab, noch mehr Rassismus. Es sei wichtig zu sehen, was vor Ort gemacht wird und das Erinnern sei wichtig. Und nach Hanau wurde sehr schnell gesagt das ist Rechtsterrorismus. Sie wussten von den Angehörigen der NSU-Morde, dass die Namen gesagt werden müssen. Sei meinte es sollte gefragt werden, warum die Namen nicht in den Schulbüchern stehen. Das alles koste viel Kraft. Wir könnten uns gemeinsam sichtbarer machen. Newroz unterstreicht, dass wir viel Kraft und viele Forderungen haben. Wir sollten überlegen, wie gehen wir gemeinsam an die Politik heran. Wir sollten Stellung nehmen zum zehn Punkte Plan von Faeser. Von allein würde nichts passieren. Alles was wir bisher gemacht haben, das habe etwas bewirkt, das sei unsere Kraft. Moderator:in An welchem Punkt, wo wir jetzt sind, in so einer Zusammensetzung waren wir noch nie. Die Kämpfe der 1980er und 1990er Jahre sind die Vorläufer und aus alldem entstehen diese Kämpfe.Newroz hat uns aus dem Herzen gesprochen. Wir müssen das zu einer Regelmäßigkeit stärken um uns mehr zu sehen und zu besuchen. Das fühlen wir, weil wir teilweise so viel alleine gekämpft haben. Wir brauchen so viel von eurer Erfahrung, dann können wir auch international agieren. Nicht mehr dieses Alleinsein, nicht mehr alleine kämpfen. Wir wollen sagen, ihr seid nicht mehr alleine, sondern wir sind bei euch. Jede/r hat eine andere Art, wir wollen aber alle das Gleiche, wir kämpfen alle für das Gleiche. Mouctar Bah Zur Frage: Warum sind die Politiker nicht hier. Was ich mit ihnen, mit Grünen, SPD, CDU für Erfahrungen gemacht habe, die sind alle Verbrecher. Wir können von ihnen nichts erwarten. Der Zug geht los, wir gehen bis zum Ziel. Ich bedanke mich herzlich wieder stark zusammen zu sein. Ich werde als Radikaler bezeichnet in Dessau, ja das, radikal, das müssen wir sein und uns zusammentun.
Zusammenfassung Moderator:innen
Stichworte die für unsere zukünftige Arbeit vor Ort, für die Vernetzung, für Bildungsarbeit, für Aufklärung zentral sind:
Lehrbücher/Bildungsarbeit Problem mit Justiz und Rechtsstaatlichkeit Aufklärung Wir bleiben dran alle Akten müssen an die Angehörigen gegeben werden Konsequenzen müssen folgen auf alle Taten keine Straflosigkeit Anerkennung von Opfern rassistischer Mordfälle und Betroffenen Opfer Entschädigungsgesetz –unbürokratische Soforthilfen Auf internationaler Ebene die Vernetzung voranbringen Bundesweite Vernetzung von Angehörigen, Opfern und Initiativen verstärken
Beiträge in den Veranstaltungen
„AUFKLÄRUNG“ & „VERÄNDERN“
Familie Leyla Sie wollen keinen Krieg, Hass und Neid, sie wollen mit eine schönere neue Welt erschaffen. Sie wollen in Frieden zusammenleben. Sie rufen auf, demonstriert am 22. Juli, dem Jahrestag des OEZ Anschlags in München in allen Städten. Ihr Schrei soll der Schrei der Bevölkerung sein. „Bitte lasst uns nicht allein. Wir möchten für die Schönheit der Worte danken. Keine Wut und kein Hass“. Sie möchten an alle Opfer würdig erinnern! und dass richtig aufgeklärt wird. Einer der Tatorte des Massaker im OEZ, das Schnellrestaurant McDonald‘s wurde drei Monate nach der Tat wieder aufgemacht. Sie kämpfen dafür, dass dieser Mac Donalds eine Bücherei wird. Am Ende werden sie das schaffen, dass dieser McDonald‘s geschlossen wird. vi Gamze Kubaşık Ihr Weg am Anfang war ganz allein, dann sei sie mit Semiya zusammengekommen. Und sie gehen zusammen weiter. Sie fordern eine lückenlose Aufklärung. Sie wollen keinen Platz in unserem Land für die Nazis lassen. „Wir kämpfen alle zusammen