Vorweg: Der afrikanische Kontinent gehört aktuell zu den stärksten Wachstumsregionen der Welt. Neben den hohen Wachstumsraten – für 2014 werden für 48 Länder südlich der Sahara ca. 6 Prozent prognostiziert – wird die um 10 Prozent gestiegene Lebenserwartung und die Herausbildung einer afrikanischen Mittelschicht als Beleg für den so genannten „afrikanischen Boom“ genommen. Im Report der African Development Bank „Der Mittelteil der Pyramide: Die Dynamiken der Mittelklasse in Afrika“ wird die Mittelschicht auf dem Kontinent anhand ihrer Kaufkraft von 2-20 US Dollar pro Mensch und Tag definiert. Über 350 Mio. AfrikanerInnen gehören ihr an. 1
Wirtschafts”experten”, Analysten und bürgerliche Medien tönen von „Löwenstaaten, die es durchaus mit den asiatischen Tigerstaaten aufnehmen können”. 2
Der Spiegel zum Beispiel publizierte Ende 2013 eine 3-teilige Serie mit dem Titel: „Die Löwen brechen auf“. Darin wird suggeriert, Afrika sei mittlerweile der boomende Kontinent. Alle Menschen könnten sich Handys kaufen. Viele Jugendliche hätten eine Zukunft in den brummenden Volkswirtschaften und Frauen seien die Heldinnen und Motor der Entwicklung.
Völlig ausgeblendet werden ungeheure Armut, katastrophale Gesundheitsversorgung, immens hohe Kindersterblichkeit, Perspektivlosigkeit der Jugend, Gewalt gegen Frauen, barbarische Wohn- und Lebensverhältnisse, Hunger, Elend, Kriege und Fluchtbewegungen.
Der Großteil der Bevölkerung, die werktätigen Massen, profitieren kaum oder gar nicht von dem rasanten Wirtschaftswachstum. 380 Mio. Menschen – bei einer Gesamtbevölkerung Afrikas von 1 Milliarde – sind gezwungen, von weniger als 1,25 Dollar am Tag zu leben.
In Angola sind das mehr als die Hälfte der Bevölkerung, in Tansania etwa zwei Drittel und in der Demokratischen Republik Kongo fast 90 Prozent aller dort lebenden Menschen. 3
Das hohe Wirtschaftswachstum speist sich vor allem aus den Rohstoffpreisen auf dem Weltmarkt, dem Konkurrenzkampf zwischen den alten Kolonialherren-Länder und den neuen Räubern. Die Staatseinnahmen sind fast ausschließlich vom Export der jeweils geförderten Haupt-Ressourcen abhängig, die unverarbeitet ausgeführt werden. Diese Abhängigkeit macht die afrikanischen Länder gegenüber den Preisschwankungen auf den imperialistischen Finanzschauplätzen, den Börsen, sehr anfällig. Sie sind den rohstoffimportierenden Mächten auf der Welt auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. 3
Afrika produziert bis heute nur ein Prozent der weltweit hergestellten Waren.
In der letzte TROTZ ALLEDEM! haben wir unsere Serie „Fokus Afrika“ mit einem generellen Abriss über diesen Kontinent und seine Ausbeutung durch die verschiedenen imperialistischen Mächte, in fester Zusammenarbeit mit den einheimischen Eliten und herrschenden Klassen, gestartet.
In dieser Nummer beleuchten wir Zentralafrika. Der Begriff Zentralafrika steht für die geographische Region, die wie ein Herz in der Mitte Afrikas liegt. Sie zieht sich von Ländern, grenzend an den Atlantischen Ozean im Westen, Kamerun, Äquatorialguinea, Angola etc. bis tief in die Mitte Afrikas, Kongo, Burundi, etc. 4
Die Staaten Zentralafrikas haben sich in zwei, einander teilweise überschneidenden regionalen Wirtschafts- und Währungsgemeinschaften, der CEMAC und der CEEAC, zusammengeschlossen.
CEMAC: Der 1994 gegründeten Zentralafrikanischen Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft (CEMAC, Communauté Economique et Monétaire de l‘Afrique Centrale) gehören Äquatorialguinea, Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Tschad und die Zentralafrikanische Republik an. Gemeinsame Währung ist der Franc CFA mit einem festen Wechselkurs zum Euro. Sitz der Kommission der CEMAC ist Bangui in der ZAR. CEEAC: Der 1983/84 gegründeten Zentralafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Communauté Economique des Etats d‘Afrique), englisch: ECCAS (Economic Community of Central African States) gehören neben den CEMAC-Staaten außerdem Angola, Burundi, die Demokratische Republik Kongo, São Tomé und Principe an. Ursprünglich gehörte auch Ruanda dazu. Dieses hat sich aber inzwischen der Ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAC) angeschlossen. Sitz der CEEAC ist Libreville in Gabun. Mit dem 10. Treffen der Staatschefs der CEEAC in Malabo 2002 wurde das zentralafrikanisches Parlament REPAC (Réseau des Parlementaires d‘Afrique Centrale) ins Leben gerufen, eine Entschließung zu Sicherheit und Frieden in Zentralafrika verabschiedet sowie eine Kommission für Verteidigung und Sicherheit COPAX (Commission pour la Paix et la Sécurité), eine multinationale Streitmacht für Zentralafrika FOMAC (Force Multinationale de l‘Afrique Centrale) und ein Frühwarnsystem MARAC (Méchanisme d‘Alerte et de Recoupement de l‘Afrique Centrale) beschlossen. |
Zentralafrika ist gleichzeitig auch Teil der CFA-Staaten, ehemalige französische Kolonien. CFA bedeutet Communauté françaises d‘Afrique (Französische Gemeinschaften Afrikas). Zu ihr gehören 14 Länder: Äquatorialguinea, Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Gabun, Guinea Bissau, Kamerun, Kongo-Brazzaville, Mali, Niger, Senegal, Togo, Tschad, Zentralafrikanische Republik.
Zu der krassen Ausbeutung und Unterdrückung der CFA-Staaten durch Frankreich, haben wir in der letzten TROTZ ALLEDEM! bereits Stellung bezogen. (TA, Nr. 65, S. 21)
Der Binnenhandel innerhalb der CEEAC belief sich 2010 auf nur ein Prozent des Gesamthandelsvolumens der beteiligten Staaten. Zum Vergleich: der Binnenhandel der Wirtschaftsgemeinschaften im westlichen und südlichen Afrika (ECOWAS und SADC) liegt bei etwa zehn Prozent.
Zentralafrika ist ein ressourcenreiches Gebiet: Erdöl- und Erdgasvorkommen, Erze und Diamanten. Es ist das zweitgrößte zusammenhängende Tropenwaldgebiet der Erde und eines der weltweit größten Oberflächen-Süßwasserreservoire.
Trotz Wachstum und Ressourcenreichtum ist Zentralafrika von Massenarmut geprägt. Im Sahel, von Mauretanien über Zentralafrika bis zum Horn von Afrika, sind die meisten bewaffneten Konflikte, Kriege und Aufstände des afrikanischen Kontinents.
In Zentralafrika liegen die Länder, die von niedrigem Lebensstandard und hoher Ungleichheit und Korruption gezeichnet sind.
Die Regenwälder werden ohne Rücksicht zur Abholzung genutzt. Daraus ergibt sich eine katastrophale Klimaveränderung (Artensterben, Wasserverknappung, Bodenerosion und Wüstenbildung). Die Menschen können von der Landwirtschaft nicht mehr leben. Das ist auch mit ein Grund für die Fluchtbewegung aus Afrika!
HDI (Human Development Index der Vereinten Nationen) misst die menschlichen Entwicklung. Dazu zählen das pro Kopf Einkommen, die Lebensdauer, Bildung und Lebenserwartung. Die Länder Zentralafrikas (mit Ausnahme von Gabun) belegen hier die letzten Plätze.
Die DR Kongo belegt den letzten Platz, der Tschad Platz 184 (von 186) und die Zentralafrikanische Republik Platz 180. 5
Wirtschaftswachstum in Zentralafrika (2013) 6
Angola: 20,3 Prozent
Äquatorialguinea: 15,4 Prozent
Burundi: 3,7 Prozent
DR Kongo: 6,4 Prozent
Gabun: 2,6 Prozent
Kamerun: 3,3 Prozent
Republik Kongo: 6,9 Prozent
ZAR: 2,9 Prozent
Wenn Wahlen etwas ändern würden…
In Gabun regierte Omar Bongo 40 Jahre lang. Nach seinem Tod kam sein Sohn Ali Bongo Ondimba als quasi-Monarch an die Macht. In Kamerun herrscht Paul Biya seit seiner Machtergreifung vor 32 Jahren mit einer Partei, die seit ihrer Gründung nur einen Parteitag abgehalten hat. Der äquatorialguinesische Staatpräsident Teodore Obiang Nguema kam 1979 durch einen Putsch an die Macht und herrscht seitdem ununterbrochen. In der DR Kongo wurde Joseph Kabila, als Erbe seines ermordeten Vaters, durch eine der teuersten Wahlen auf der Welt – mit Unterstützung der im Lande stationierten UN-Truppe MONUC 7 und einem Budget von über einer Mrd. Dollar – gewählt. Im Tschad wurde Idriss Déby 2011 mit 88,66 Prozent für ein viertes Mandat wiedergewählt (allerdings haben die Oppositionsparteien zum Wahlboykott aufgerufen).
