Systemwechsel statt Regierungswechsel

Neue Regierung ist die alte Regierung – Nix ändert sich!

Die Bundestagswahlen sind gelaufen. Wir hatten in unserer Fabrikzeitung „Haben wir eine Wahl?“ zum Wahlboykott aufgerufen. Denn für uns Arbeiter:innen gab es auch bei diesen Bundestagswahlen nix zu wählen. Im „Wahlkampf“, besser „Wahlkrampf“, haben sich alle bürgerlichen, auch linksgebende Parteien mit hohlen Versprechungen gegenseitig übertrumpft. Von Vorneherein war klar: Das kapitalistisch-imperialistische System wird nicht in Frage gestellt. Es gibt keine wirkliche Alternative zum kapitalistisch-imperialistischen System.

Die GroKo-Regierung wurde abgewählt. Gewinner:innen der Wahlen sind SPD/Grüne/FDP, die die Rot-Grün-Gelb-Regierung (RGG) gebildet haben.

Der Koalitionsvertrag ihres „Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“1 hat den irreführenden Titel „Mehr Fortschritt wagen“.

Wo gab es in den 16 Jahren CDU/SPD-Großer-Koalition und vier Jahren konservativ-liberaler CDU/FDP-Regierung überhaupt „Fortschritt“, der jetzt noch mehr gewagt werden soll?

Das waren Jahrzehnte der Ignoranz gegenüber der fortschreitenden Verarmung der werktätigen Klassen, der intensiven kapitalistischen Rationalisierung und Ausbeutung der Arbeitskraft, der sich vertiefenden Klimakatastrophe, verstärkter Militarisierung auch durch „Auslandseinsätze“, der immer ruinöseren-kapitalistischen Landwirtschaft, der massiv zunehmenden Faschisierung und des tagtäglich allgegenwärtigen Rassismus in Politik und Gesellschaft.

Jahre der anhaltenden patriarchalen Unterdrückung von Frauen, von LGBTQ und FLINTA Aktivist:innen. Jahre des politischen Stillstands in der bürokratisch-autoritären Verwaltung des Landes – alles ausgerichtet an den Interessen des deutschen Imperialismus, eine der weltweit führenden Großmächte.

Wenn Fortschritte, wenn Reformen in sehr begrenztem Umfang umgesetzt werden mussten, dann nur weil demokratisch-kämpferische Bewegungen der Werktätigen diese selbst erstritten! Und nicht weil die herrschenden Regierungen Fortschritt wagten!

Auch die jetzige neue RGG-Regierung wird für uns keine Fortschritte bringen, sie reiht sich ein in die Phalanx der vorherigen bürgerlichen Regierungen. Der Koalitionsvertrag bietet auf 177 Seiten die Stärkung des deutschen Imperialismus sowohl auf militärischem als auch politischem Gebiet.

Weiter eine Ansammlung von leeren, vollmundigen Versprechungen. Abgehoben, unverständlich und technokratisch werden brennende Fragen von Erwerbslosigkeit, Wohnungsnot, Klimakatastrophe, Armut, Frauenunterdrückung, Migration und Rassismus mit Phrasen abgetan und faktisch nicht beantwortet. Oder von vorneherein überhaupt nicht gestellt.

Wir können nur einige Spotlights auf einzelne Punkte des Koalitionsvertrages und Themen der erst zwei Monate amtierenden RGG-Koalition werfen, um die politische Diskussion in den Betrieben, in Schulen und in der revolutionären Bewegung zu verstärken.

# Stichwort: „Klimaschutz in einer
sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ 
1

Die Vernichtung der Umwelt, die Klimakrise, die sich zu einer Katastrophe für alle Lebewesen und die Natur entwickelt, wird auch von dieser Regierung weiterhin völlig verharmlost.

Lediglich wird auf erneuerbare Energieträger wie Windkraft und Solar gesetzt. Elektromobilität soll als angeblich „optimale Lösung“ vorangetrieben werden. Ein gesamtgesellschaftliches konkretes Konzept um radikal den Ausstoß von Treibhausgasen, CO2 zu vermindern und die Erderwärmung auf dem 1,5 Grad Level, seit dem Beginn der Industrialisierung zu halten, ist eine Fehlanzeige.

Und das angesichts einer dramatischen Wirklichkeit der Umweltvernichtung, die sich bereits auch hier vor unseren Haustüren abspielt, Überflutungen wie im Ahrtal, Winter-/Sommerstürme, Waldbrände, Hitze- und Dürreperioden, … Und das mit einer „Grünen-Direkt-Beteiligung“ an der Regierung!

In einer Demonstration wird ein Pappschild mit der Forderung Revolution statt E-Autos! getragen. Ein roter Stern darunter weist auf eine roter, sozialistische, kommunistische zukunft hin, in der nicht mehr der private Indiviualverkehr im Zentrum einer Verkehrspolitik steht, sondern die Interessen der Werktätigen und der Schutz der natürlichen Lebensressourcen der Menschheit.

Nur ein Beispiel:

Kernziel Transformation der Automobilindustrie

Beispielhaft für die Wendigkeit der Grünen-Partei in dieser Koalition ist der Knaller vorneweg. „Ein generelles Tempolimit wird es nicht geben.“2 Die einfache Maßnahme, Begrenzung auf 130 km/h, die bereits in etlichen kapitalistischen Ländern umgesetzt wird, und die außer neuer Verkehrsschilder nichts kostet, die einen kleinen Beitrag zur CO2 Minderung beitragen würde – und nebenbei auch noch etliche Verkehrstote verhindern würde – ist nicht durchzusetzen. Auf Druck der FDP-Autolobbypartei. Allein das ist schon ein Offenbarungseid dafür wie mickrig die Klimaziele tatsächlich angegangen werden. Das ist „Fortschritt wagen!“ in der neuen Regierung: Holla, es wird weiter gerast, CO2 unbegrenzt in die Luft geschleudert und Menschen totgefahren.

