Krieg im Allgemeinen sowie die laufenden und drohenden Kriege in Westasien am Beispiel Iran – Ihre Hintergründe und Ziele

Zu Beginn stellt sich die Frage, warum es Kriege überhaupt gibt. Kriege sind nichts vom Himmel gefallenes oder das Produkt böser Absichten oder Verschwörungen einzelner kriegerischer Menschen, sondern Krieg ist immer die Fortsetzung der Politik.

Es geht um Beherrschung von Territorien und ausbeutbaren Menschen und darum, die sich stets verändernden Eigentumsverhältnisse zwischen Herrschenden und Ausgebeuteten im Laufe der Geschichte neu zu ordnen. Nach der materialistischen Geschichtsauffassung ist die Geschichte der bisherigen Gesellschaften die Geschichte der Klassenkämpfe, wobei der erbittertste Krieg, der revolutionäre Bürgerkrieg für den Sozialismus, noch vor uns liegt.

Die Entwicklung kapitalistischer Verhältnisse hin zum Imperialismus ist die wirtschaftliche und soziale Grundlage für die sich ausdehnenden imperialistischen Kriege. Das heißt: Die Herrschaft des Privateigentums an den Produktionsmitteln ist in der Hand einer Kapitalistenklasse konzentriert, welche wiederum im Widerspruch zum gesamtgesellschaftlichen Charakter der Produktion steht. Dieser Widerspruch befördert eine gesellschaftliche Krise in Form von Überproduktion und sich verschärfender Kapitalkonzentration, welche ein Hindernis für die Entfaltung der menschlichen Gesellschaft ist.

Im Zeitalter des Imperialismus haben diese Kriege also imperialistischen Charakter – sowohl als direkte, wie der 1. und 2. Weltkrieg i oder indirekte, wie die Stellvertreterkriege in den abhängigen und neokolonialen Ländern (z.B. Iran-Irak Krieg, Afghanistan, Palästina, Irak, Libyen, sowie in Syrien usw.). ii

Diese Kriege gehen aus den sich verschärfenden zwischen-imperialistischen Widersprüchen zur Erlangung einer universalen Hegemonie hervor und verfolgen imperialistische Ziele: nationale Unterwerfung, Eroberung fremden Territoriums, die Gewinnung neuer Märkte, Kapitalexport und Ausbeutung von Rohstoffen und billigen Arbeitskräften zur Profitmaximierung.

Inzwischen hat auch dieses System die Entfaltung seiner Möglichkeiten, sowie seiner Widersprüche maximal erschöpft und kann längst nicht mehr die Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft befriedigen. Die gesamte Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft ist die Geschichte der Herrschaft des Kapitals, d.h. die Transformation der Gesellschaft, einschließlich der Schaffung dafür geeigneter Menschen und Institutionen entsprechend der Interessen des Kapitals, um seinen Mehrwert zu sichern.

Die Überproduktionskrise konnte sich erst in der Form der Massenschlacht des 2. Weltkriegs abmindern, in Form von Zerstörung und Vernichtung der produzierten Lebensgrundlage, der Kultur und des politischen und sozialen Lebens.

Innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft wird die Überproduktion des Kapitals hauptsächlich durch Zerstörung und Vernichtung der Menschen sowie produzierter materieller Güter in einem bestimmten Ausmaß begünstigt und die Wiederentfaltung des Kapitals in bestimmten Zeiträumen ermöglicht.

So gesehen war der 2. Weltkrieg ein Heilmittel, um das Kapital am Leben zu erhalten. Gleichzeitig bietet diese Tendenz aber auch Raum für gesellschaftliche Veränderungen.

Die Entwicklung des Kapitalismus zwischen 1945-1975 ist jene Periode, in der sich der Kapitalismus regeneriert hat, um zu einer Ausgangsbasis zurückzukehren. Die keynesianistische ökonomische Politik, gestützt auf allgemeine (staatliche) Ausgaben in dieser Periode, hatte keine Entwicklungsmotive, sondern hatte eher die Auswirkung, diese Krise zu dämpfen und zu exportieren und Widersprüche im eigenen Land abzumildern.

Keine Rezepte der Bourgeoisie sind im Stande, die Überproduktionskrise des Kapitals dauerhaft zu lösen. Um aus dieser Krise herauszukommen bleiben zwei Wege: entweder die Zerstörung bisher produzierter Waren und Produktionsmittel und die Schaffung neuer Bedingungen zur Reformierung des Kapitals für eine kurze Periode, um danach zur alten Krisensituation zurückzukehren, oder eine grundlegende politische und soziale Umwälzung die dem Kapitalismus ein Ende setzt.

Wobei man darauf hinweisen muss, dass die Reflexion dieser Krise auf den Überbau heute keine unmittelbar tiefgreifende Krise des Systems, sondern nur eine Krise der etablierten bürgerlichen Parteien ist. Dies bedeutet eben nicht(!), dass die Herrschenden gegenwärtig aufgrund einer aufkommenden revolutionären Situation nicht in der altgewohnten Weise regieren können.