In der Zentralafrikanischen Republik putschte sich Francois Bozizé im März 2003 an die Macht und blieb dort bis er im März 2013 gestürzt wurde. In Angola herrscht Fernando de Piedade dos Santos seit Ende des Stellvertreterkrieges 2002. In Burundi ist Pierre Nkurunziza seit 2005 Präsident und wurde bei den Wahlen 2010 ohne Gegenkandidat im Amt bestätigt. In der Republik Kongo herrscht Oberst D. Sassou-Nguesso seit 1979 mit kurzer Unterbrechung (bei Wahlen wurde der Gegenkandidat gewählt, was dann zum Bürgerkrieg führte).
Die Jagd des internationalen Finanzkapitals nach Rohstoffen, Erdöl, Gas und seltenen Erden hat Afrika in den Fokus genommen. Mit verheerenden Auswirkungen für die Werktätigen und den Kontinent. 7
Da die Ölkonzerne hauptsächlich Arbeitskräfte, Fachpersonal aus den imperialistischen Metropolen in Afrika beschäftigen, schafft der Ölsektor in den Förderländern fast keine Arbeitsplätze. Die Erdölraffinerien, also die Industriebetriebe, die aus dem Rohstoff Erdöl die Verkaufsprodukte herstellen, sind nicht in den afrikanischen Ländern und bringen daher auch keine Arbeitsplätze.
In der EU sind die Standorte der Großraffinerien zum großen Teil in Belgien (Total Antwerpen Raffinerie und ExxonMobil Antwerpen Raffinerie), in Deutschland (Rheinland Raffinerie und MiRO Mineralölraffinerie Oberrhein), in Großbritannien (Stanlow Raffinerie), in den Niederlanden (BP Rotterdam Raffinerie) und in Spanien. 8
In Zentralafrika wird in nächster Zeit nur Angola in der Lage sein, nicht nur Rohöl zu verkaufen, sondern auch im Lande zu verarbeiten. 2008 wurde der erste Vertrag zum Aufbau einer Raffinerie in Lobito unterzeichnet. Seit Ende 2012 wird an der Raffinerie in der Provinz Benguela gebaut, ab 2017 sollen dort 200 000 Barrel Rohöl pro Tag verarbeitet werden. 9
Für die Völker in Zentralafrika bedeutet die Erdölförderung keinerlei Entwicklungs- oder Finanzschub. Im Gegenteil, sie hat katastrophale Folgen für die werktätigen Menschen und die Umwelt: ganze Landstriche, ganze Regionen werden unbewohnbar: das Trinkwasser ist durch Erdöl vergiftet, Felder und Flüsse sind verseucht.
Die Völker haben ihre Lebensgrundlage verloren, können ihre Familien nicht mehr ernähren, die Ernte der Bauern ist vernichtet und der Fischfang in der Region wird unmöglich gemacht. Missbildungen von Kindern und die Krebsrate steigen.
Zum Beispiel in der Zentralafrikanischen Republik: Der US-Konzern Chevron, unter dem Namen Cabinda Gulf Oil Company (CABGOC), hat in der Exklave Cabinda eine Umweltkatastrophe verursacht. Die Strände sind ölverseucht, die Meeresbiotope zerstört.
Exklave Cabinda: Zwischen Cabinda und Angola liegt ein schmaler Streifen der Demokratischen Republik Kongo, die dadurch einen Zugang zum Atlantik hat. Im Norden grenzt Cabinda an die Republik Kongo. In den 1950er Jahren entwickelte sich der antikoloniale Befreiungskampf auch in Cabinda. Die meisten Gruppen schlossen sich 1962 zur Frente para a Libertação do Enclave de Cabinda – Befreiungsfront für die Enklave Cabinda (FLEC) zusammen. 1974 wurde Cabinda von der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU – heute AU) als 39. Staat Afrikas aufgenommen und als zu dekolonialisieren bezeichnet. Allerdings ist Cabinda heute immer noch Teil Angolas. Schließlich hat die Exklave den größten Anteil an der angolanischen Erdölproduktion. Cabindas Ölproduktion macht 80 Prozent des angolanischen Finanzhaushaltes aus. In der Landwirtschaft werden für den Export vor allem Kaffee, Kakao, Palmöl und Edelhölzer produziert. (de.wikipedia.org/wiki/Cabinda) |
In den Ölförderländern haben große Teile der Bevölkerung oft noch nicht einmal elektrisches Licht, während die Metropolen nachts im Licht erstrahlen und unnötig Energie verschleudern.
In den Förderländern sind viele Völker in ihren Dörfern nicht mobil, während anderswo durch den Individualverkehr Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) zur Erderwärmung beitragen. Öl ist weltweit die begehrteste Energie und produziert jährlich rund 10 Mrd. Tonnen CO2, das entspricht etwa 42 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes. 10
Die Ölkonzerne, wie ExxonMobil, Shell, PetroChina, Rosneft, BP und Total sowie fast alles, was auf dem internationalen Ölmarkt Rang und Namen hat, erzielen milliardenschwere Gewinne. Selbst der Tribut, den die Konzerne an die herrschenden Eliten in den afrikanischen Ländern zahlen, wie an Obiang in Äquatorialguinea und Dos Santos in Angola, sind immer noch Peanuts im Vergleich zu dem Extraprofit, den sie für sich selbst herausschlagen.
ExxonMobil, aus den USA, verursachte in Alaska 1989 eine Ölpest (Exxon Valdez) und eine der verheerendsten Umweltkatastrophen. Das ist der weltweit größte börsennotierte Ölkonzern und spülte 2012 einen Reingewinn von 44,9 Mrd. US-Dollar ein. Royal Dutch Shell, niederländisch-britischer Konzern, erbeutete 27,1 Mrd. US-Dollar.
Die seit Jahrzehnten laufende Ausbeutung der riesigen Ölvorkommen im westafrikanischen Nigeria durch Shell richtet schwerste Umweltschäden an.
Chevron, mit Sitz in den USA und Brasilien, machte einen Gewinn von 26,2 Mrd. US-Dollar. Der chinesische Mineralölriese PetroChina fuhr einen Reingewinn von 18,5 Mrd. US-Dollar ein. Total, der französische Mineralölkonzern, 14,1 Mrd. US-Dollar und BP aus Großbritannien 11,8 Mrd. US-Dollar. 11
Angola produzierte 2012 pro Tag 1 840 000 Barrel und soll Reserven von 13,5 Mrd. Barrel haben. 12 In Äquatorialguinea werden riesige Ölvorkommen mit einem Marktwert von ca. 160 Mrd. US-Dollar vermutet. 13 Im Tschad wurden in den 1970er Jahren Ölvorkommen entdeckt, die seit 2003 gefördert und über die Tschad-Kamerun-Pipeline zur Atlantik-Küste befördert werden. 14
Der Golf von Guinea verfügt über geschätzte Ölreserven von rund 24 Mrd. Fässern, wovon etwa vier Mrd. auf São Tomé und Principe entfallen. Das ergibt beim derzeitigen Preis pro Barrel (2013) einen Marktwert von 160 Mrd. Dollar oder ungefähr 200 Jahre Erdölreserven. 15

Äquatorialguinea – Unsagbarer Reichtum – Unendliche Armut
Äquatorialguinea wurde Oktober 1968 unabhängig und Francisco Macias Nguema (der Alte) wurde Präsident. Im Frühjahr 1969 kam es zu Aufständen, die das Regime mit blutigem Terror beantwortete. Viele der unterdrückten Bubi (Volksgruppe), die bis dahin 20 Prozent der Bevölkerung ausmachten, mussten fliehen, Zehntausende wurden ermordet.
Dieser kleine Staat mit etwa 686 000 bis 1 622 000 EinwohnerInnen 16 ist mit seinen Inseln etwa so groß wie Brandenburg. Malabo, die Hauptstadt des Landes, liegt auf der Insel Bioko. Auf dem Festland liegt das quadratisch abgezirkelte Gebiet Mbini zwischen Kamerun und Gabun. Die zweitgrößte Insel Annobón liegt 503 km südwestlich vor Mbini.
Das Regime von Präsident Teodoro Obiang Nguema Mbasogo (der Neue) kam 1979 durch einen Putsch an die Macht und herrscht ununterbrochen seit über 25 Jahren. Obiang ist „dienstältestes Staatsoberhaupt“ in Afrika und absolutistischer Diktator. In völlig undemokratischen Wahlen 2013 hat er sich wieder mit absoluter Mehrheit ausstatten lassen.
Die „Trauminsel“ Annobón verwandelte Diktator Obiang für seine imperialistischen Oberherrn zum Höllenschlund: Schon 1988 gewährte er dem britischen Buckinghamshire-Konzern 10 Tonnen Giftmüll auf der Insel zu entsorgen. Im gleichen Jahr erhielt die amerikanische Axim Consortium Group die Lizenz rund sieben Millionen Tonnen Nuklearmüll zu vergraben. Dafür zahlen sie jährlich 200 Mio. US-Dollar an den äquatorialguinesischen Staat.
Die Insel ist ökologisch völlig zerstört. Die Fauna stirbt ab, weil das Grundwasser verseucht ist. Die in bitterer Armut lebende Bevölkerung leidet unter schlimmsten Krankheiten, die auch durch die atomare Verstrahlung bedingt sind.
Seitdem 1991 große Erdöl-Lagerstätten vor der Küste Biokos und vor dem Festland entdeckt wurden, ist die Wirtschaft rasant gewachsen. 1997 wuchs das BIP pro Kopf um 65,8 Prozent, 58,4 Prozent in 2001 und 33,9 Prozent in 2004. Seit 2006 sinkt es jedoch.
Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von über 24 000 US-Dollar pro Jahr ist Äquatorialguinea das reichste Land Afrikas 17, das entspricht dem durchschnittlichen Reichtum Saudi-Arabiens und nähert sich dem europäischen Durchschnitt. Es ist 25mal höher als das Pro-Kopf-Einkommen in Kenia und Senegal und liegt weltweit auf Platz 42.