Weiter im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir unterstützen die Transformation des Automobilsektors, um die Klimaziele im Verkehrsbereich zu erreichen, Arbeitsplätze so­­wie Wertschöpfung hierzulande zu erhalten. Wir machen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität, zum Innovationsstandort für autonomes Fahren und beschleunigen massiv den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur. Unser Ziel sind mindestens 15Millionen vollelektrische Pkw bis 2030.“3

Der Stand zugelassener PKW liegt im Jahr 2021 bei 59Mio. PKWs. Also nur ein Viertel des immer noch rasant anwachsenden Automarktes wird 2030 „elek­trisch“ fahren. Vorausgesetzt dieses Ziel wird überhaupt erreicht.

Zu den Elektroautos wird einfach verschwiegen, dass der Strom nicht einfach aus der Steckdose kommt, sondern er wird vor allem in Kraftwerken auf Kohle, Gas und Öl arbeitend produziert.

Weiter wirft der Staat für diese bisher schon mit Geld um sich.

Der Kauf eines E-Autos wird mit bis zu 9 000 Euro gefördert. Für Plug-in-Hybrid PKWs (betrieben mit Elektrizität und Verbrennungsmotor) bis zu 6 750 Euro. Letztere verkaufen sich super im „Oberklassensegment“ der SUV-Modelle.

Ein Zuschuss also nur für Reiche, die sich „umweltfreundlich“ profilieren wollen. Der Beitrag dieser Panzerwagen zur CO2 Verminderung ist ein Witz.

Die neue Regierung will diese Politik noch forcieren. Sie wird massiv in die Ladesäuleninfrastruktur investieren, wird alles in allem den individuellen Auto-Verkehr mit einem grünen Mäntelchen versehen und Kernziele einer tatsächlich wirksamen Klimapolitik weiter ignorieren.

Einzige wirklich grundlegende Lösung in diesem ganzen Komplex wäre ein vorrangiger, exklusiver Ausbau von Öffentlichen Nah- und Fernverkehrsmitteln.

Die Zielrichtung müsste auf Abschaffung des individuellen Autoverkehrs ausgerichtet sein. Insgesamt ist Umorientierung in der Mobilität dringend erforderlich, nicht nur im Auto-, sondern auch Flug-, Bahn- und Schifffahrt-Verkehr.

Notwendig wäre eine Umwälzung, ja Revolution in der Ökonomie, um die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen zu verhindern. Aber das ist im imperialistischen Deutschland mit seinem weltweiten Exportschlager Autoproduktion und dem Klein-Klein auf allen Ebenen der „Klimawende“ völlig undenkbar. Lediglich an Symptomen wird herumgedoktert.

Gleichzeitig wäre ein grundlegendes Umsteuern im Energieverbrauch auf allen gesellschaftlichen Ebenen nötig. Einsparungen bei gesellschaftlich völlig idiotischen, aber profitbringenden Güterproduktionen. Grundsätzliche Neuausrichtung der Landwirtschaft und so weiter.

Der „letzte Hit“ aktuell für die völlig haltlose, menschen- und umweltverachtende kapitalistische „Umweltpolitik“ sind die neuesten Maßnahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten. Die EU will in die EU-Taxonomie-Verordnung fossiles Gas und Atomkraft als „klimafreundliche“ Energien aufnehmen.

Ziel der Taxonomie-Regelung war in klimafreundliche Technologien zu investieren. Aktuelle Begründung der EU ist: Atomkraft sei weitgehend emissionsfrei und Gas wird für den Übergang zur Versorgung mit erneuerbaren Energien dringend benötigt.

Aktuell laufen in 17 EU-Ländern 73 Kernkraftwerke. 14 Reaktorblöcke sind in 8 EU-Ländern im Bau. Mit der Taxonomie-Vorgabe könnten Atomstaaten wie Frankreich, das 78 Prozent seiner Energie aus Atomstrom erzeugt, ihre Atommeiler rund um erneuern sowie neue bauen. Der radioaktive Atommüll ist langfristig eine der brutalsten Bedrohungen für Umwelt und Mensch.

In der EU existiert kein einziges „sicheres Endlager“, das wirklich in Betrieb ist. Eine „saubere“ Entsorgung ist sowieso unmöglich. Frankreichs Oberatompromotor Macron schwärmt nach diesem sich abzeichnenden Coup bereits Mitte Februar, das ist die „Renaissance der französischen Atomkraft“. 6 neue Werke sollen umgehend gebaut und die Errichtung für 8 weitere bis 2050 geprüft werden.

Gleichzeitig wird damit der Neubau von riesigen Gaskraftwerke angekurbelt. Für Kapital-Anleger:innen ein fetter Anreiz in beide Energieproduktionsstätten zu investieren! So sieht „Greenwashing“ aus! Ein weiterer verheerender Fake in der angeblichen „Klimawende“.

Im Rahmen von nationalen und EU-Umweltschutzmaßnahmen wie „Fit for 55“ werden die aktuell explodierenden Energiepreise (Öl, Gas, Strom) weiter enorm in die Höhe getrieben. Auch befeuert durch internationale Konflikte um Ressourcen. Preiserhöhungen um die 35 Prozent werden aktuell von den Konzernen diktiert.

