Wir haben in der vorherigen Ausgabe von Trotz Alledem! einen Artikel zu den landesweiten Revolten, Protesten, ja einer sich entwickelnden revolutionären Situation gegen das faschistisch-islamisch (schiitische) Regime im Iran veröffentlicht.
Auslöser war der gewaltsame Tod der Kurdin Mahsā Jîna Amīnī in Polizeigewahrsam im September letzten Jahres. Die Revolten wurden brutalst weitgehend zerschlagen.
Das Regime übte und übt auch ein Jahr später nach wie vor faschistischen Terror gegen die Protestierenden aus: Viele Menschen sind aus nächster Nähe erschossen worden, wurden verschleppt, gefoltert, in Isolationshaft gehalten, in Gerichtsverfahren, die mit Gerechtigkeit nichts zu tun haben, zu langen Haftstrafen verurteilt.
Einige sind sogar zum Tode verurteilt worden. Mindestens sieben Menschen wurden im Zusammenhang mit den Protesten hingerichtet. Dutzende weitere sind von der Todesstrafe und Hinrichtung bedroht.
Im Fokus der islamo-faschistischen Sittenwächter, Revolutionsgarden, Polizei und Sicherheitskräfte stehen weiterhin Frauen und Mädchen. Aktuell wird die Verschärfung der Vorschriften zur Zwangsverschleierung von Frauen massiv vorangetrieben. Zynisch verkündet der allmächtige Herrscher des Irans, Präsident Raisi vor dem Todestag Mahsā Jîna Amīnī, die baldige „Umsetzung“, ein neues, seit längerem geplantes Gesetz.
Nach der Ermordung von Mahsā haben sich in Demonstrationen und Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht viele Frauen entschieden, das Kopftuch abzulegen und mit offenem Haar unterwegs zu sein. Eine ungeheure Provokation und ein Dorn im Auge der „Frauenverächter und Unterdrücker“ der Herrschenden.
Auf den Straßen Teherans sind auch heute noch zahlreiche Frauen mit diesem „stillen Protest“ demonstrativ unterwegs. Aber gerade das ist eine offene Revolte gegen das Regime. Ausdruck von immer stärker werdendem Mut und Protest der Frauen. Seit der Niederschlagung der Proteste unternehmen die Sittenwächter immer wieder Versuche Frauen und Mädchen, auch mit Gewalt, das Kopftuch-Gebot aufzudrücken.
Den Keim der Freiheit und des Widerstands wollen die Herrschenden und ihre blutrünstigen Schergen mit allen Mitteln ersticken.
Warum haben sie bislang noch davor zurückgeschreckt das bisherige Gesetz flächendeckend mit verschärftem Terror durchzusetzen? Nach dem Mord an Mahsā haben sie nicht mit der ungeheuerlichen Auflehnung und Wut breiter Schichten der Frauen und Werktätigen im September 2022 gerechnet.
Mittlerweile fühlen sich die Herrschenden wieder fester im Sattel der Macht und bereiten sich offen darauf vor „zurückzuschlagen“. Mit Gewalt und maßloser Unterdrückung.
Das neue Gesetz soll 70 Artikel zur Schleierpflicht enthalten. Anfang August diesen Jahres verkündete Raisi in einer Ansprache vor Soldaten der iranischen Revolutionsgarden: „Ich versichere Ihnen, das Abnehmen des Kopftuchs wird definitiv ein Ende haben. Machen Sie sich keine Sorgen“. Und der Vorsitzende des Rechtsausschusses des iranischen Parlaments, M. Mousa Ghananfarabadi, droht: „Wir werden das Problem lösen. Das Strafmaß, das wir anstreben, wird definitiv einen Effekt haben.“
Wir veröffentlichen hier den „AUFRUF – Keinen Raum den Mördern!“ und unterstützen ihn. Wir rufen euch alle auf: Geht auf die Straße!
Jin Jiyan Azadi – Frau, Leben, Freiheit
Doch wir haben auch Kritiken an dem Aufruf, die wir solidarisch anmerken wollen. In diesem Aufruf wird keine Kritik an der
reaktionären sogenannten „Opposition“ im Iran, die auch im Ausland aktiv ist, geäußert. Zum Beispiel an der „Grünen Bewegung“ von Mir Hossein Mousavi.
In seiner Bewegung tummeln sich
* die religiösen Reformer, zu denen Mohammed Khatami (Präsident von 1997 bis 2005) gehört,
* die Partei der Diener des Wiederaufbaus („Hezb-e Kargozaran“), zu denen Hashemi Rafsandschani (Staatspräsident von 1989 bis 1997) gehört,
* die konservativen Geistlichen der ersten Generation, die ihre Privilegien erhalten wollen.
Alles Parteien, deren Oberhäupter bereits an der Regierung beteiligt waren und NULL für die Rechte der Frauen und/oder nationalen Minderheiten, der Werktätigen getan haben. Mousavi selbst war von 1981 bis 1989 Premierminister. Die Grüne Bewegung stützt sich auf Teile der Mittelschicht und auf Unternehmer und Kapitaleigentümer, die dank der Schattenwirtschaft, einer institutionalisierten Korruption und der Erdölprofite zu gewaltigem Reichtum gekommen sind und eine neoliberale Privatisierung der Wirtschaft fordern. In der sogenannten Opposition im Exil tummelt sich auch Reza Pahlavi, der Sohn des letzten Schahs und seine Anhänger:innen. Für sie ist die Monarchie mit Reza Pahlavi an der Spitze die einzige Alternative zum aktuellen Regime.