Gleichzeitig lag der Anteil der Bevölkerung unter der Armutsgrenze 2001-2012 bei 76,8 Prozent, was weltweit mit am höchsten ist. Die milliardenschweren Einnahmen aus dem Export von Öl und Gas wandern vor allem in die Taschen einer kleinen Elite von Kompradoren. Mit einem Privatvermögen von 600 Mio. Dollar ist Präsident Obiang nach Angaben des Forbes Magazine einer der reichsten Staatschefs der Welt. 18
Die offizielle Erwerbslosenquote im Jahr 2009 belief sich auf 22,3 Prozent auf dem Index der menschlichen Entwicklung (HDI) belegt das Land den 136. Platz (von 187 Staaten). 19
Äquatorialguinea ist nach Nigeria und Angola der drittgrößte Ölproduzent südlich der Sahara. ExxonMobil und Texaco fördern hier Öl. Beide Konzerne sind eng mit der Familie des Präsidenten Obiang befreundet.
Sogar der IWF hatte 2001 einen teils kritischen Bericht über Äquatorialguinea vorgelegt, den er später aus politischen und wirtschaftlichen Interessen der USA relativierte. Die USA wollen in dem Inselstaat nicht nur ein Konsulat eröffnen, sondern auch ihre Militärstützpunkte ausbauen.
Angola – Neokolonialer Koloss
Die ersten portugiesischen Seefahrer kamen bereits 1482 nach Angola. Ein Jahr später wurden portugiesische Handelsposten an der Küste errichtet. Das ist der Beginn der Kolonisation. Die systematische Eroberung und Besetzung des Landes begann Anfang des 19. Jahrhunderts und war Mitte der 1920er Jahre abgeschlossen.
Die Kolonialmacht Portugal war von 1926 bis zur Nelkenrevolution 1974 von einer faschistischen Diktatur regiert. In den 1950er Jahren begann sich ein antikolonialer Widerstand zu formieren, der 1961 in einen bewaffneten Befreiungskampf aufflammte. Dreizehn Jahre dauerte der Krieg für die Unabhängigkeit. Es folgte ein 27 Jahre anhaltender Stellvertreterkrieg. In diesem Krieg unterstützten die revisionistische Sowjetunion und Kuba die MPLA (Volksbewegung für die Befreiung Angolas); die Westmächte (allen voran die USA, aber auch Apartheid-Südafrika und Uganda) standen auf der Seite der UNITA (União para a Independência Total de Angola – Union für die völlige Unabhängigkeit Angolas). Die UNITA kontrollierte die Gebiete mit den großen Diamantvorkommen, während die Regierung den Krieg mittels Öleinnahmen finanzierte.
Die Eroberung der Schürfgebiete für Diamanten und die internationale Isolierung und Sanktionen gegen die UNITA führten schließlich dazu, dass sie unterlag. 2002 endete der Krieg mit fast einer Million Toten, Armut und Elend. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen gab es mehr als 4 Mio. Vertriebene, die Hälfte davon Kinder. Zusätzlich darbten etwa 450 000 Flüchtlinge in den Nachbarländern, von denen viele in teilweise durch Landminen verseuchte Gebiete (im Süden des Landes) zurückkehrten. Im Februar 2002 wurde die UN-Mission (United Nations Mission in Angola – UNMA) abgezogen und im Dezember Fernando de Piedade dos Santos als Premierminister eingesetzt. 1973, mit den Ölfunden vor Cabinda begann der imperialistische Ölboom. Hier lagern ca. 60 Prozent der angolanischen Ölreserven.
Ein gutes Jahrzehnt später ist Angola eine mittlere, vom Imperialismus abhängige Macht mit nachgewiesenen Ölreserven von mehr als 10 Mrd. Barrel und nach Nigeria der zweitgrößte Öllieferant im Afrika südlich der Sahara. 48 Mrd. Euro erzielte Angola 2012 mit Ölausfuhren. (Die Zeit, 18.04.2013, S. 11)
Das Land ist reich auch an anderen Bodenschätzen. Diamanten sind nach Öl der zweitwichtigste Rohstoff, gefolgt von Kaffee, Eisenerz, Mangan, Kupfer, Uran, Phosphate und Salz. Trotz der riesigen Erdöl- und Diamantenexporte wird geschätzt, dass im gesamten Mineralsektor nur knapp 2,38 Prozent der Werktätigen arbeiten. Mit knapp 340 000 Beschäftigten gilt der öffentliche Sektor als der wichtigste Arbeitgeber. 20
Etwa 85 Prozent der arbeitenden Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig, obwohl nur 2,4 Prozent der Gesamtfläche Angolas Ackerland sind. 21
Viele Menschen arbeiten im informellen Sektor (Schattenwirtschaft) oder versuchen auf dem Land das Nötigste zum Überleben anzubauen. Die Erwerbslosigkeit ist besonders unter den jungen AngolanerInnen extrem hoch. Der Anteil der Landwirtschaft am BIP macht 10,1 Prozent aus, 25,1 Prozent die Dienstleistung und 64,8 Prozent die Industrie. 22
Zur Bevölkerung Angolas gibt es keine gesicherten Zahlen. Die Vereinten Nationen schätzten die Zahl im Jahre 2012 auf weit über 20,6 Millionen. 23
Mit einem Bruttosozialprodukt von über 20 Mrd. US-Dollar ist Angola nach Südafrika und Nigeria die drittgrößte Volkswirtschaft Afrikas. 24
Und dennoch lebt über die Hälfte der angolanischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Zwei Drittel der Bevölkerung muss von weniger als 2 US-Dollar pro Tag leben. Luandas Elendsviertel, die Musseques, gehören zu den grauenvollsten in ganz Afrika. Es fehlt an Zugang zu sauberem Trinkwasser, Krankenhäusern und einer ärztlichen Grundversorgung. Es gibt kaum Schulen. (Die Zeit, 18.04.2013, S. 11)
Die hohe Inflationsrate (7,84 Prozent im Januar 2014) drückt die Löhne und die Lebenshaltungskosten steigen. 25
Der Gini-Index, der die Einkommensunterschiede in einem Land misst, weist Angola den immens hohen Wert von 58,6 zu. 26
Einen höheren, schlechteren Wert haben weltweit nur noch Haiti, die Zentralafrikanische Republik, Sierra Leone, Botsuana, Lesotho, Südafrika und Namibia. 27
Imperialistische Ausplünderung
Die Exporte Angolas sind fast ausschließlich auf Erdöl und Diamanten konzentriert. Die Exporte betrugen bereits im ersten Quartal 2012 etwa 18 Mrd. US-Dollar, ein Anstieg um 23,3 Prozent (2011: 65,9 Mrd. US-Dollar, 2010: 52 Mrd. US-Dollar).
China ist mit 48 Prozent Hauptabnehmer angolanischer Exporte. 2011 waren es nur 37 Prozent. Indien ist mit 10,6 Prozent, (2011: 10 Prozent) zweitwichtigster Abnehmer. Die USA, einst größter Handelspartner, ist mit 10,5 Prozent (2011: 16 Prozent) auf den dritten Platz zurückgefallen. Die meisten Importe kamen 2012 mit 20,3 Prozent aus Portugal 28 (2011: 17 Prozent). Auch hier holt China auf. 2011 importierte Angola 9 Prozent aus China, 2012 waren es bereits 17,6 Prozent. Die USA exportierten 9,5 Prozent nach Angola, (2011: 8 Prozent). Brasilien hat unglaublich schnell zugelegt und lag 2012 gleichauf mit den USA (2011: 6,8 Prozent).
Weitere Hauptlieferländer sind: Südafrika, Frankreich, Großbritannien und Indien. 29
Handel mit China:
Trotz Ausplünderung Angolas durch englische, deutsche, französische und US-amerikanische Konzerne, hat sich China seit 2012 zum größten Handelspartner Angolas entwickelt. Angola ist Chinas zweitgrößter Handelspartner in Afrika. Das Handelsvolumen betrug in den ersten sieben Monaten 2012 17 Mrd. Euro, eine Steigerung von 52,7 Prozent. Fast die Hälfte aller angolanischen Exporte gehen nach China. Seit Mai 2006 ist Angola größter Öllieferant Chinas und China größter Abnehmer angolanischen Öls mit einem Marktanteil von 33 Prozent (2012). Der Umsatz mit anderen Imperialisten, wie USA, Kanada und Frankreich geht immer weiter zurück. 30
China investiert und baut in Angola Straßen, Bahnstrecken und Gebäude und erhält im Gegenzug vor allem Rohöl. China kauft sich mit günstigen Krediten ein. Allerdings werden die Bauarbeiten für Infrastrukturprojekte durch chinesische Baufirmen mit chinesischen Arbeitskräften ausgeführt und sollen durch künftige Öllieferungen zurückgezahlt werden. So hat China in Angola langjährige Konzessionen für die Ölförderung erhalten. In anderen Sparten stellen die chinesischen Multis mittlerweile angolanische ArbeiterInnen zu Hungerlöhnen ein.