Werktätige, Rentner:innen werden immer weiter in Armut getrieben. Viele sitzen in ihren eiskalten Wohnungen, weil sie die Heizkosten nicht zahlen können. Der einmalige verabschiedete Heizkostenzuschuss von 135 Euro für Alleinlebende, ist nicht einmal der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

# Stichwort: Deutscher Staatsbürokratismus
Digitalisierung Modernisierung

Gebetsmühlenartig durchzieht dieses ganze Koalitions-Werk die Beschwörung, die bereits Dauerbrenner in den vorhergehenden Koalitionsverträgen zwischen CDU und SPD war: „Bürokratiearme Strukturen, Bürokratieabbau“ in allen politischen, staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen „müssen unbedingt um­­gesetzt werden“. Ebenso das Einklagen der unbedingt notwendigen „Digitalisierung“ und die, wie auch immer verstandene Modernisierung der Verwaltung. Phrasen nichts als Phrasen.

Die Ineffektivität des staatlichen Gesundheitswesens, die Bankrotterklärung des Bildungssektors haben in der Pandemie die bürokratische Verkrustung und die völlige Abgehobenheit des schwerfälligen Staatsapparates von den Bedürfnissen seiner „Untertanen“ einmal mehr bewiesen. Dieser unbewegliche bürokratische Staatsapparat ist nicht imstande das normale öffentliche Leben für die Bürger:innen zu organisieren. Alles was die neue Regierung anbietet, bewegt sich weiterhin in diesem Staatsverständnis, es ist ja auch nichts anderes von ihr zu erwarten.

# Stichwort:
Pandemiebekämpfung

Die zweimonatige Politik der RGG-Regierung hat jetzt schon in der Praxis gezeigt, dass sie sich in nichts von ihrer Vorgängerin unterscheidet. Weder ihr Programm im Koalitionsvertrag noch ihre aktuelle Politik lässt nur einen Hoffnungsschimmer zu, dass Pflegenotstand, Privatisierung des Gesundheitswesen, Pandemiebekämpfung im Sinne der Werktätigen, den am härtesten Betroffenen in diesen Zeiten, in irgendeiner Weise gelöst werden. Es ist ein Weiter so wie bisher.

Ein Zick-Zack-Kurs wird gefahren mit völlig unzureichender Einbindung der Bevölkerung. Kinder, Schüler:innen, Jugendliche und Studierende werden drangsaliert, weil die Herrschenden es nicht schaffen, Teile der zu schützenden Bevölkerungsgruppen zum Impfen zu bewegen.

Gleichzeitig beschließt die RGG-Regierung eine Impfpflicht für Alten-Pfleger:innen und Krankenhaus­personal, die seit zwei Jahren jeden Tag unter unvorstellbar härtesten Bedingungen ihren Job machen.

Die neue Regierung steht mit Verantwortungslosigkeit und einem sich von Tag zu Tag Hangeln, ganz in der Tradition der Merkel-Regierung.

Alles was gesagt und gemacht wird, ist nur dazu da, um sich politisch gegen die jeweiligen konkurrierenden Parteien zu profilieren. Die praktische Politik der RGG-Regierung läuft auf das Prinzip „Herdenimmunität“ hinaus. Egal wieviele Menschen dabei sterben.

Gleichzeitig wird aller Orten, den Nazi-faschistischen Aufmärschen, Pardon „Spaziergängen“, kein Einhalt geboten. Weitgehend werden sie toleriert. Obwohl die Teilnehmenden/Organisator:innen sämtliche Pandemie-Vorgaben mit Ansage verweigern und obwohl sie brutal gegen linke, antifaschistische Gegendemonstrationen, Journalist:innen etc. vorgehen.

Auf dem Foto ist exemplarisch auf einer spätabendlichen Protestaktion ein Transparent zu sehen - Gegen den Aufmarsch von Corona-Leugnern und faschistischen Gruppen, die unter dem Vorwand für die Freiheit einzutreten, rassistische Hetze und Propaganda betreiben. Eine antifaschistische Gruppe des VVN-BDA hält das Transparent „Wir halten dagegen: Wer mit Nazis spaziert hat nichts kapiert! Für Aufklärung und Solidarität statt Verschwörungsmythen“.

Auch international tritt die SPD/GRÜNE/FDP-Regierung in die Fußstapfen ihrer Vorgänger. Sie lehnt die Patentfreigabe bei Impfstoffen gegen Corona rundweg ab.

Hier profiliert sich beeindruckend der Grüne Oberguru Habeck als totaler „Umfaller“. Vor den Wahlen hat er sich noch vollmundig für die Freigabe der Patente eingesetzt. Jetzt verkündet der Herr Wirtschaftsminister nach „intensiven Gesprächen mit den Pharmaunternehmen“, 1 dass diese Freigabe keinen Nutzen habe. Super Lobbyarbeit – zu 100 Prozent erfolgreich!

Bereits achtmal wurden im Rahmen der WHO von den „führenden Industrienationen“, darunter auch die BRD, Anträge zur Freigabe der Patente blockiert.

# Stichwort:
Werktätige und Kapitalinteressen

In der Koalition wird die jetzt neu gelabelte „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ Steuerungsinstrumente einsetzen wie Flexibilisierung in allen Bereichen der Arbeitswelt, Ausweitung des Niedriglohnsektors, Homeoffice, Schichtarbeit, Leiharbeit und die absehbare Erhöhung des Renteneintrittsalters.