und wir werden es schaffen“. Mamadou Saliou Diallo Er hat das Gefühl, Deutschland hat einen Tumor, der muss operiert werden. Was hat sich seit dem 2. Weltkrieg verändert? Er ist gekommen mit einem Traum von diesem schönen Land, jetzt habe er einen Koffer voller Alpträume… Menschen mit Wut kämpfen. Er respektiere alle, aber jetzt ist es so, wer ihn nicht respektiert, den respektiere er auch nicht. Keiner kann verstehen was seine Familie zu Hause durchgemacht habe. Sie kämpfen jeden Tag darum um auf den Beinen stehen zu können. Er fordert, Aufklärung und Gerechtigkeit! Und dass ihre Stimmen gehört werden. Hayrettin Saraçoğlu spricht über seinen Bruder, Fatih. Er war ein linker, sozialer Mensch und liebte die Menschen, die Menschheit. Für Hayrettin ist sein ganzes Leben seit dem 19. Februar beendet. Seit zwei Jahren kann er nicht mehr arbeiten. Der Umgang mit den Behörden ist grausam. Eine Ärztin hat ihn untersucht, „Ich bin kein Ausländerfeind, aber …“. Sie habe ihn wie einen Piranha behandelt. Er hat seinen Bruder verloren. Er vermisse ihn so. Wenn er kann, fahre er nach Hanau. In Bayern würde alles klein geredet. Nach dem Motto „Lasst uns nicht übertreiben!“ Neffe von Süleyman Taşköprü, Er zeigt ein Foto von sich als Baby im Arm seines Onkels und erzählt: Onkel Süleyman wurde am 27. Juni 2001 vom NSU das Leben genommen. Welcher Hass, welche Verachtung, welcher Neid und welche Frustration. Sein Onkel war stolz auf vieles in seinem Leben. Als sein Onkel starb, versuchte die Familie ihn zu schützen, denn er war noch klein. Aber immer, alltäglich war dieser Verlust, der Mord präsent. Die Ängste, die sich daraus entwickelten, machten ein sorgloses Leben unmöglich. In der Heimat fühle man sich nicht mehr sicher. Der Mord sei omnipräsent. Jeden Tag zur Arbeit an der Gedenkstätte vorbeizugehen, das Bild von seinem sterbenden Onkel vor Augen. Aber er werde nicht resignieren, er werde den Kampf um Aufklärung weiter mitführen. Der rassistische Hintergrund wurde in den Ermittlungen nicht beachtet. Akten vernichtet. Kein einziges Verbrechen des NSU konnte wirklich aufgeklärt werden. Er forderte, alle Helfer:innen und Helfeshelfer:innen sollen verurteilt werden. Der Untersuchungsausschuss in Hamburg sollte den langersehnten Wunsch von ihrer Familie nach Aufklärung erfüllen. Das hat er aber nicht.
Opfer des sogenannten „Taschenlampen-Anschlag“ – Erster Mord-Anschlag des NSU
Mehmed O. berichtet: Es war der Tag vor der Eröffnung meines Lokals mit dem schönen Namen Sunshine, am Südausgang des Nürnberger Hbf. Der 23. Juni 1999. Er war so stolz, dass er es geschafft habe in die Selbständigkeit zu gehen und seinen Traum mit Hilfe seiner Familie und seinen Freunden verwirklichen konnte. Abends habe er noch mal Hand angelegt und die Räume geputzt. In der Toilette fand er eine Taschenlampe. Ein Sprengsatz, der in seinen Händen explodierte und ihn schwer verletzte. Das war der erste NSU-Mordanschlag. Bekannt wurde dieses Verbrechen aber nicht durch Ermittlungen der Polizeibehörden. Denn sie verdächtigten von Anfang ihn und seine Familie als potentielle Täter:innen. Wie auch in den folgenden NSU-Mordfällen wurde gegen ihn selbst, seine Familie und Umfeld wegen Drogenhandel, Glückspiel usw. ermittelt und versucht sie zu kriminalisieren. Schwer verletzt, unter Verdacht durch die Ermittler gestellt, habe er Nürnberg verlassen um der Hetze, Rufschädigung und den Verdächtigungen zu entkommen und sich eine neue Existenz aufzubauen. vii