Wir haben nicht vergessen, welche Gräuel der Schah und seine Marionetten, wie sein Geheimdienst SAVAK, angerichtet haben. Tausende Regimegegner:innen wurden festgenommen, verhört, gefoltert und auch hingerichtet. Ein faschistisches Terrorregime! „Oppositionelle“, die sich auf einen Thronfolger des Schahs beziehen und eine neue mögliche Monarchie aufleben lassen wollen, sind keine Alternative!
Von Oktober 2022 bis Februar 2023 wurden in Solidaritätsdemonstrationen in vielen Ländern der Welt eine Flut von verschieden Versionen der „iranischen Nationalflagge“ geschwenkt. Insbesondere aber die Fahne der Schah-Monarchie war dominierend. Am 5. Oktober kam es zu Auseinandersetzungen auf einer Kundgebung in Regensburg, zwischen kurdischen und monarchistischen Anhänger:innen.
Die Monarchist:innen entrollten vier große Flaggen. Grün-weiß-rot gestreift mit einem goldenen Löwen. Diese alte persische Flagge steht für Monarchie und mitnichten für Emanzipation und gegen das Patriarchat. In Brüssel wurden am 20. Februar iranische Oppositionelle von Ordnern der Schah-Anhänger:innen angegriffen und schwer verletzt.
In unseren Reihen haben weder Schah-Anhänger:innen noch Anhänger:innen der faschistischen Grünen Bewegung im Iran etwas zu suchen.
Nein! Sie bekämpfen wir.
Jin Jiyan Azadi – Frau, Leben, Freiheit!
Diese Parole lassen wir uns nicht von rückständigen und schon gar nicht von Monarchist:innen nehmen.
Es ist die Parole der revolutionären Frauenbewegung!
9. September 2023
trotzalledem.org | trotzalledem1@gmx.de
V.i.S.d.P.: H. König, Kafkastraße 56, 50829 Köln
Am 16. September 2023 jährt sich der Todestag von Mahsā Jîna Amīnī.
Verschiedene Gruppen, Organisationen und Parteien rufen zu Solidaritätsdemonstrationen und Protesten gegen das Regime im Iran auf. Wir dokumentieren den Aufruf vom „Iranbündnis – Köln“:
AUFRUF – Keinen Raum den Mördern!
Am 16. September jährt sich der Todestag von Jina Amini. Wie so oft war zu Beginn das mediale Interesse an der feministischen Revolution groß. Fast ein Jahr später ist das Thema Iran fast gänzlich aus den deutschen Medien, der Politik und auch aus dem Bewusstsein der „deutschen Linken“ verschwunden.
Während das Regime mordet, vergewaltigt und plündert, können regimenahe Vereine, Einrichtungen und Firmen in Deutschland ungestört und geschützt vom deutschen Staat ihre Netzwerke pflegen und ausbauen.
Auch einige deutsche Unternehmen können es scheinbar kaum erwarten, dass im Iran das Regime wieder fest im Sattel sitzt, um sich wieder dem Aushandeln milliardenschwerer Verträge zu widmen. Das Gerede von Demokratie und Menschenrechten von Seiten des Kapitals und des Staates sind Heuchelei. Das Gerede von feministischer Außenpolitik des deutschen Außenministeriums ist reine Symbolpolitik.
Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass Agenten des Regimes in Deutschland ungestört auf ein Geflecht von Vereinen und Einrichtungenzugreifen können, um Oppositionelle auszuspähen, Kritiker mundtot zu machen und sogar Terroranschläge vorzubereiten und durchzuführen.
Egal ob die IT-Firma in Meerbusch, die von Deutschland aus, das Internet im Iran zensiert oder die „blaue Moschee“ in Hamburg, die das Regime zum Vernetzen benutzt oder auch das „Iran-Haus“ in Köln, das von Agenten und Spitzeln des Regimes unter anderem auch für die Vorbereitung von Anschlägen verwendet wird. Das islamische Regime nutzt all diese Möglichkeiten in Deutschland zur Vernetzung, zur Organisierung und zur Propaganda. Der deutsche Staat möchte mit den wichtigen Geschäftspartnern keinen Konflikt. Also lässt er das Regime gewähren.
Gerade wurde bekannt, dass der Scharia Richter Hossein Ali Naeiri in einer hannoveranischen Klinik behandelt wird. Dieser war unter anderem 1988 an einer Todeskommission beteiligt, bei der Tausende Oppositionelle hingerichtet wurden. Es scheint, dass ein Massenmörder von diesem Kaliber einfach in Deutschland ein- und ausreisen kann, ohne dass jemand mal auf die Idee kommt ihn nach einem seiner zahlreichen Verbrechen zu fragen. Das ist kein Zufall oder eine Panne. Das deutsche Kapital und sein Staat hegen und pflegen wirtschaftliche und politische Verbindungen zum iranischen Regime. Das hat Geschichte. Das zu beenden, können nur wir selbst. Wir müssen den Mördern und ihren Verbindungen den Raum nehmen.
Wir planen am 22.09 vor das regimnahe Iran-Haus in Marienburg zu ziehen, um zu verdeutlichen, dass wir es nicht akzeptieren, dass das Regime ein Haus in Köln unterhält!
Für andere Gruppen in Deutschland:
Wir rufen dazu auf auch außerhalb von Köln regimenahe Einrichtungen, Vereine und Firmen ausfindig zu machen und Protestaktionen zu planen. Dem Regime nehmen wir nur gemeinsam den Raum!
Iranbündnis – Köln