Alles was nichts anderes als verschärfte Ausbeutung bedeutet.

Unerträglich die herablassende Haltung der Ampel-Regierung gegenüber den Arbeiter:innen, die mit Mindestlohn malochen müssen. Die Erhöhung des Mindestlohnes auf „12Euro sind eine Anerkennung der Leistungen die in Coronazeiten erschwert war“.1

Eine unverschämteste Mogelpackung.Der aktuell Januar 2022 gültige Mindestlohn liegt bei 9,82 Euro. Laut bisheriger Gesetzeslage der Vorgängerregierung wird dieser ab Juli 2022 auf 10,45 Euro erhöht. Das heißt die „Erhöhung“ durch Rot-Grün-Gelb in einer neuen Gesetzesvorlage wird „stolze“ 1,15 Euro betragen.

In Ost und West malochen ein Drittel aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor. 16 Prozent, das sind 13,4 Mio Werktätige dieses Landes gelten als arm. In der viertgrößten „Volkswirtschaft“ der Welt.

Die Finanzpolitik der RGG-Regierung ist stark geprägt durch die neo-liberale FDP. Sie fährt auf „strikte Haushaltsdisziplin“. Angeblich will sie keine Neuverschuldungen machen, die sie aber über Finanzjongliererei bereits jetzt betreibt. Abgelehnt wird praktisch jede Steuererhöhung fürs Kapital, weder Vermögenssteuer noch Erbschaftssteuer.

Verstärkter, staatlich geförderter Wohnungsbau soll 400 000 neue Wohnungen pro Jahr garantieren. Nur ein Bruchteil davon Sozialer Wohnungsbau. Gleichzeitig weiterhin großzügige Subventionen fürs Häuslebauen des Bürgertums verteilt.

Bisher wurden mit Staatsförderung lächerliche 30 000 Sozialwohnungen pro Jahr errichtet. Also für die Werktätigen, die in eine immer größere Wohnungsnot ge­­trieben werden, gib es Nichts, außer dass alles schlimmer und teurer wird.

In dem Zusammenhang ist auch der Etikettenschwindel mit der bisherigen Hartz IV-Grundsicherung zu sehen. Sie wird in Bürgergeld umbenannt. Die unterirdisch niedrigen Beträge bleiben gleich, unterhalb der Armutsgrenze.

# Stichwort:
Deutschland – Einwanderungsland?

Das wohlklingende Bekenntnis im Koalitionsvertrag: „Uns verbindet das Verständnis von Deutschland als vielfältige Einwanderungsgesellschaft“ ist verknüpft mit der Ankündigung „Die nötigen Fachkräfte wollen wir … durch eine Modernisierung des Einwanderungsrechts gewinnen.“1

Die „Modernisierung“ bedeutet für bestimmte, vom Staat definierte Menschengruppen – orientiert an den Anforderungen der Wirtschaft, Erleichterungen bei Aufenthalts-, Arbeitsgenehmigungen und Einbürgerungen zu „gewähren“. Das zielt auf Abwerbung von Fachkräften, Dienstleistern aus anderen Ländern, insbesondere für den Gesundheits-/Pflegebereich als auch für Industrie und Forschung (also Akademikerbereich).

Nicht etwa aus „Menschenliebe“, sondern aus knallharten ökonomischen Interessen. In etlichen ökonomischen Bereichen herrscht ein extremer Mangel an Arbeitskräften. Gezielt berechneter Nebeneffekt der Abwerbung von Arbeitskräften ist die Schwächung einer „unabhängigen“ kapitalistischen Entwicklung einiger aufsteigender Industrieländer, wie Indien, Türkei etc. Das hat mit einer „vielfältigen Einwanderungsgesellschaft“ oder „Weltoffenheit“ nichts zu tun. Das ist gezielte und gesteuerte Auslese durch den deutschen Imperialismus für die Wirtschaft.

Eine tatsächlich „vielfältige Einwanderungsgesellschaft“ würde sich zum Beispiel durch etwas ganz Einfaches auf den Weg bringen lassen: „Demokratisches Wahlrecht für alle in Deutschland lebenden Bürger-:innen, gleich welcher Nationalität und welchen Aufenthaltsstatus.“ Aber das ist natürlich nicht der Weg der RGG-Regierung. Sie hält in alter guter deutscher Tradition an der Ungleichbehandlung, Ausgrenzung und Diskriminierung eines großen Teils der Bürger:innen in diesem Land fest.

Nach einer Presseerklärung von Destatis haben 21,9 Millionen Menschen, das sind 26,7 Prozent der Bevölkerung, einen Migrationshintergrund. Davon waren nur 7,9 Millionen, das heißt nur jede dritte Person in den Bundestagswahlen 2022 wahlberechtigt. Das ist lediglich ein Drittel (36 Prozent) aller Menschen mit Migrationshintergrund. Zwei Drittel wurden von den Wahlen ausgeschlossen, da das Wahlrecht immer noch an die deutsche Staatsbürgerschaft und nicht an den Wohnsitz gebunden ist. Millionen Menschen arbeiten, leben in diesem Land, zahlen einen Haufen Steuern und haben keinerlei demokratisches politisches Entscheidungsrecht!