Derzeit ist die ArbeiterInnenbewegung schwach und nicht organisiert und ihr fehlt die revolutionäre Führung.

Zusammengefasst, der Krieg, der aus dem antagonistischen Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital (und den zwischenimperialistischen Widersprüchen im Kampf um Maximalprofit) entspringt, ist für die Bourgeoisie ein geeignetes Mittel, um grundsätzliche Widersprüche des Kapitalismus abmindern zu können.

Diese Kriege finden statt. Sie werden im Moment vor allem stellvertretend geführt, wie aktuell der Überfall des NATO-Landes Türkei auf Nordsyrien (Rojava) ganz eindeutig ersichtlich ist und verfolgen zwei Ziele:

1. Sie eröffnen den Weg zur Zerstörung und Vernichtung der Produktion und der Produktionsmittel und ebnen den Weg für neue Perioden der Entwicklung des Kapitals in diesem Raum.

2. Sie schaffen eine große Arena für die Imperialisten in ihrem Wettrüsten und für Waffenverkäufe in der Region.

Die Schaffung einer neuen Weltordnung nach dem Zusammenbruch der imperialistischen Sowjetunion 1991 und das Ende einer bipolaren Ordnung zur Organisierung des Weltimperialismus erzwang eine Neuregelung der Machtbeziehungen und des Kräftegleichgewichts unter den Imperialisten.

Alle spürten diesen ungeheuren Druck und die daraus resultierenden Notwendigkeiten zu handeln und versuchten mit allen politischen, ökonomischen und militärischen Mitteln und mit immer schärfer werdenden Kriegsdrohungen, vor allem seitens des US-Imperialismus – wie etwa gegen den Iran, Venezuela, Nordkorea, und neuerlich Putsch in Bolivien – jeweils für sich Vorteile zu schaffen. Auch die wechselseitigen Spannungen und Provokationen im Chinesischen Meer sowie die Aufhetzung und Instrumentalisierung der „Demokratie-Bewegung“ in Hongkong auf chinesischem Territorium sind hierfür beispielhaft.

Inzwischen haben die Auseinandersetzungen zwischen dem US-Imperialismus und der islamischen Republik Iran eine qualitativ neue Dimension im Kontext der weltweiten Neuordnung zwischen den Imperialisten angenommen. Durch die Machtergreifung von Trump/Pence wurde die Situation noch verschärft. In diesem neuen Kontext ist die Konkurrenz zwischen den imperialistischen Großmächten, der USA einerseits und China, Russland sowie der EU anderseits, entschieden verschärft worden.

Wobei dieser Druck auch eher schwächere imperialistische Mächte wie Kanada oder Japan und natürlich die neokolonialen und abhängigen Länder selbst, wie die Islamische Republik Iran, die Türkei, Südkorea usw. erfasst und sich dort potenziert.

Die Spannungen, Feindseligkeiten und Kriegsdrohungen gegen den Iran, sowie der tagtäglich stark wahrnehmbare wirtschaftliche Boykott sind momentan ein Druckmittel vor allem seitens der USA gegen diese Länder, damit sie ihre Lage und Orientierung den jeweiligen Interessen der Großmächte unterordnen und ein bürokratisch-kapitalistisches System beibehalten.

Vor allem das Embargo, welches tagtäglich seine vernichtenden Spuren hauptsächlich unter den breiten Volksmassen hinterlässt, ist im Moment von Seiten der USA und Israel ein Druckmittel gegen den Iran, damit das Land seine Orientierung den Interessen der USA unterordnet, deren aggressive Hauptstoßrichtung gegen China gerichtet ist. China, als heute imperialistische Großmacht, will seinen gebührenden Platz in der neu formierten Weltordnung erkämpfen.

Die Verschärfung des Handelskriegs; die Ausgrenzung Chinas von neuen technologischen und Schlüsselressourcen seitens der USA zerstört in Wahrheit ihre eng verwobenen Beziehungen innerhalb des Weltsystems und stellt ein neue „geopolitische“ Tatsache dar. Es zwingt die anderen Mächte und die neokolonialen und abhängigen Länder, sich in diesem Prozess neu zu orientieren und unterzuordnen. Momentan begnügen sich diese Mächte auf globaler Ebene mit wirtschaftspolitischen Kriegen und nicht mit militärischen. Ein eventueller Krieg gegen Iran versteht sich als Teil dieser Weltkonkurrenz und hängt von dieser ab.

Nach unserer Meinung, liegt die strategische Zielsetzung der US-amerikanischen herrschenden Klasse aktuell hauptsächlich in einem politischen und wirtschaftlichen Krieg gegen den Iran, China und Russland und kurz bis mittelfristig wird es wohl, anders als im Irak, zu keiner direkten Militärintervention oder Regime Change gegen den Iran kommen.