Russische Plünderer:
Die VTB, Russlands zweitgrößte Bank, wickelt seit fünf Jahren in Angola Finanzgeschäfte ab. Angola wurde eine Kreditzusage in Höhe von zwei Mrd. Dollar gegeben. Ihnen wurde schon früher ein Kredit über eine Mrd. Dollar zugestanden. 31
Das Investitionsprojekt „Wasserkraftwerk Capanda“, von 110 Mio. US-Dollar, wird von Technopromexport Russland durchgeführt. 32
Brasilien auf dem Sprung:
Auch Brasilien hält gute Kontakte zu Angola, traditionell auch wegen der gemeinsamen Sprache Portugiesisch, aber nicht nur deswegen: Brasilien bewirbt sich um einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat, da sind gute Kontakte nach Afrika wichtig, um Mehrheiten für eine Reform der Vereinten Nationen zu erreichen. Die halbstaatliche Petrobras produziert Erdöl und das Unternehmen Odebrecht baut Straßen und Bürogebäude. 33
Eine Zucker-Bioenergieanlage, ein Investitionsprojekt im Wert von 220 Mio. US-Dollar, wird von dem Joint Venture Angola-Brasilien durchgeführt. 34
Deutschland – auf dem Vormarsch:
Angola ist seit 2007 nach Südafrika und Nigeria der drittwichtigste Abnehmer deutscher Waren in Subsahara-Afrika. Das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und Angola hat sich in den letzten sechs Jahren verzehnfacht. Allerdings im Vergleich mit China oder den USA liegt der Handel auf sehr geringem Niveau – bei jährlich etwa 800 Mio. Euro. Natürlich sind die USA und China selbst riesige Länder. Aber auch im Vergleich innerhalb der EU liegt der Handel Deutschlands mit Angola noch zurück. Das Exportvolumen der EU-Länder nach Angola betrug 2012 insgesamt 6,2 Mrd. Euro, davon Deutschland mit 360,6 Mio. Euro. Das Importvolumen der EU-Länder aus Angola betrug 7,1 Mrd. Euro, Deutschland 265,4 Mio. Euro. Die meisten EU-Exporte Angolas gingen nach Italien (3,5 Prozent der Gesamtexporte), Frankreich (3,1 Prozent) und Portugal (2,8 Prozent). Erst dann folgt Deutschland (2,1 Prozent). Importe aus der EU nach Angola kamen 2012 überwiegend mit 20,3 Prozent aus Portugal. Dann folgen Frankreich (5,1 Prozent der Gesamtimporte) und Großbritannien (3,7 Prozent). Hier liegt Deutschland noch zurück, auch wenn die Exporte im Vergleich zum Vorjahr um 55 Prozent gestiegen sind. 35
Deutschland liefert vor allem Maschinen, Eisen und Stahl, Elektronik, Elektrotechnik und KfZ, die Einfuhren bestehen zu 99 Prozent aus Erdöl.
Der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen betrug 2010 etwa 11,8 Mrd. US-Dollar, der Anteil von deutschen 47 Mio. Euro. Seit Juni 2010 wurde ein Delegiertenbüro der deutschen Wirtschaft in Luanda eröffnet, um deutsche Investitionen in Angola zu fördern. 17 deutsche Firmen haben Niederlassungen in Angola (Volkswagen, Commerzbank, Lufthansa etc.) 36
Anlässlich des Besuchs der Bundeskanzlerin in Angola 2011 vereinbarten Merkel und Angolas Präsident dos Santos eine „Strategische Partnerschaft“. Vom 4. bis 7. Juni tagte zum fünften Mal das Deutsch-Angolanische Wirtschaftsforum in der angolanischen Hauptstadt Luanda. Das Treffen wurde vom Afrika-Verein der Deutschen Wirtschaft sowie vom Delegiertenbüro der Deutschen Wirtschaft organisiert.
Es versteht sich als Plattform für die Förderung der deutsch-angolanischen Handels- und Investitionsbeziehungen. 50 Unternehmer aus Deutschland und rund 200 Vertreter aus Angola vereinbarten Geschäfte und berieten über Investitionsmöglichkeiten in den Bereichen Bau, Infrastruktur, Agrarwirtschaft und Energieversorgung.
Ein deutsches Rüstungsgeschäft mit der Kriegsmarine Angolas wurde in den Medien angesprochen, später wurde nicht weiter darüber informiert. Mit dem Hinweis Rüstungsgüter sind nur dann zu deklarieren, wenn sie unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen. 37

Burundi – Bürgerkriege und Putsche
Bis Ende des ersten Weltkrieges war Burundi zusammen mit Ruanda deutsche Kolonie (Deutsch-Ostafrika) und wurde dann belgisches Mandatsgebiet. Seit der Unabhängigkeit 1962 entwickelte sich eine extrem ungleiche Machtverteilung.
In Burundi leben etwa 85 Prozent Angehörige der Hutu-, 14 Prozent Tutsi- und 1 Prozent Twa-Ethnie. Dennoch bildet nach wie vor die Ethnie der Tutsi die dominierende Oberschicht.
Im Zuge der „Teile-und-Herrsche-Politik“ der belgischen Kolonialmacht, des Ausspielens der verschiedenen Ethnien gegeneinander, erhielten die Tutsi bessere Bildungschancen und wurden in Armee und Verwaltung eingesetzt. Nach der Unabhängigkeit 1962 veränderte sich das nicht.
Das Hutu-Volk blieb als arme Bauern ohne Chancen. Eine erste Rebellion der Hutu wurde im Jahr 1965 brutal niedergeschlagen. 1966 übernahm das Militär die Macht. Zwischen 1966 und 1993 regierten jeweils drei Militärchefs des Tutsi-Volkes nach Staatsstreichen. 1972 kam es zu grausamen Massakern an der Hutu-Ethnie und zu einer massiven Fluchtbewegung nach Tansania. 1993 wurde Melchior Ndadaye zum neuen Staatspräsidenten gewählt, der überwiegend von der Hutu-Ethnie unterstützt wurde. Im Oktober 1993 erfolgte ein Putschversuch eines Teils des Tutsi-Militärs und Ndadaye wurde ermordet. Kurz darauf brach ein Bürgerkrieg der Hutu-Bevölkerung gegen die Regierung aus. Im Juli 1996 übernahm der Tutsi-General Buyoya in einem erneuten Militärputsch die Macht. Im 10-jährige Bürgerkrieg wurden etwa 300 000 Menschen getötet und noch viel mehr flohen.
Nach der Verfassung von 2005 wurde eine prozentuale Vertretung, entsprechend dem Bevölkerungsanteil der Ethnien, im Parlament festgelegt. 2010 wurde Pierre Nkurunziza von der CNDD-FDD (Conseil National pour la Défense de la Démocratie – Forces Nationales de Libération) zum Präsidenten gewählt.
2011 eskalierte der Konflikt erneut und hält bis heute an. Dabei geht es vor allem um die Landrechte für die zurückkehrenden Flüchtlinge. Burundi ist unter den 10 ärmsten Ländern der Welt. 81 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, mit weniger als 1,25 Dollar am Tag. 62 Prozent der Menschen sind chronisch unterernährt. 38
Hungeraufstände werden mit massiven Repressionen niedergeschlagen. Lediglich 1 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu Elektrizität. Zudem ist das Wirtschaftswachstum sehr gering (etwa 3,7 Prozent), die jährliche Inflationsrate beläuft sich aktuell auf ca. 11,7 Prozent. Burundi weist außerdem eines der niedrigsten Pro-Kopf-BSP weltweit auf (155 US-Dollar). 39
Die Hauptursache für die ethnischen Konflikte ist, wie in so vielen Ländern Afrikas, die gewaltsame, brutale und vollkommen willkürliche Grenzziehung der imperialistischen Kolonisatoren im 19. und 20. Jahrhundert. Mit Schwert, Blut und Gewehr wurden Länder „erschaffen“. Grenzen, die nicht aus historischen, sozialen und politischen Gegebenheiten entstanden, wurden mit dem Lineal gezogen. Die Gier der weißen, europäischen Herrscher nach Sklaven, nach Rohstoffen, nach Reichtum und die Konkurrenz der imperialen Mächte untereinander, bestimmten die Kolonial- und Staatsgrenzen. In den antiimperialistischen Unabhängigkeitskämpfen der 1950er und 1960er Jahre konnte dieses Korsett des Kolonialismus nicht gesprengt werden.
Mit der Vorherrschaft des Neokolonialismus in den neu gebildeten afrikanischen Staaten brodelten die nationalen, ethnischen und religiösen Konflikte weiter. Sie wurden nicht gelöst. Heute sind sie im imperialistischen Geschacher der Großmächte um den afrikanischen Kontinent ein Faustpfand. Je nach Konjunktur wird es eingesetzt. Religiöse, nationale und ethnische Widersprüche werden angeheizt, Kriege provoziert und Massenmorde initiiert. Und das mit dem Ziel, die anderen imperialistischen Konkurrenten auszuschalten und jeweils die afrikanischen Kompradoren an die Staatsmacht zu bringen, die ihre Interessen vertreten.
Gabun – eines der reichsten Länder Zentralafrikas
Am 17. August 1960 erlangte Gabun die Unabhängigkeit von Frankreich. Der zweite Präsident Omar Bongo wurde „mit Hilfe“ Frankreichs 1967 installiert. Frankreich ging in seinen ehemaligen Kolonien nahtlos zum Neokolonialismus über. Der erste Besuch nach dem Antritt von Staatspräsident Sarkozy galt Gabuns Präsident Bongo. Mittlerweile herrscht seit 2009 Ali Bongo Ondimba, der Sohn des verstorbenen Präsidenten. Frankreich hat auch diesen Präsidenten ins Amt gehievt. Nach den Wahlen setzten Demonstranten das Konsulat Frankreichs aus Protest in Brand.