Stattdessen werden leere Worte geschwungen und sich weitere Pseudo-Popanze ausgedacht, die keinerlei politische Auswirkung für die Ausübung demokratischer Grundrechte für Menschen mit Migrationshintergrund haben: „Für mehr Repräsentanz und Teilhabe werden wir ein Partizipationsgesetz vorlegen mit dem Leitbild „Einheit in Vielfalt“ und die Partizipation der Einwanderungsgesellschaft stärken (etwa durch Einführung eines Partizipationsrates).2

Die Grenzen dieses Landes sind auch bei dieser Koalition für Geflüchtete dicht. „Reinkommen“ kann nur wer ausgesucht und erwünscht, weil gewinnbringend für die deutsche Wirtschaft ist.

Das Asylrecht für Geflüchtete wird weiterhin rigide gehandhabt und faktisch ausgehebelt. Abschiebungen sind weiterhin bewährtes Abschreckungsmittel und sollen verstärkt werden. Klare Ansagen im Koalitionsvertrag: „Nicht jeder Mensch, der zu uns kommt, kann bleiben. Wir starten eine Rückführungsoffensive, um Ausreisen konsequenter umzusetzen, insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern. Der Bund wird die Länder bei Abschiebungen künftig stärker unterstützen.“ 3

# Stichwort:
Rassismus bekämpfen?

Wir greifen auch hier nur beispielhaft einige Punkte aus dem Koalitionsvertrag heraus. Unter dem Motto: „Zivilgesellschaft und Demokratie“ heißt es im Koalitionsvertrag „Wir unterstützen die Errichtung eines Erinnerungsortes sowie eines Dokumentationszentrums für die Opfer des NSU.“1 Entscheidend sollte natürlich bei einem solchen Vorhaben sein, ob die Familien, die Angehörigen, die Betroffenen die Freund:innen der Opfer überhaupt einen zentralen Erinnerungsort wollen. Ist es nicht vielmehr so, dass in den verschiedenen Tat-Städten, Freund:innen, Angehörige, Familien sich für Gedenk- und Erinnerungsorte vor Ort einsetzen. Aber ihre berechtigten Wünsche werden seit Jahren von der Politik weder gehört noch etwa umgesetzt.

Ismail Yozgat, der Vater von Halit, der in Kassel vom NSU in einem Internetcafé ermordet wurde, fordert seit Jahren die Umbenennung der Straße des Tatorts in Halitstraße. Nichts passiert. Nur ein unscheinbarer Platz wurde von der Stadt Kassel nach Halit benannt.

Die Initiative „Herkesin Meydanı – Platz für Alle!“ kämpft ebenso seit Jahren für einen Gedenkort an der Keupstraße in Köln. Dort explodierte am 9. Juni 2004 eine Nagelbombe des NSU. 22 Menschen wurden teilweise schwer verletzt, und alle Anwohner:innen schwer traumatisiert. Ein beeindruckender Entwurf für ein Mahnmal in der Keupstraße gegen Rassismus liegt vor, aber die Stadt Köln verweigert seit Jahren die Umsetzung.

Im Kapitel „Rassismus bekämpfen“2 wieder eine der vielen Absichtserklärungen, wo von vorneherein klar ist, auch hier wird sich fast nichts ändern: „Wir werden die Arbeit zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus fortsetzen, inhaltlich weiterentwickeln und sie nachhaltig finanziell absichern.“

Der Koalitionsvertrag führt zahlreiche bürokratisch-administrative Maßnahmen als „Kampf gegen Rassismus“ an. „Wir treiben die UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft voran (z.B. durch entsprechende Begabtenförderung und Unterstützung eines bundesweiten Community-Zentrums), bauen Forschung aus, stärken z.B. das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) dauerhaft und verstetigen seinen Rassismusmonitor.

Wir setzen eine Anti-Rassismus-Beauftragte bzw. einen Anti-Rassismus-Beauftragten ein. Zur Umsetzung der EU-Roma-Strategie wird eine Nationale Koordinierungsstelle gegründet. Zudem richten wir eine unabhängige Monitoring- und Beratungsstelle für antiziganistische Vorfälle ein. Empfehlungen der Expertenkommission Antiziganismus greifen wir auf und setzen eine Antiziganismus-Beauftragte bzw. einen Antiziganismus-Beauftragten ein.“3

Wir sehen in diesen Maßnahmen vor allem den Versuch die antirassistische, antifaschistische Bewegung zu kanalisieren und in staatlich gewünschte Bahnen zu lenken. Initiativen, Aktivist:innen sollen in staatliches Handeln eingebunden werden. Arbeitsplätze für erwerbslose Akademiker:innen sollen geschaffen werden, deren Aufgabe es ist zivilgesellschaftliche, antirassistische Initiativen und Gruppen unter die Fuchtel des Staates zu stellen.

Ziel ist jegliche radikalen und grundlegenden Kritiken an rassistischen, faschistischen Strukturen in allen staatlichen Institutionen, Polizei, Militär, Ämtern, Schule, Universität, Justiz abzuwehren und zum Verstummen zu bringen.

# Stichwort:
Frauen – Genderrechte – Männermacht

Bezeichnenderweise lautet der Name des Ministeriums „Familie, Senioren, Frauen und Jugend“. Im Koalitionsvertrag (KV) wird großmäulig verkündet: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern muss in diesem Jahrzehnt erreicht werden“.