Das iranische Regime ist, angesichts der Zuspitzung der wirtschaftlichen und politischen Krise (Massenbewegungen und zahlreiche ArbeiterInnenstreiks) bestrebt, seine Existenz mit allen Mitteln zu bewahren. Dieses Regime fällt immer tiefer in der Turbulenz der Widersprüche der Großmächte. Die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit vom Weltkapital und dessen Arbeitsteilung, sowie die Notwendigkeit als „Mitspieler“ innerhalb der reaktionären Kriege in Westasien zu fungieren, zwingen das iranische Regime, um zu überleben, immer tiefer in globale imperialistische Auseinandersetzungen. Im Gegensatz zur offiziellen Propaganda verfügt die Islamische Republik Iran über keine Spur von antiimperialistischen Intentionen.

Auf wirtschaftlicher Ebene betreibt es von Anfang an die Ausplünderung der natürlichen Ressourcen, die Intensivierung der Ausbeutung, die Übernahme und Durchführung des Diktats und der Vorgaben der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds seit den 1980ern sowie eine großangelegte Privatisierung im Dienste der Kapitalisten.

Diese Maßnahmen erlauben der iranischen Bourgeoisie und ihren imperialistischen Helfershelfern, sich den Reichtum des Landes und die geschaffenen Werte beliebig und schamlos anzueignen. Das Resultat dieser volksfeindlichen Politik ist soziales Elend der Mehrheit der Gesellschaft vor allem der ArbeiterInnenklasse und der Werktätigen. Die starken Teuerungen für Grundnahrungsmittel, die Freigabe der Preise, die hohe Inflationsrate, sowie seit Monaten nicht ausbezahlte Löhne, die Massenarbeitslosigkeit, all das sind Folgen der neoliberalen kapitalistischen Wirtschaft, die das Regime mit großem Eifer praktiziert.

Auf politischer Ebene hat das Regime von Anfang an den Terror und die Unterdrückung der sozialen Proteste an die Spitze seines Programms gestellt und eine Atmosphäre der Angst, des Terrors und der Militarisierung der Gesellschaft herbeigeführt. Es anerkennt keine demokratischen Rechte für die Volksmassen. Den ArbeiterInnen werden unabhängige Gewerkschaften verweigert und die sozialen Aktivistinnen, sowie die der nationalen Minderheiten, wie Kurden oder Araber usw. werden verhaftet, gefoltert und in vielen Fällen hingerichtet.

Durch die reaktionären islamischen Gesetze wird die sexuelle Apartheid gegenüber Frauen legitimiert und ist in der Verfassung verankert. Damit werden die alten patriarchalischen Vorrechte stabilisiert. Somit sichert sich das Regime auch seine ideologische Vorherrschaft.

Tatsache ist, dass das Regime im Iran ein Resultat der Machenschaften des internationalen Kapitals (Konferenz von Guadeloupe im Jänner 1979) war, um die aufkommende Revolution des Jahres 1978/79 zu kontrollieren und zu zerschlagen.

Tatsache ist auch, dass dieses Regime selbst ein Teil des Problems der Hegemoniebestrebungen der Imperialisten und Zionisten in der Region geworden ist. Objektiv arbeitet es, abgesehen von manchen oberflächlichen Differenzen, im Dienst der Imperialisten gegen die gemeinsame Front der werktätigen Massen und der Revolution, sowohl in Iran als auch in der Region.

Nach innen betrachtet, sind die große Mehrheit der Bevölkerung im Iran gegen den Krieg und gegen jeglichen wirtschaftlichen Boykott und Sanktionen. Aufgrund der Erfahrungen der bisherigen reaktionären Kriege (z.B. Iran und Irak) haben sie zunehmend verstanden, dass sich solche Maßnahmen nur gegen die Interessen der werktätigen Menschen richten und den Interessen der Kapitalisten zugutekommen. Das Regime der Islamischen Republik nützt auch die Kriegsgefahr propagandistisch für seine reaktionären Absichten, Repression und Terror nach innen aus.

Unsere Aufgabe ist, alle revolutionär-demokratischen und kommunistischen Kräfte im Iran und der Region zu stärken, die eine eventuelle politische, wirtschaftliche oder militärische Aktion seitens der Imperialisten in einen national-demokratischen Befreiungskampf der unterdrückten Völker umzuwandeln verstehen. Der wahre antiimperialistische Krieg zur Befreiung, kann nur dann erfolgreich sein, wenn er sich auf die Kraft der ArbeiterInnenklasse und der Werktätigen stützt, ein kommunistisches Programm besitzt und eine sozialistische Perspektive vor sich hat.

Hoch die internationale Solidarität!

Kampf gegen jeglichen Rassismus und nationalen Chauvinismus!

Krieg dem imperialistischen Krieg!

Wien, am 29. November 2019

Ein linker iranischer Aktivist aus Wien (Österreich)

Kontaktadresse: Iran-Rat, Amerlinghaus

Stiftgasse 8, A-1070 Wien E-mail: linksaktivist@gmx.at

i Anmerkung TA: Die Einschätzung des 2. Weltkrieges als insgesamt imperialistisch teilen wir nicht. Der 2. Weltkrieg ist ab 1941, mit dem Eintritt der Sowjetunion kein imperialistischer Krieg mehr.

ii Wir halten es für schwierig alle diese Kriege, Aufstände. Befreiungskämpfe etc. in einen Topf zu werfen und nur als Stellvertreterkriege zu bezeichnen.