Gabun ist einer der rohstoffreichsten Staaten Afrikas mit enormen Erdölvorkommen vor der Küste. Außerdem ist Gabun reich an Mangan, Gold, Eisenerz, Wasserkraft, Tropenholz und Uran mit einem geschätzten Marktwert von 1 100 Mrd US-Dollar (2009). 40
82 Prozent seiner Exporteinnahmen entfallen auf Rohöl und Erdölprodukte. Mangan ist nach Erdöl und Holz das drittwichtigste Exportgut. 41
Gabun exportiert, wie Äquatorialguinea, hauptsächlich nach Japan (24,1 Prozent), 17 Prozent in die USA, Australia, Indien und China mit 5,4 Prozent (2012) 42 und importiert Waren aus Frankreich 28,2 Prozent, China 12,6 Prozent, USA 9,4 Prozent, Belgien 5,8 Prozent und Kamerun 4,3 Prozent (2012). 43
Die relativ kleine Bevölkerung, die riesigen Rohstoffvorkommen und die Investitionen des Auslands machen Gabun zu einem der wenigen aufsteigenden Staaten Afrikas. Das Bruttosozialprodukt beträgt mehr als 7,2 Mrd. US-Dollar, pro Person 6 306 US-Dollar. Mehr als dreimal soviel wie Angola und mehr als das 65 fache der DR Kongo.
Gabun ist somit eines der reichsten Länder Subsahara-Afrikas. Aber die Verteilung ist extrem ungleich. Ein Zehntel der Bevölkerung Gabuns, die herrschenden Klassen, verbrauchen 90 Prozent des BIP. 44
Kamerun
Am 14. Juli 1884 schloss der deutsche Generalkonsul Gustav Nachtigal Schutzverträge mit regionalen Herrschern ab und proklamierte die so genannte deutsche „Schutzherrschaft“ über Kamerun als Deutsche Kolonie. Nach dem 1. Weltkrieg ging Kamerun durch den Versailler Vertrag in den Besitz des Völkerbundes über, der wiederum ein Mandat zur Verwaltung Kameruns an Großbritannien und Frankreich vergab. Es kam zur Aufteilung, bei der Frankreich vier Fünftel erhielt. 45
Seit der Unabhängigkeit Kameruns am 1. Januar 1960 ist das Überleben des Präsidenten an die Unterstützung Frankreichs gekoppelt. Der erste Präsident, Ahmadou Ahidjo, wurde wohlwollend als „Ami de la France“ bezeichnet, im eigenen Land als Marionette. Seit 1982 regiert Präsident Paul Biya. Kamerun gehört mit zu den korruptesten Ländern Afrikas: von 187 Ländern belegt Kamerun Platz 146.

Tschad
Auf dem Gebiet des heutigen Tschad existierten vor der französischen Kolonialisierung kaum politisch zusammenhängende Strukturen. Der Norden war eher muslimisch geprägt, das Klima trocken und dürr. Im Süden lebten eher AnhängerInnen animistischer Religionen. Die Böden dort sind fruchtbar. Dies führte nach der Kolonialisierung zu einer Unterscheidung in den „nützlichen“ Tschad (le Tchad utile) im Süden und den als für die ökonomische Ausbeutung unwichtig erachteten Rest. Daher wurde nur der Süden, sowohl wirtschaftlich als auch bildungspolitisch, von den französischen Kolonialherren entwickelt.
Seit der Unabhängigkeit 1960 folgte ein Putsch auf den anderen: 1966 gründete sich die tschadische FROLINAT (Front national de libération du Tchad – Nationale Befreiungsfront des Tschad) im sudanesischen Exil und begann einen bewaffneten Kampf. Frankreich intervenierte und konnte Tombalbaye an der Macht halten. Libyen, Algerien und Sudan unterstützten die FROLINAT. 1973 besetzte Libyen den Aouzou-Streifen (Gebiet im nördlichen Teil vom Tschad). Zwischen 1978 und 1987 kam es zu einer Reihe von Kämpfen zwischen der libyschen und tschadischen Armee, die zwar als Libysch-Tschadischer Grenzkrieg bezeichnet wurden. In Wahrheit ging es Gaddafi und seinen imperialen Oberherren wie Russland aber darum, die Kontrolle über den Aouzou-Streifen abzusichern. Frankreich sollte aus dem Tschad vertrieben und der Tschad als Basis genutzt werden, um Gaddafis Einfluss auf Zentralafrika auszudehnen.
1982 kam Hissene Habré an die Macht. Er gründete den Geheimdienst DDS (Direction de la Documentation et de la Sécurité), der im Laufe der Jahre mehr als 50 000 Gefangene misshandelt und 40 000 Menschen umgebracht haben soll.
1989 putschte sich Idriss Deby an die Macht. Dabei wurde er von der Regierung im Sudan, aber auch von Frankreich und Libyen unterstützt. In der Zeit von Oktober 1991 bis Juni 1992 wehrte er insgesamt drei Putschversuche ab, mit direkter Unterstützung durch die französische Armee.
Im wenig besiedelten Osten des Landes agieren verschiedene Söldner-Gruppen, die größtenteils von der sudanesische Regierung unterstützt werden. Die sudanesische Strategie zur Destabilisierung des Tschad ist eine Reaktion auf die tschadische Unterstützung für Rebellengruppen in Darfur. Frankreich erzwang die UN-Mission MINURCAT 46 im Ost-Tschad. Diese bestand zum Großteil aus französischen Soldaten.
Anfang Februar 2008 versuchten verschiedene Gruppen Deby zu stürzen, der jedoch durch französische (französisch dominierte EUFOR) und libysche Unterstützung an der Macht gehalten wurde. Der Tschad ist eines der korruptesten Länder weltweit und liegt auf Platz 171 (von 178). 47
2003 wurde die Ölförderung im Tschad aufgenommen und ein Kredit der Weltbank für den Bau einer Pipeline nach Kamerun gewährt. Ein Konsortium bestehend aus ExxonMobil (40 Prozent), ChevronTexaco (25 Prozent) und der malaysischen Petronas (35 Prozent) fördert Öl im Tschad und pumpt es durch die Pipeline über Kamerun an den Golf von Guinea. 48
Um Einfluss in dem ölreichen Land kämpfen derzeit China, Frankreich und die USA mit unterschiedlichen Mitteln.
Die USA auf militärischem Weg: Die tschadische Armee erhält Ausbildungs- und Ausstattungshilfe von den USA. Offiziell im Rahmen für den „Krieg gegen den Terror”, um diese auf den Kampf gegen „islamistische Extremisten“ vorzubereiten. Das Oberkommando der AFRICOM soll im Tschad stationiert werden. Auf wirtschaftlichem Gebiet ist die USA Hauptabnehmerin tschadischer Exporte mit 81,9 Prozent, weit voraus vor allen anderen Ländern, gefolgt von China mit nur 6,7 Prozent (2012).
Allerdings liegt China bei den Importen mit 20,2 Prozent weit vor den USA mit 4,2 Prozent (dazwischen: Kamerun (18,2 Prozent), Frankreich (16,1 Prozent), Saudi-Arabien (5,6 Prozent) 2012). 49
China machte im August 2006 millionenschwere Kreditzusagen, einzige Bedingung war die Nichtanerkennung Taiwans durch den Tschad. Dafür bekam China Konzessionen im Ölsektor. Frankreich versucht seinen fortschreitenden Bedeutungsverlust durch seine dort stationierten Soldaten aufzuhalten.

São Tomé und Principe – Inselstaat
1572 wurde São Tomé und ein Jahr später Principe der portugiesischen Krone unterstellt. Am 12. Juli 1975 wurden beide unabhängig. 44 Prozent aller EinwohnerInnen leben heute in Städten. Die Dienstleistung macht 58 Prozent (vor allem Tourismus), die Industrie 19 Prozent (Hemden, Seife, Bier, Fische und Krabben und Palmöl) und die Landwirtschaft 23 Prozent der Wirtschaft aus. 50
2012 wurden Waren im Wert von 11,7 Mio. US-Dollar exportiert. Hauptexportprodukt ist Kakao, gefolgt von Kokosnüssen, Kopra, Zimt, Pfeffer, Kaffee, Bananen, Bohnen, Vanille und Geflügel. Hauptabnehmer ist die Niederlande mit 32,7 Prozent, Belgien mit 21,4 Prozent, Spanien mit 10,8 Prozent, Nigeria mit 5,7 Prozent und die USA mit 5 Prozent.
Importiert wurden Waren im Wert von (geschätzt) 122 Mio. US-Dollar, wovon aus Portugal 63 Prozent und aus Gabun 6 Prozent kamen. 2014 lag das Brutto-Nationaleinkommen von São Tomé bei 1800 US-Dollar/EinwohnerIn. Der Anteil der Bevölkerung unter der Armutsgrenze (2006-2012) lag bei 66,2 Prozent. Die Inflationsrate lag 2012 bei 10,4 Prozent.
Die Auslandsverschuldung betrug 2002 0,3 Mrd. US-Dollar. 51
In der Tiefsee um São Tomé und Principe wurde 2006 Erdöl von bis zu einer Mrd. Barrel nachgewiesen, 52 wovon etwa vier Mrd. Fässer Öl auf São Tomé und Principe entfallen mit einem Marktwert von 160 Mrd. Dollar oder 200 Jahre Ölreserven. 53
Die USA planen hier eine Marinebasis zu errichten. Denn die Westküste Afrikas hat für die Großmacht unschätzbare Vorteile, da sie direkt zugänglich ist. Die Expansion von China in dieses Gebiet ist noch nicht weit vorangeschritten: São Tomé und Principe ist einer der wenigen Staaten, die nicht die Volksrepublik China, sondern die Republik China auf Taiwan völkerrechtlich anerkennen.