Das ist grotesk angesichts der konkreten klein-klein Reformschritte, die für dieses Ziel vorgeschlagen werden und einfach nur zynisch. „Wir wollen … uns für Entgeltgleichheit von Frauen und Männern einsetzen“ und „die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schließen. Deshalb werden wir das Entgelttransparenzgesetz weiterentwickeln und die Durchsetzung stärken, indem wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen, ihre individuellen Rechte durch Verbände im Wege der Prozessstandschaft geltend machen zu lassen.“1

Das Entgelttransparenzgesetz hat schon bisher nichts bewirkt und wird auch nicht in der Zukunft nichts bewirken. Das ganz einfache Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ wird selbstverständlich auch von dieser Regierung nicht umgesetzt, die besondere verschärfte Ausbeutung der Arbeitskraft von Frauen wird weiter fortgeschrieben!

Für die besserverdienende Mittelschicht „wird die Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen“2festgeschrieben, die erleichtert wirddurch „ein Zulagen- und Gutscheinsystem… für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Haushalt“.

Im Klartext, die bisher illegal im Haushalt bürgerlicher Schichten rechtlos arbeitenden Frauen, meist Migran-t:innen, können jetzt vom Staat offiziell mitfinanziert werden um deren Arbeitgeber finanziell zu entlasten. Mehr Rechte erhalten die werktätigen Frauen trotzdem nicht.

Was patriarchale Männergewalt und Frauenunterdrückung angeht wird sie in dem Koalitionsvertrag nicht direkt und offensiv benannt. Es wird nur von den Opfern der Gewalt, von sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Kinder gesprochen. Männer als Tätergruppe sind weitgehend ausgeblendet

Die im Koalitionsvertrag angekündigte Streichung des §219a StGB, des sogenannten Werbeverbotes für Ärzt:innen über Abtreibungen zu informieren ist ein kleines Mini-Reförmchen und gleichzeitig empörend. Denn mit den nach wie vor gültigen §218a und §219 im Strafgesetzbuch werden Frauen, die ein Kind nicht zur Welt bringen wollen/können vom Staat massiv reglementiert, bevormundet und moralisch unter Druck gesetzt.

Sie müssen nach wie vor eine Zwangsberatung absolvieren 3 und eine Bescheinigung darüber den Ärz-t:innen vor einem Eingriff vorlegen. Das Patriarchat wird nicht angetastet.

# Stichwort:
Bundestag – Volksvertretung?

Ein „Reformprojekt“ der neuen Regierung steht unter dem Motto: Wir sichern unsere Pfründe. Eine Kommission soll gebildet werden, die Vorschläge „zur Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre“1erarbeitet. Die Volksvertreter:innen wollen ihre generöse finanzielle Berufspolitiker-Absicherung um ein Jahr ausweiten. Also statt vier Jahren fünf Jahre garantierte Diäten, Abgeordnetengehälter. Von den Kolleg:innen der anderen Fraktionen werden sie sicherlich auf helle Begeisterung stoßen. Denn für alle bedeutet das Arbeitsplatz-, Finanz- und Rentenabsicherung.

Der neue Bundestag ist weder von der Alterszusammensetzung, noch gegendert noch klassenmäßig noch migrantisch ein Abbild der Gesellschaft.

Laut Angaben des Deutschen Bundestag sind von 736Abgeordneten 257weiblich und 479 männlich und 0 divers. (Die Grünen geben für ihre Fraktion 2 Personen als Divers an.)

Der Frauenanteil liegt bei 34,8Prozent.

Alte weiße deutsche Männer sind immer noch die vorherrschende Abgeordneten-Spezies. Von 736 Abgeordneten sind lediglich 92 unter 35 Jahren.

Die jüngsten Abgeordneten der 18 – 24 jährigen sind drei Abgeordnete der Grünen und zwei der SPD. 0,69 Prozent aller Abgeordneten!

Mit einem Anteil von 11,3Prozent der Abgeordneten sind Migrant:innen völlig unterrepräsentiert vertreten.

Das Bürgertum mit „akademischen Hintergrund“, etwa 87Prozent der Abgeordneten, bestimmt das Parlament und die Regierungsgeschäfte. Ihr Anteil in der Bevölkerung liegt 14 Prozent.

Nur 13Prozent Nicht-Akademiker sind ins Parlament gewählt worden.

Sozio-ökonomisch bedeutet die Zusammensetzung des Parlaments: Im neuen Bundestag vertritt ein Mitglied des Bundestages derzeit 110 000 Bürger:innen. Jede/r Anwält:in im Bundestag und davon gibt es viele, vertritt gerade mal 1 500 Menschen aus seiner/ihrer Berufsgruppe. Eine Pflegerin als Abgeordnete steht für 300 000 Pflegekräfte, ein/e Arbeiter:in für mehr als 2 Millionen Menschen ihrer Klasse.

Der Bundestag ist keine repräsentative Vertretung der Mehrheit des Wahlvolkes, die Werktätigen!

Auf einer Demonstration am 1. Mai 2021 werden Forderungen den Kapitalismus abzuschaffen versucht populär zu machen. Mit dem Logo unverwertbar.org wird die Frage der Enteignung in einem starken antikapitalistischen Block gestellt. „Von der KRISE zur ENTEIGNUNG“ lautet ein rotes Transparent mir weißer Aufschrift. Ein anderes, weiß mit roter Schrift „WOHNRAUM. BETRIEBE & KRANKENHÄUSER IN UNSERE HÄNDE!“

# Stichwort: Wahlverlierer –
Linke Alternativen & Brodelnde Kriegsgefahr!

Die CDU hat 8,8 Prozent und die AfD 2,3 Prozent Wählerstimmen eingebüßt. Uns interessiert hier vor allem Die Linke. Sie hat mit ihrem Wahlergebnis von 4,0Prozent der Wählerstimmen, mit einem Minus von 4,3Prozent ihre Stärke halbiert. Die Orientierung der Linken auf einen Platz am Futternapf der Macht, Regierungsbildung mit SPD und Grünen, ist gescheitert. 1 Sie hat extrem viele Stimmen verloren bei den Wählerschichten, die sie angeblich vor allem vertreten möchte. Von Arbeiter:innen und Angestellten erhielt sie jeweils nur noch 5Prozent der Stimmen, 2017 waren es noch zehn bzw. neun Prozent. 2

Die Linke konnte sich neben SPD und Grünen nicht als weitere Kümmerer-Partei verkaufen. Sie hat voll und ganz auf den maroden Parlamentarismus gesetzt und perspektivisch keine überzeugende Alternative zu dem bürgerlichen Ausbeutungssystem entwickelt. Wie auch?