Diskussionen & Eindrücke während des Tribunals
An unserem Literaturtisch haben wir politische Publikationen und Bücher angeboten. Für das Nürnberger Tribunal haben wir in einer neuen TA-Sondernummer viii unsere bisherigen Artikel zum NSU-Komplex von 2011 bis 2022 nachgedruckt. Viele Teilnehmer:innen waren überaus interessiert. Wir haben uns mit den unterschiedlichsten Menschen, Angehörigen, Familien, Aktivist:innen als auch Journalist:innen, Künstler:innen, Filmemacher:innen ausgetauscht. Rege Nachfragen führten sowohl am Stand als auch beim Handverkauf zu spannenden, durchaus auch kontroversen und produktiven Gesprächen. Die gegenseitige Aufmerksamkeit und Diskussionsbereitschaft war im Vergleich zu den drei vorhergehenden Tribunalen wesentlich ausgeprägter. Mit unseren Transparenten haben wir unseren politischen Positionen in den Raum gestellt. Wir konnten sie an beiden Tage lang auf dem großen Vorplatz des Staatstheaters anbringen. Sie boten auch viel Gesprächsstoff, insbesondere über den Zusammenhang von Faschisierung, Rassismus und dem bürgerlichen System bzw. Staat. Zum Beispiel unterhielten sich migrantische Genoss:Innen länger mit einer jungen Journalistin und sie meinte zum Schluss: „Versteht das nicht falsch, ich bewundere euch, ihr habt migrantische Wurzeln und sprecht nicht super gut Deutsch. Aber ihr wisst Sachen, die ich selbst als Journalistin nicht so bis ins Detail kenne. Sowohl was Geschichte als auch politische Themen angeht, hab ich eine Menge von euch gelernt.” Beim Aufbau unseres Standes und eines Infotisches mit Büchern zum NSU-Komplex von den Tribunalveranstalter:innen kamen junge Frauen und halfen vollkommen selbstverständlich. Währenddessen konnten wir unsere Transpis sichtbar auf dem Vorplatz des Schauspielhauses anbringen:
„nsu hanau halle dessau – Kampf dem System“
„Staat & Nazis – Hand in Hand – Widerstand im ganzen Land“
Wir haben überall mit angepackt, wo wir helfen konnten. Als sich Aktivist:innen des Tribunals herzlich bedankten meinten wir, das ist doch selbstverständlich. Wir sind ein Teil der Aktion, und brauchen nicht nachgefragt werden, ob wir helfen, das ist für uns selbstverständlich. Revolutionäre Verantwortlichkeit heißt für uns zusammen zu arbeiten, zusammen zu kämpfen und zusammen zu feiern. Mit uns sympathisierende Menschen aus der Umgebung und anderen Städten schauten an unserem Stand vorbei. Jugendliche, die mit uns gekommen sind haben sich aktiv eingebracht und bei den Veranstaltungen und Aktionen mitgemacht, das war toll.AusklangSonntagmittag endeten die Workshops und Veranstaltungen. Nachmittags startete „Mani-Fest“ „Wir wollen gemeinsam die Forderungen auf die Straße bringen, raus aus dem Theater, in die Gesellschaft – mit Gebärdenpoesie. … Wir bringen die Forderungen in einem großen Abschluss auf die Straßen und Plätze von Nürnberg. Wir haben gelernt, unsere Körper als Sprachrohr zu benutzen und nehmen uns den öffentlichen Raum. Wir ziehen an Orte, an denen institutioneller Rassismus oft unwidersprochen bleibt, und schaffen mit unserem Flashmob neue Räume der Empathie und Solidarität. Mani-Fest ist keine punktuelle Intervention, sondern Vorschau einer besseren Zukunft.“ (Programmbroschüre)Eine Aktions-Demonstration ausgehend vom umbenannten Esther Bejarano Platz. Bunt, laut mit Transparenten und Schildern, mit viel Musik und „Tanzeinlagen“ gingen die aufregenden und bewegenden Tage des Vierten Tribunals „NSU-Komplex auflösen!“ zu Ende.
Wir sehen uns auf dem 5. Tribunal hoffentlich alle wieder!