Zentralafrikanische Republik (ZAR)
Ende des 19. Jahrhunderts erreichten die Europäer das Gebiet der heutigen Zentralafrikanischen Republik und teilten es auf der Berliner Konferenz unter sich. Frankreich wollte seine Kolonien bis zur Ostküste Afrikas ausweiten, scheiterte jedoch am Widerstand Großbritanniens. Frankreich erhielt das Gebiet der heutigen ZAR und vergab großzügige Konzessionen an Privatfirmen, die die Bevölkerung mit grausamsten Methoden ausbeuteten und unterdrückten.
Die Kolonialisierung dieses Gebiets ist die brutalste in der blutigen Geschichte des französischen Imperiums. Der neokoloniale Einfluss Frankreichs nach Ende der Kolonialisierung äußert sich darin, dass es in der Geschichte des Landes bislang keinen Regierungswechsel gab, der ohne die Zustimmung oder gar aktiven Einmischung Frankreichs stattgefunden hat.
Als Präsident wurde 1960 der Frankreich genehme David Dacko eingesetzt. Frankreich installierte eine Reihe politischer Berater auf Schlüsselpositionen in der neuen Regierung. Jean-Claude Mantion, ein Mitarbeiter des französischen Geheimdienstes, Direction Générale de la Sécurite Exterieure (DGSE), wurde zu Dackos persönlichem Berater und kontrollierte weitgehend die Regierungsgeschäfte. 1966 wurde Dacko von seinem Cousin Jean-Bédel Bokassa (mit französischer Unterstützung) weggeputscht.
1976 ließ er sich zum Kaiser Bokassa I. ausrufen. Das Land wurde umbenannt in Zentralafrikanisches Kaiserreich.
Das Kaiserreich war wegen seiner Uranlieferungen für das französische Atomprogramm zentral wichtig. Die Uranvorkommen brachten Bokassa aber auch die Unterstützung der USA ein.
Das Regime Bokassas war von unbeschreiblicher Brutalität; Folter und Hinrichtungen waren an der Tagesordnung. 1980 wurde er mit Hilfe Frankreichs weggeputscht. (junge Welt, Thema 24.08.2013)
1993 wurde Patassé gewählt. Die im März 1998 beschlossene UN-Mission des Nations Unies pour la Centrafrique (MINURCA) wurde nach Neuwahlen im Frühjahr 2000 wieder abgezogen.
Mithilfe der unweit der ZAR operierenden kongolesischen Gruppe Mouvement pour la libération du Congo (MLC) von Jean-Pierre Bemba und der von Libyen entsendeten „Friedens”truppe, der von Ghaddafi gegründeten Gemeinschaft der Sahel-Saharanischen Staaten (CEN-SAD), konnte sich Patassé an der Macht halten.
Die MLC wickelte einen Großteil ihrer illegalen Geschäfte über die Zentralafrikanische Republik ab und war daher an guten Beziehungen zur Regierung interessiert. Die Zentralafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft CEMAC (allen voran Frankreichs Marionetten) forderte den Abzug der CEN-SAD Truppen und installierte 2002 die Mission FOMUC (Force multinationale en Centrafrique).
Im März 2003 wurde Patassé, der zu sehr mit Libyen liebäugelte, von Bozizé (mit Hilfe des Tschads und Frankreichs) weggeputscht. Um die Abhängigkeit von Frankreich und dem Tschad abzubauen, vereinbarte Bozizé Mitte 2007 ein Abkommen über Militärhilfe im Wert von insgesamt 50 Mio. US-Dollar mit Südafrika, das Bozizé Berater an seine Seite stellte. Die Erdölindustrie wurde im April 2007 privatisiert und die Total AG, als Hauptaktionärin, verlor ihren unumschränkten Zugriff.
Seit 2006 kam es zu verschiedenen Aufständen. Im März 2013 wurde Bozizé von dem Bündnis Séléka gestürzt. Das Bündnis besteht aus Janjaweed-Milizen aus Darfur, Truppen der demokratischen Front des Zentralafrikanischen Volkes (FDPC) und Truppen der Union Demokratischer Kräfte für die Sammlung (UFDR) – Getreue des Ex-Präsidenten Patassé.
Frankreichs Soldaten griffen nicht ein, sie wollten Bozizé loswerden. Unmittelbar nach der Zustimmung des UN-Sicherheitsrat am 5. Dezember 2013 intervenierte Frankreich mit 1 600 Soldaten der Óperation Sagaris.
Der Tschad ist ebenfalls im Nachbarland ZAR militärisch wieder voll präsent. Ein Großteil der 5 500 Mann starken Militärmission der Afrikanischen Union MISCA wird vom Tschad gestellt. Im Dezember 2013 wurde die Eingreiftruppe von der AU „mit der Befriedung des Landes“ beauftragt.
Deutschland versucht die französische Intervention in eine EU-Mission zu überführen. Deutschland greift weiter durch logistische „Hilfe” ein, um irgendwie mitzumischen und seine Hände in dem strategisch wichtigen Gebiet zu haben.
Auch Entwicklungsminister Müller (CSU) hat im Gefolge von Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und Kriegsministerin von der Leyen eine neue Afrika-Strategie angekündigt. Dabei sollen Bundeswehr-Einsätze und ‚humanitäre Hilfe’ besser abgestimmt werden. Mali und Zentralafrika stehen dabei im Mittelpunkt. Dabei geht es nicht nur um Rohstoffe und strategisch wichtige Gebiete, sondern auch um die Verhinderung von Migrationsbewegungen nach Europa.
Die Zentralafrikanische Republik gehört nicht nur zu den ärmsten Ländern der Welt, sondern ist auch komplett destabilisiert. Der aktuelle verheerende Krieg eskaliert in Massakern der zentralafrikanischen Regierungsarmee, der muslimischen und christlichen Söldnergruppen und Bürgerwehren und der verschiedenen Interventionsarmeen.
Nach UN-Angaben sind mehr als 900 000 Menschen auf der Flucht, Hunderttausende nach Kamerun und in den Tschad. Fast die Hälfte der 4,6 Mio. EinwohnerInnen des Tschads können nicht alleine überleben. (TAZ, 06.02.2014, S. 5)
Zu den Hintergründen um den Krieg, die Intervention und die militärischen „Missionen“ siehe nachfolgendes Interview.
Die ZAR liegt in einem strategisch bedeutenden Gebiet in Afrika. Sie grenzt an die DR Kongo, welches eines der rohstoffreichsten Länder ist. Ihre Lage an den Transitrouten zwischen Kamerun und dem Tschad ermöglicht den Zugang zu deren Märkte.
Der Nord-Westen der Zentralafrikanischen Republik gehört zu den bevölkerungsreichsten Regionen des Landes. Die Landwirtschaft konzentriert sich zum Großteil auf Baumwollanbau und Rinderzucht. Der Nord-Osten ist wirtschaftlich kaum erschlossen, allerdings gibt es dort Diamanten.
In der ZAR gibt es zusätzlich Uran, Tropenholz und Erdöl an der Grenze zum Tschad. Die Konzessionen zur Ausbeutung hat sich allerdings 2012 schon die China National Petroleum Corporation (CNPC) gesichert. (Le monde diplomatique, Oktober 2013, S. 17)
März 2014

Interview mit Zacharias, Vertreter der IMI – Informationsstelle Militarisierung
Zentralafrika, Militarisierung und deutsche Politik:
TA: Wir reden über die Situation in Zentral-Afrika, die Militarisierung und über den Krieg gegen die Zentralafrikanische Republik:
Zacharias: Die Zentralafrikanische Republik (ZAR) ist ein rohstoffreiches Land, genannt werden u.a. Gold, Diamanten womöglich auch Erdöl. Allerdings ist die Infrastruktur in der Zentralafrikanischen Republik aktuell so schwach entwickelt, dass sich dort eine Ausbeutung, glaube ich, in nächster Zeit noch nicht abzeichnet. Die ZAR hat aber eine sehr wichtige geografische und damit auch politische Funktion. Sie grenzt im Süden an die Demokratische Republik Kongo, wo bekanntlich sehr wichtige strategische Rohstoffe sind, um deren Ausbeutung der Westen sich schon lange auch militärisch bemüht. Sie grenzt an den kürzlich abgespalteten Südsudan mit seinen Ölvorräten, der ja nun nach der Staatsgründung selbst wieder am Zerfallen ist; an den Sudan selbst, der strategischer Gegner des Westens ist. Sie grenzt im Osten, über den Sudan auch mittelbar an Uganda, das ein enger Verbündeter, v.a. der USA ist. Im Norden grenzt sie an den auch eigentlich rohstoffreichen, aber infrastrukturell unzureichend entwickelten Tschad und über diesen an den Niger, wo ganz wichtige Rohstoffvorkommen lagern, vor allem das Uran, von dem Frankreich wirklich sehr unmittelbar abhängig ist.
Uranabbau in der Zentralafrikanischen Republik war bis heute kaum relevant, da die Infrastruktur schlecht ist.
TA: Diese Urangewinnung in der ZAR wurde nach Fukushima auch eingestellt.
Zacharias: Weil sie auch kaum Bedeutung hat.
TA: Inwieweit spielt der Krieg gegen Mali eine Rolle?
Zacharias: Über Tschad und Niger ist die Zentralafrikanische Republik mit Mali verbunden. Das sind sehr schwache Staaten im Sinne von einer flächendeckenden Kontrolle ihres Territoriums. Tatsächlich ist das ein zusammenhängendes Gebiet und die ZAR spielte immer die Rolle des diplomatischen, kriminellen, und militärischen Rückzugsraums für alle Akteure, die einerseits in Westafrika, Mali und Mauretanien aktiv mitgemischt haben, andererseits im südlicheren Zentralafrika, v.a. im Kongo und dem Gebiet der großen Seen.