Sie hat durch ihren Parlamentarismus finanziell für den eigenen Parteiapparat von der staatlichen Parteien-Finanzierung auf den unterschiedlichen politischen Ebenen außerordentlich profitiert.

(Die Gelder summierten sich 2019 für die Linke auf über 100 Mio. Euro).

Überall wo die Linke praktische Politik betreibt, ist sie die sozialdemokratisch-linkere Partei als SPD und Grüne zusammen. Das ist kein überzeugendes Angebot.

Hinzu kommt die unsägliche Positionierung der Linken im aktuellen sich wieder einmal zuspitzenden Konkurrenzkampf der imperialistischen Großmächte. Hier setzt die Linkspartei, nach wie vor mit Blindheit für politische Realitäten geschlagen, auf die angeblichen „Friedensmächte“ Russland und China als die angeblichen Glücksbringer für die geschundenen Völker des globalen Südens.

Die aktuelle Zuspitzung der internationalen Lage ist bedingt auf der einen Seite, durch den Vormarsch von NATO und westlichen Großmächten und Imperialisten gegen Russland, aber auch gegen China z.B. im südchinesischen Meer. Der Westen will massiv seine Positionen nicht etwa nur verteidigen, sondern ausbauen. Die beiden größten Konkurrenten sollen mit aller Macht zurückgedrängt werden.

Auf der anderen Seite wird der Konflikt angeheizt durch das Säbelrasseln Russlands, bei voller Unterstützung von China, an der ukrainischen Grenze, mit dem Aufmarsch von Zehntausenden russischer Soldaten und Armee-Einheiten, offenen Kriegsdrohungen gegen die Ukraine, Europa und die USA.

Die Linke schlägt sich voll und ganz auf die Seite des imperialistischen Blocks Russland und China, die sie zu „Verteidigern des Weltfriedens“ stilisiert.

Die RGG-Koalition laviert aktuell zwischen den verschiedenen westlichen und östlichen Interessen und Blöcken. Einerseits um die machtpolitischen Positionen des Westens zu verteidigen und auszubauen, andererseits um die ökonomischen Interessen der deutschen Monopolkonzerne insbesondere in Russland und China abzusichern.

Wir KommunistInnen bekämpfen vor allem unseren Hauptfeind, den deutschen Imperialismus und seine Kriegsvorbereitungen, Militarisierung, sowie das NATO-Bündnis und die westlichen Großmächte, gleichzeitig aber prangern wir die imperialistische Großmachtpolitik sowohl Russlands als auch Chinas an.

Reem Alabali-Radovan (SPD) Staatsministerin Migration beim Bundeskanzler

Wer über Aufbruch und ein modernes Einwanderungsland spricht, der muss auch die Kehrseiten klar benennen. Ferhat, Gökhan, Hamza, Said, Mercedes, Sedat, Kaloyan, Vili und Fatih – sie waren ein Teil von uns, aus unserer Mitte. Sie waren Deutschland. Sie hatten noch ihr ganzes Leben vor sich; doch sie wurden im Februar 2020 bei dem rassistischen und rechtsextrem motivierten Anschlag in Hanau aus dem Leben gerissen. Ich werde nie vergessen, was ich bei dieser Nachricht gefühlt habe. Das war eine Zäsur. Weitere grausame Erinnerungen gehören dazu: Solingen, Mölln, Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Halle und der Mord an Walter Lübcke. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Liste weitergeht. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD]) (…) Der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Antiziganismus und weitere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit geht uns alle an, nicht nur die Betroffenen. Wir sind mehr, und wir müssen das auch zeigen. Wir sind alle gegen rechts!1 Wir … alle? Auch die Beifall klatschende AfD? Es ist einfach in Worten gegen „Rechts“ und Rassismus zu sein. Es kommt aber vor allem auf die Tat an! Und da haben wir auch von dieser Regierung nichts zu erwarten!

1 13.01.2022 Antrittsrede, 11. Sitzung des Deutschen Bundestages, dserver.bundestag.de/btp/20/20011.pdf, S. 654

Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat – Antrittsrede im Deutschen Bundestag:

Wir haben alle extremistischen Bedrohungen im Blick: den Islamismus, den Rechtsextremismus und den Linksextremismus. Aber die größte Gefahr für unsere Demokratie ist der Rechtsextremismus.

(…) Eines möchte ich gleich zu Beginn sagen: Es ist unser aller Pflicht, für den Schutz von Jüdinnen und Juden zu sorgen. Die Hetze, die viele dieser Tage in unserem Land noch erleben müssen, ist eine Schande für unser Land.