Programm
Workshops
» TRBNL Goes Nürnberg» Migrantische, postmigrantische und Schwarze Kämpfe in Bayern!» Kämpfe um Aufenthalt und gleiche Rechte für alle! » Kein Schlussstrich Bayern!» Rechte Gewalt in Bayern – Geschichte, Aktualität und Gegenstrategien» Soziale Rechte für Alle! Kämpfe gegen Rassismus im ‚Sozialstaat‘» KollektivNaiv will gemeinsam Fragen fragen» „FORUM“ – Offenes Gespräch Solidarisch.Perspektivisch.Strategisch!» Solidarische Prozessbegleitung mit Betroffenen rassistischer Gewalt (Tatort Porz)» Wie kann Gedenken kritisch bleiben? Vernetzungsworkshop von Gedenk-Initiativen» Politische Bildungsarbeit – wie weiter?» Digitales Mahnmal #telltheirstories» FÜR UNS! Vernetzung – für eine langfristige Unterstützung der Betroffenen des OEZ AnschlagsPlenums-Veranstaltungen
Aufklären
Verändern Kasten Ende Kasten Anfang
Eindrücke– „FORUM“ – Offenes Gespräch
Als die erste Veranstaltung am Samstag (10:00-12:00 Uhr) beginnt, waren am Anfang sicherlich einige Teilnehmer:innen noch ein wenig müde von der Anreise und trafen deswegen auch erst später ein. Ich war pünktlich da und fand den Workshop mit unter anderem Semiya Şimşek, Gamze Kubaşik, Saliou Diallo und den Eltern von Can Leyla Sibel und Hasan Leyla, sehr informativ. Es war alles in allem eine Gesprächsrunde in der, angeleitet durch sehr kompetente Leiter*innen des Workshops die Hinterbliebenen und Überlebenden ihre Geschichte der Trauer, ihrer Beziehung zu ihrer von so schrecklichen unmenschlichen Erfahrungen geprägten Heimat einbringen konnten. Hier in diesem Land wurden vom NSU nicht nur ihre Väter ermordet, hier wurden diese Morde nicht nur begangen sondern auch vertuscht, kategorisch ignoriert und sie wurden der Beihilfe des Mordes an ihren Angehörigen bezichtigt. Dass sie an diesem Tag hier waren und ihre Geschichten diskutiert haben, ihre Geschichten geteilt haben, Respekt! Im Endeffekt waren sich sowohl die Redner:innen als auch die Zuhörer:innen, die Beiträge geteilt haben allgemein einig, dass der größte Fehler in der mangelnden Bildung und Prävention liegt. Hier war leider auch nicht wirklich genug Zeit richtige Forderungen zu verfassen, außer dass mehr gebildet werden muss. Es kann nun mal nicht sein, dass das (was ich auch im Workshop gesagt habe) auch an meiner Schule, in meiner Klasse, einer Berliner Schule, der Großteil der Schüler*innen nicht weiß was der NSU ist, geschweige denn etwas mit Namen wie z.B. Enver Şimşek oder auch Halit Yozgat anfangen können. Nicht einmal die weithin geläufigen Namen Zschäpe Mundlos und Böhnhardt sind da bekannt… Wie kann das sein? Das ist das Hauptproblem und es wurde viel diskutiert und verhandelt und das war echt nicht nur beeindruckend sondern auch sehr gut zu sehen! Ich fand den Workshop unfassbar hilfreich. Für mich war es außerdem ein echtes Erlebnis, Gamze und Semiya kennenzulernen! Als Schülerin, die ein Referat über den NSU gehalten hat, war das echt beeindruckend beide Frauen einmal „in echt“ zu sehen und sie ihre Geschichten live praktisch erzählen zu hören! Das war für mich vom ganzen Tribunal definitiv, zusammen mit den Leylas und ihren Erzählungen von Can das Eindrucksvollste! Danke an alle die mitgewirkt haben und an die Redner:innen
Sanny, Schülerin, E-Mail
Bericht Nürnberg Stadtrundgang „Critical Walk“
Rassistischer Terror in Nürnberg Am Samstag als zweite Veranstaltung gab es den sogenannten Critical Walk (13:30-15:30 Uhr), einen Spaziergang, bei dem es darum ging die Stadt mit dem Hintergrund ihrer rassistischen Geschichte kennenzulernen und zu erkunden.