Die ZAR ist so ein Ausgangspunkt und Rückzugsraum für verschiedene Schmuggler, Logistiker aber auch für Rebellengruppen. Sie ist der Schnittpunkt, wo Rebellengruppen vom Westen ausgerüstet werden, um in einem der Nachbarstaaten zu intervenieren oder ihn zu destabilisieren.
TA: Inwiefern kann man von solchen Gruppen überhaupt von Rebellengruppen sprechen?
Zacharias: Gerade für die Zentralafrikanische Republik gibt es ziemlich spannende Analysen, die die verschiedenen bewaffneten Gruppen im Land aufteilen: Politische Rebellen – die die Macht an sich reißen wollen, darüber hinaus aber kaum eine Agenda haben; Banditen und dann die Banditen noch einmal aufteilt in Teilzeit und Saisonale. Es gibt z.B. für die ZAR keine genauen Zahlen, wie viele Soldaten die offizielle Armee eigentlich hat, weil auch von diesen Soldaten viele nebenher noch Landwirtschaft betreiben und einmal in der Woche oder in der Regenzeit sich als Banditen verdingen.
Nach dem letzten Putsch in der ZAR, aus dem die jetzige Krise hervorging, waren z.B. die Sicherheitskräfte komplett in Auflösung und mittlerweile haben sich etwa 300 davon wieder in der Hauptstadt (Bangui) versammelt. In der Situation ist es natürlich besonders interessant oder auch fatal, dass verschiedene Staaten – insbesondere Frankreich und ganz stark auch die USA gemeinsam mit Uganda – und Soldaten aus Drittstaaten in den Grenzgebieten der Zentralafrikanische Republik und auch in der ZAR selbst aktiv sind und waren.
Also das Militär unterstand schon lange und eigentlich historisch noch nie so ganz der Zentralregierung, sondern wird finanziert, ausgebildet und letzten Endes auch kommandiert durch die ehemaligen Kolonialmächte oder Nachbarstaaten.
Bei Teilen der zentralafrikanischen Armee ist z.B. nicht geklärt, ob sie zur kongolesischen oder zur tschadischen Armee gehören. Teile der Präsidialgarde stammen traditionell aus dem Tschad, wurden zwischenzeitlich auch von Frankreich direkt kommandiert und werden höchstwahrscheinlich auch vom Tschad selbst bezahlt.
Andere Truppenteile der zentralafrikanischen Armee wechselten zwischen dem Kongo und der ZAR hin und her und haben im Kongo versucht, sich in die kongolesischen Truppen eingliedern zu lassen. Dort spielt die EU eine wichtige Rolle dabei, um zu bestimmen, wer in die offizielle Armee aufgenommen wird.
Die ZAR fungiert also eher als Sprungbrett für Interventionen und Regime-Änderungen und als Unterstützer von Rebellengruppen oder einzelner politischer Flügel in den Staaten der Region.
So wurde Zentralafrika auch von Libyen genutzt. Im Grunde hängt ja jetzt die ganze Destabilisierung mit dem Libyen-Krieg zusammen. Man muss sich im Nachhinein fragen, ob Frankreich Gaddafi nicht entfernen wollte, um da die ganze Region vollends unter seine Fittiche zu kriegen. Erst zu destabilisieren und dann wieder überall zu intervenieren und befreundete Regime an die Macht zu bringen. Ich glaube das mittlerweile.
TA: Ist das auch der Grund, warum Frankreich jetzt z.B. gar nicht eingegriffen hat – obwohl sie ihre Truppen vor Ort in der ZAR haben – als das Rebellenbündnis angegriffen und Präsident François Bozizé gestürzt hat? Weil sie das ganze Gebiet destabilisieren wollen oder weil Bozizé auch ein wenig mit China geliebäugelt hat, wirtschaftlich zumindest?
Zacharias: Kein Putsch in der Zentralafrikanische Republik ist erfolgreich, wenn Frankreich das nicht will. Also offensichtlich waren sie da einverstanden und ob sie das jetzt quasi kurzfristig gemacht haben, um den unzuverlässigen Präsidenten loszuwerden oder mittelfristig, um das Land zu destabilisieren und dann wieder als Retter mit einer umfangreicheren Mission zu kommen, das kann ich nicht sagen.
TA: Die Zentralafrikanische Republik grenzt im Süden direkt an die Demokratische Republik Kongo. Inwieweit spielt das wohl eine Rolle, um auch den Kongo unter ihre Fittiche zu kommen, zumal der Kongo wohl das weltweit rohstoffreichste Land ist?
Zacharias: Richtig, ganz wichtig. Wobei es im Kongo nicht so stark darum geht, die Demokratische Republik Kongo als Ganzes unter Kontrolle zu kriegen. Sie haben dort Präsident Kabila installiert und zwar wirklich installiert, gemeinsam mit den USA, (TA Einwurf, mit den teuersten Wahlen überhaupt) mit zwei bis heute anhaltenden EU-Militärmissionen. Sie haben eine Zentralmacht installiert, die ihnen mehr oder weniger freie Hand in den Provinzen lässt. Und in den Provinzen tobt ein Stellvertreterkonflikt zwischen Ruanda, Uganda, den USA, Frankreich, Angola usw.
In diesen Provinzen, gerade in den rohstoffreichen Provinzen im Osten, sind jeweils Truppen oder Stellvertreter benachbarter Staaten da und Stellvertreter Frankreichs und der USA. Gerade diese Grenze zur ZAR ist ganz zentral – über diese hat in der Vergangenheit Libyen eine starke Kontrolle ausgeübt. Vor allem über die Rebellengruppen im Norden des Kongo unter Bemba, der bei den Wahlen zum Oppositionschef gewählt wurde. Danach wurde er unter den Augen der Internationalen Gemeinschaft von Kabilas Militär aus dem Land gejagt und von Belgien dann an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert. Und in dieser Grenzregion waren in letzter Zeit unter Führung des Africom vor allem die US-Streitkräfte sehr aktiv.
TA: Und Angola interveniert auch in der Demokratischen Republik Kongo?
Zacharias: Ja, gerade im Süden, in Katanga, und der Hauptstadt Kinshasa. Sie haben mehrfach interveniert zugunsten Kabilas. Da weiß man auch nicht, ob das offizielle angolanische Politik ist, oder Tradition, dass man gegen Bezahlung Teile der angolanischen Truppen kurzfristig abrufen kann.
Aber auch wenn es in Kinshasa zu Putschen oder Auseinandersetzungen kam, sind da immer angolanische Soldaten aufgetaucht. Angola ist ja Verbündeter von Deutschland.
TA: Ja, drittgrößter Lieferant von Deutschland.
Zacharias: Vor allem auch Empfänger von Rüstungsgütern.
TA: Was die zwei EU-Missionen betrifft, wie ist der Stand, welche Funktion und Aufgaben haben sie, außer Kabila an der Macht zu halten?
Zacharias: Die klingen vielleicht relativ banal, das eine ist eine Polizeiaufbaumission. Da ging es einerseits darum, eine Kriminalpolizei vor allem in der Hauptstadt Kinshasa aufzubauen, aber eben auch eine Polizeieinheit, die für die Niederschlagung von Unruhen in der Hauptstadt zuständig ist.
Das ist die EUPOL DRC Mission, ehemals EUPOL Kinshasa, die hat natürlich direkt Verbindungsbüros in das Innenministerium.
Das andere ist EUSEC DRC Mission, da geht es darum, die kongolesische Armee zu restrukturieren. Das bedeutet dann auch erstmal große Aufträge an europäische Firmen, wenn es darum geht, die Soldaten biometrisch zu erfassen und ihnen entsprechende Ausweise auszustellen etc.
Das ist aber auch politisch wichtig, weil es darum geht, welche Rebellengruppen und Stellvertreter der Nachbarstaaten sozusagen in die offizielle Armee aufgenommen oder wieder ausgegliedert werden. Insofern hat man darüber eine ganz starke Kontrolle über die Zusammensetzung der Streitkräfte und die jeweilige Stärke der verschiedenen Einflussnahmen und Interessen in diesen Streitkräften.
Sehr dubiose Missionen, öffentlich ist da so gut wie nichts bekannt.
TA: Wie werden diese finanziert? Von der EU?
Zacharias: Das ist nicht so arg teuer. Ich hab die Zahlen nicht parat, das sind nur jeweils ca. 10-30 Leute also nicht so viele aus Europa.
Das sind hohe Militärs, hohe Polizeibeamte, so genannte Rechtsstaatsexperten, also Leute aus den Innen- und Außenministerien, die da Polizei und Militär aufbauen. Sie haben viel lokales Personal.
Bei einer Mission habe ich mal 120 Leute gelesen, und auch noch interessant, ganz viel private Sicherheitsdienstleister. Aber das ist ja relativ billig im Kongo. Waffen liefern die Missionen z.B. keine, aber sie vermitteln die Waffenlieferungen von ihren Nationalstaaten.
Sie sagen: Wir brauchen diese Polizeieinheit, dazu brauchen wir dieses Polizeigesetz, und die Polizeieinheit soll dieses und jenes Einsatzprofil haben und dafür braucht sie am besten dieses Gewehr. Ihr könnt ja mal in Belgien fragen, ob die euch entsprechend notwendige Waffen/Ausrüstung liefern.
TA: Kommen wir mal nach Deutschland. Eigentlich ist es ja so, dass überwiegend Frankreich diese ganzen Regime unterstützt. Die meisten Militärschläge gehen von Frankreich aus. Welche Interessen hat Deutschland, das ja eigentlich die größere Kraft innerhalb der EU ist.