Meine Damen und Herren, der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke, der antisemitische Anschlag in Halle, die rassistischen Morde in Hanau – diese entsetzlichen Verbrechen lassen mich nicht los. Die jahrelange Auseinandersetzung mit dem Terror des NSU hat mich persönlich sehr geprägt. Deshalb sage ich auch heute hier im Deutschen Bundestag: Der Staat ist den Opfern weitere Antworten schuldig. Die Aufarbeitung muss weitergehen, und wir werden sie vorantreiben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)“

Die brutale, grausame Realität steht diesen leeren Floskeln der Ministerin diametral entgegen. Fakt ist die Akte „Mordserie NSU“ ist geschlossen. Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München im NSU-Prozess wurde mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15. Dezember 2021 abgesegnet.

Die Revisionsanträge wurden abgelehnt. Das NSU-Netzwerk ist demnach laut höchsten richterlichen staatlichen Urteils nur ein Trio. Aktive Mitglieder:innen des Nazi-Netzwerkes NSU, wie Eminger werden nur als „Mitläufer“ harmlos bestraft.

Das Spinnennetz des NSU-Netzwerkes was über die ganze BRD rekrutiert war und aktiv die Morde mit vorbereitet und organisiert hat, wird im Untergrund weiterwirken. Die Untersuchungsausschüsse des Bundestages und verschiedener Landtage haben keine Aufklärung staatlichen, polizeilichen, juristischen Versagens geleistet.

Die „Aufarbeitung“ der rassistisch-faschistischen Mordserie, in deren Verlauf Familien und Angehörige der migrantischen Opfer über 11 Jahre hinweg vom Staat und seinen Institutionen als Täter:innen ins Visier genommen wurden, ist für diesen Staat definitiv abgeschlossen und wird nicht weitergehen.

Der Staat ist alle Antworten schuldig geblieben. Der Mord an Halit Yozgat, bei dem der Verfassungsschutzbeamte Temme anwesend, vielleicht sogar der Täter war, dessen Akten unter Schwarz-Grüner-Regierungsverantwortung in Hessen für 30 Jahre unter Verschluss genommen wurden, das alles wird nicht mehr weiter aufgearbeitet werden. Das haben alle staatlichen und juristischen Institutionen klar abgelehnt. Insofern sind die Betroffenheitsbekundungen von Ministerin Faeser ein unerträglicher Hohn.

Auch die Ansprache von Faeser an Frau Unvar im Deutschen Bundestag ist verletzend, unwahr und beschämend: „Serpil Temiz Unvar hat in Hanau ihren Sohn Ferhat verloren. Was sie gesagt hat, ist eine Mahnung an uns alle – ich zitiere –: Unsere Kinder dürfen nicht umsonst gestorben sein. Ihr Tod muss das Ende rassistischer Angriffe sein. – Ich kann Ihnen, liebe Frau Unvar, und allen Familien der Opfer von Hanau sagen: Wir werden Ihre Kinder nie vergessen, und wir werden alles tun, um die Menschen, die in unserem Land bedroht und angegriffen werden, besser zu schützen. Deshalb, meine Damen und Herren, werde ich als Bundesinnenministerin bis Ostern einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vorlegen.“1

Solange nicht die notwendige Aufklärung der Mordserie in Hanau erfolgt, das schwerwiegende Versagen der Einsatz- und Polizeikräfte nicht angeklagt und das faschistische Umfeld/Netzwerk des Täters, zum Beispiel sein Nazi-Vater, nicht zur Rechenschaft gezogen wird, solange sind die Versprechungen „Wir werden alles tun“ ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen und überlebenden Opfer.

1 dserver.bundestag.de/btp/20/20010.pdf, S. 492,Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode, 10. Sitzung, 12.01.2022

Zusammengefasst:

Die neue RGG-Regierung mit ihrem Koalitionsvertrag ist eine Fortsetzung der kapitalistisch-imperialistischen Politik der deutschen Monopolbourgeoisie. Sie unterscheidet sich lediglich in Nuancen von der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD.

Für uns Arbeiter:innen und Werktätige sind Krise, Kapitalismus, Kriegskurs, Klimakatastrophe auch in dieser Regierungsperiode in unserem Arbeits- und Lebensalltag weiter bestimmend.

Unsere Antwort darauf kann nur die Stärkung des Klassenkampfes gegen Kapital und Staat sein! Einen anderen Ausweg gibts nicht!

15. Februar 2022

1 Aktuell ist die Linke in folgenden Landesregierungen vertreten – Berlin: SPD, Grüne, Linke; Bremen: SPD, Grüne, Linke; Thüringen: Ramelow Ministerpräsident Linke, SPD, Grüne; Mecklenburg-Vorpommern: SPD, Linke

2 Ekkehard Lieberam, „Der versteckte Sozialismus“, junge Welt, 22.11.2021 S. 12/13.

1 Koalitionsvertrag, S. 11

1 Koalitionsvertrag, S.6

2 Koalitionsvertrag, S. 70

3 § 2019 Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage

(1) „Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. … Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und daß deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt.“

1 Koalitionsvertrag, S. 117

2 Koalitionsvertrag, S. 120

3 ebenda

1 Koalitionsvertrag, S. 6

2 Koalitionsvertrag, S. 118

3 Koalitionsvertrag, S. 140

1 Koalitionsvertrag, S. 6

1 Perspektive-online.net/2022/01/habeck-will-doch-keineimpfstofffreigabe-um-biontechs-profite-zu-schuetzen/

1 Koalitionsvertrag S. 24

2 Koalitionsvertrag S. 52

3 Koalitionsvertrag, S. 27

1 Koalitionsvertrag zwischen spd, bündnis 90/die grünen und fdp spd.de/gruene.de/fdp.de