Der Startpunkt war vor dem Staatstheater und es ging durch die ganze Stadt, die Altstadt und am Wasser vorbei. Ich persönlich war echt positiv überrascht von der Vielfältigkeit der Orte an denen wir waren. Als Berlinerin hatte ich natürlich wenig bis keinen Plan von den politisch interessanten Plätzen in Nürnberg und war umso erstaunter zu lernen wie viel doch noch von dem rassistischen Erbe der NS Zeit heute noch in Nürnberg zu finden ist. Aktionen wie die „Umbenennung“ der „Mohrengasse“ in May Ayim Straße waren definitiv hilfreich dafür, den Spaziergang spannend zu gestalten.Lustigerweise war ich echt traurig darüber, dass der Critical Walk „schon so schnell vorbei“ war. Ja es heißt, wenn man Spaß hat bzw. etwas interessant findet vergeht die Zeit wie im Flug und im Endeffekt war es so, ich hätte gerne noch zwei drei weitere Stationen durchlaufen.Aber für die vergleichsweise kurze Zeit wurde viel Wichtiges und Spannendes gezeigt und angesprochen. Mein persönliches Highlight des Spaziergangs war aber unser Stopp vor der Polizei, wo Plakate mit der Forderung Rassistische Polizeiarbeit, wie zum Beispiel beim Fall Şimşek, dem ersten Mordopfer des NSU, zu beenden, aufgehangen wurden. Endpunkt war schließlich vor dem Denkmal zur Erinnerung an die Opfer des NSU. Dort wurden Rosen abgelegt und dann war der Critical Walk vorbei.Wie sich ja schon während meinem Bericht gezeigt hat, fand ich das es sich beim Critical Walk um eine echt tolle Aktion, an welcher ich definitiv wieder teilnehmen würde, handelt.
Sanny, Schülerin, E-Mail
Workshop TRBNL Goes Nürnberg
Diskussion ISD (Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland) – Burak Initiative – DIDIF – Radio Z
Einleitend wurde von den Moderator:innen die Geschichte der Entstehung und Entwicklung der bisherigen Tribunale „NSU-Komplex auflösen“ vorgestellt.
In der Diskussion wurden viele interessante Punkte angesprochen, wir geben einige wenige wieder.
Aktivist von Radio Z:
Die erste Generation der Migrant:innen hat nicht deutsch gesprochen und viele sind auch nach einiger Zeit wieder zurück in die Türkei gegangen … In der Türkei war damals die Situation ja sehr politisiert. Aktuell haben wir neue Erfahrungen gemacht im Vergleich zu den1980er Jahren, als wir begonnen haben den Kampf gegen den strukturellen Rassismus zu führen. Da wollten wir uns immer beweisen.
Jetzt in der Vorbereitung auf das Tribunal sind viele Antifaschist:innen und Antirassist:innen auf mich zugekommen auf gleicher Augenhöhe, das ist sehr wichtig für die gesamte Linke, egal welcher Nationalität wir angehören. Das hat mich beeindruckt. Die Frage der Organisierung wird so gestellt, wir alle zusammen müssen diesen Kampf führen.
Aktivist des ISD (Initiative Schwarze Menschen) ISD
Mord an George Floyd das war ein ungeheuerer Moment. Da habe ich mit Kolleg:innen gesprochen, was können wir machen. Da haben wir mit 2-3 Leute in einem Tag eine Demo am 6.6.2020 organisieret. Da habe ich gesehen, wenn wir was machen, dann können wir was ändern. Wir haben intensiv diskutiert… mehr als 5000 Menschen kamen. So bin ich da reingerutscht. Ich habe mich im ISD organisiert, und da ziehe ich mich nicht mehr raus, da bin ich verwoben mit anderen Kämpfen. Wir stehen zusammenstehen. Die Betroffenheit verschiedener Menschen und die Hintergründe das ist wichtig. Die Erfolgsmomente sind wichtig. Sogar meine Mutter will wieder mitmachen. Unser Motto muss sein, Leute ihr seid alle Ausländer. Der Planet gehört nicht uns. Unser Kampf fängt erst an. Ihre Namen müssen weiterleben.
Özlem (DIDF)
Sie gibt Informationen über die Gedenkfeiern für die Opfer des NSU, das Anbringen von Tafeln zum Gedenken an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, İsmail Yaşar. Wir haben die Gedenkorte eingefordert, wir kämpfen für die Straßenumbenennung … Wir haben die Einweihung des Gedenkortes mit organisiert. Wir organisieren seit 2015 das Straßenfest „Gegen Rassismus und Diskriminierung – für ein besseres Zusammenleben“. 2022 wird es am 18. Juni das achte Mal stattfinden. Getragen wird es von über 60 Organisationen, auch SPD, Grünen, Bürgermeister etc. Aus dem Publikum wurde die Frage gestellt, ob das richtig ist gemeinsam mit Politiker:innen, staatlichen Vertretern, die nicht dem Rassismus tatsächlich die Stirn bieten, sondern mitverantwortlich für das Vertuschen und Verdrängen sind, einen Gedenkort einzuweihen. Ein Beispiel wurde angeführt: Die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş, hat der Stadt Berlin eine kleine Grundfläche abgerungen für einen Gedenkort. Die Finanzierung des Gedenksteins, die Gedenkveranstaltungen wurden unabhängig von der Politik organisiert. Finanzielle Unterstützung durch die Türkische Botschaft wurde ausgeschlagen.
Bei der Gedenkveranstaltung wollten der türkische Botschafter, mit einem Tross von Journalisten und deutsche Politiker:innen, die sich keineswegs im antifaschistischen/antirassistischen Kampf engagieren, in Szene setzen und Reden halten. Auch das wurde zu Recht abgelehnt. Kasten Ende
i Mouctar Bah, Initiative Oury Jalloh, hat im Tribunal festgestellt: „Ich werde als Radikaler bezeichnet in Dessau. Ja das, radikal, das müssen wir sein und uns zusammentun“. Ein gutes Motto unserer Meinung nach für dieses Tribunal und unseren weiteren Kampf.
ii Ausführlich haben wir in unserer Zeitung Trotz alledem! über die Tribunale in Köln „Manifestation der Solidarität – Gemeinsam gegen Rassismus und Faschisierung“ und in Chemnitz/Zwickau berichtet. Nachgedruckt sind die Artikel in der TA-Sondernummer 4 „Nichts vergeben! Nichts vergessen! ‘NSU-Komplex’ – Rassismus – Faschisierung – Widerstand – Solidarität 2011 – 2022”.
iii Dieses Ablaufprogramm des Tribunals wurde digital im Vorfeld in drei Sprachen (Deutsch, Türkisch und Englisch) übersetzt. Mit anderen Worten, alle Teilnehmenden hatten so die Möglichkeit, sich im Voraus zu informieren, an welchen Veranstaltungen bzw. Workshops sie teilnehmen und sich darauf eventuell vorbereiten wollen. Das war prima.
iv „Three Doors“, Ausstellung, 03.06./11.09.2022 Frankfurter Kunstverein, Steinernes Haus am Römerberg, Markt 44, 60311 Frankfurt a.M. – post@fkv.de – www.fky.de. Die Ausstellung ist vom 5. November bis zum 30. Dezember 2022 im HKW – Haus der Kulturen der Welt in Berlin zu sehen.
v Lapidar heißen diese Kolonien „Außengebiete der Niederlande“: Aruba, Curaçao; Sint Maarten; sowie Bonaire, Saba und Sint Eustatius. Alle werden unter dem Namen „Teile der Niederländischen Antillen“ zusammengefasst.
vi Initiative „München erinnern!“ E-Mail: kontakt@muenchen-erinnern.de – Social Media: instagram.com/muenchen.oez.erinnern
vii Anmerkung von TA: Das Vorgehen des Staates und seiner Polizeiorgane in diesem ersten NSU-Anschlag, dem Beginn der NSU-Terrorserie, war das Grundmuster für alle weiteren rassistisch motivierten Ermittlungen und Verdächtigungen der staatlichen Behörden gegen die Angehörigen und Opfer der weiteren NSU-Morde und Anschläge. So waren es auch keineswegs polizeiliche Ermittlungen, die zur Aufklärung der Tat führten. Erst während des NSU-Prozesses am 11. Juni 2013 wurde durch die Zeugenaussage des Angeklagten Carsten Schultze die NSU-Täterschaft an diesem Mordanschlag in Nürnberg eindeutig bewiesen. Das heißt 14 Jahre nach der Tat, ohne Zutun von staatlichen Stellen.
viii TA-Sondernummer 4 „Nichts vergeben! Nichts vergessen! ‘NSU-Komplex’ – Rassismus – Faschisierung – Widerstand – Solidarität 2011 – 2022”.