Zacharias: Eben nicht auf die Außenpolitik und den Afrikanischen Kontinent bezogen.
TA: Meinst du die Expansion Deutschland geht eigentlich mehr Richtung Osten?
Zacharias: Ja.
TA: Wobei Rohstoffe, also strategische Gebiete, da ist ja Afrika eigentlich unheimlich interessant. Im Wirtschaftsbericht von Deutschland wird eingeschätzt, dass Afrika in einem wirtschaftlichen Aufschwung ist, ein großer Handelspartner von Deutschland ist und Deutschland ein sehr starkes Interesse an Afrika hat.
Zacharias: Deutschland ist relativ stark was Infrastrukturprojekte in Afrika angeht. Wenn man sich die Reisedelegationen bei offiziellen Staatsbesuchen in afrikanischen Staaten von Angela Merkel ansieht oder auf der arabischen Halbinsel, da sind schon auch vielleicht einige Rohstoffunternehmen dabei, aber sehr viele auch für erneuerbare Energien und immer Infrastruktur, Bahnen, Thyssen als Hersteller von Infrastruktur, Telekom, etc. Das ist etwas, wo Deutschland relativ stark ist, wobei die Telekommunikation immer im letzten Moment doch wieder von den Franzosen weggeschnappt wird.
Was tatsächlich den Zugang zu Rohstoffen angeht, glaube ich nicht, dass Deutschland ernsthaft mit Frankreich konkurrieren kann.
Es geht natürlich insgesamt und langfristig um Rohstoffe. Es geht aber bei dem, was im Moment passiert in Mali und der Zentralafrikanischen Republik, von deutscher Seite nicht unmittelbar um Rohstoffe, sondern es geht um die Machtverteilung innerhalb der Europäischen Union.
Frankreich hat eine so starke, aggressive und unilaterale, eigensinnige Afrikapolitik in den letzten Jahren hingelegt, dass es damit auch ganz wesentlich die europäische Außenpolitik insgesamt geprägt hat. Und die neue Bundesregierung hat sich entschlossen, hier Frankreich nicht mehr alleine gehen zu lassen, sondern sich einfach stärker einzubringen und damit auch Mitsprache zu haben, um dadurch auch ein größeres Stück vom Kuchen zu bekommen.
Aber wenn es jetzt tatsächlich um strategische Rohstoffe geht, kann Deutschland da im Moment mit Frankreich, glaube ich, noch nicht konkurrieren. Sie sind auch noch nicht so aufgestellt um quasi eigene Konzepte für ein Statebuildung (Staatsaufbau) und für eine Regionalpolitik in Afrika gegenüber Frankreich durchzusetzen.
In Frankreich gibt es da entsprechende Diskurse. Da kann man ja ganz offen sagen, was man sich wünscht und wie man das plant. Das ist in Deutschland, was die Geschichte der militärischen Zusammenarbeit, die Think Tanks (Denkfabriken) etc. angeht, noch nicht weit genug entwickelt, um sich tatsächlich die Minen unter den Nagel zu reißen. Aber sie wollen mitbestimmen können, welche Minen sich Frankreich unter den Nagel reißt und welche nicht.
TA: Wobei in Libyen hat Deutschland ja ganz schön gut abgesahnt. Nach dem Krieg, sie haben sich in den Krieg nicht direkt eingemischt, außer Africom, wie gesagt in Stuttgart, hat das auch gut geleitet. Aber abgesahnt haben sie da doch letztendlich?
Zacharias: Aber nicht was das Öl angeht, nicht was die Rohstoffe angeht und für Deutschland ist Libyen eher Absatzmarkt für Baumaschinen, für Verpackungsindustrie und ihre Hightech-Produkte. Öl fließt gerade gar keines aus Libyen.
TA: Es gab ja in letzter Zeit vermehrt Kriege, bzw. gibt es immer noch Kriege in Afrika, zur Zeit in Libyen, Mali, ZAR, Sudan… Die Friedensbewegung war kaum auf der Straße. Wie siehst du die Friedensbewegung aktuell in Deutschland und welche Perspektiven gibt es überhaupt noch für die Friedensbewegung? Ich habe z.B. einen Artikel gelesen von dem Forum demokratischer Sozialismus (FDS) über die Militärintervention in die ZAR, die haben sich offen dafür ausgesprochen.
Zacharias: Das sind aber zwei unterschiedliche Paar Schuhe, das FDS und die Friedensbewegung, also bitte.
TA: Also die Linke hängt schon mit der Friedensbewegung zusammen. In der Partei Die Linke kommt jetzt vom rechten Flügel eher die Richtung, dass die Militärintervention in ZAR von Frankreich richtig ist und die Forderung, wir (Deutschland) sollten uns daran verstärkt beteiligen.
Zacharias: Ja, das sind ja auch Leute, die sich bis jetzt nicht durch Kenntnis der Lage in Zentralafrika hervorgetan haben, also auch hier hängt die Forderung nach Intervention offensichtlich mehr mit innerdeutschen und innereuropäischen Auseinandersetzungen zusammen, als mit der Lage vor Ort.
Die Linkspartei hat sich als Teil der Friedensbewegung gesehen, aber es gab da schon immer eine starke Fraktion, die als primäres politisches Ziel verfolgt, die Linkspartei regierungsfähig zu machen. Und das ist ganz klar, dass nur der regierungsfähig ist, wer sich nicht grundsätzlich gegen Auslandseinsätze und genauso wichtig, nicht grundsätzlich gegen eine aktive Mitgliedschaft in der NATO stellt.
Es ist interessant, dass die Leute dieses Flügels zum Beispiel ganz früh Posten anvisiert haben, die mit den Vereinten Nationen zu tun haben. Um darüber einfach in Einsätzen (Kapitel 6 und Kapitel 7), politisch strategisch vorzugehen. Sie versuchen, wenn ein UN-Mandat vorliegt – was ja eigentlich Voraussetzung sein muss – und gerade, wenn es offiziell um keinen Kampfeinsatz geht, die Positionen der Linken aufzuweichen.
Diese Fraktion ist leider mit der letzten Wahl und mit dem Europaparteitag gerade viel stärker geworden. Auch dadurch, dass es nach den letzten Wahlen (2013) ja schon zu einer rot-rot-grünen Mehrheit gereicht hätte und es nach dem anstehenden Sozialabbau einen weiteren „Linksruck“ in der Wählerschaft geben könnte. Sie versuchen, bis dahin die politischen Positionen der Partei Die Linke sturmfrei zu schießen. Ich vermute auch, dass sie damit erfolgreich sein werden. Aber lass uns trennen zwischen Friedensbewegung und Partei.
Bei der Friedensbewegung bin ich gar nicht so pessimistisch, die muss halt neue Formen finden, aber es sind halt auch neue Formen des Krieges, gegen die sie angehen muss. Das sind ja keine großen Kriege mehr, wir sprechen hier von Truppenkontingenten, die von 10 Beratern bis jetzt 360 Soldaten in Mali reichen, die als „Ausbilder“ da sind und die Hälfte davon ist auch im Senegal stationiert.
Es geht um ein permanentes „Krisenmanagement“, eine andere Art von Kriegsführung ohne spektakuläre Momente, wie etwa bei einem Kriegseintritt. Diese Kriege haben vielleicht nicht das unmittelbare Empörungs- und Mobilisierungspotiential, wie z.B. der Beginn eines Irak-Krieges. Vielleicht muss man sich auch davon verabschieden, dass die Friedensbewegung nur durch Massendemos auftaucht.
Ich glaube, es gibt eine neue Form der Kriegsführung und die Friedensbewegung ist gerade dabei, neue Formen des Protestes dagegen zu entwickeln. Da kann und muss man auch sehen, dass sozusagen die Rekrutierung, die Infrastruktur, die Diskurse an der Heimatfront schon immer intensiver und immer breiter und immer öfter gestört werden.
TA: Du meinst durch militante Anschläge?
Zacharias: Nein, auch einfach beispielsweise durch Aktionen an Schulen, wenn da die jungen Offiziere kommen. Sozusagen von der diskursiven bis zur praktischen Sabotage an der Heimatfront. In Verbindung mit der Spionageaffäre hat die Mobilisierung gegen ganz konkrete Stationierungspunkte von denen aus diese Kriege geführt werden, wieder zugenommen.
Da ist Africom in Stuttgart ein Bespiel, oder das Heeres-Gefechtsübungszentrum in der Colbitz-Letzlinger Heide nahe Magdeburg, wo jetzt dieses Jahr zum dritten Mal ein Camp stattfinden wird.
Nach einer Schockstarre – mit den drohenden Massenkriegen war auch die Massenbewegung weg und es gab diese neuen Kriege, dieses permanente Krisenmanagement – ist auch die Friedensbewegung wieder am Kommen und dabei, sich darauf einzustellen und neue Protestformen zu entwickeln.
Also erstens diese alltägliche Sabotage an den Schulen und an den Unis. Es ist ja nicht so, dass die Unis nicht vorher auch für das Militär geforscht hätten, aber plötzlich wird das thematisiert.
Zweitens die neu aufflammenden Proteste gegen konkrete Standorte.
Das dritte, ganz allgemein, dass die strategische Gemeinschaft mit ihren Diskursen um unter den Schlagwörtern „Verantwortung“ und „Europa“ Krieg zu führen, doch nicht so richtig ankommt. Also die Titelzeile in der Süddeutschen Zeitung von Stefan Kornelius zur Münchner Sicherheitskonferenz lautete ja tatsächlich „Nach Afrika für Europa“ und das ist noch nichts, wo die Bevölkerung so richtig dahinter stehen würde. Angesichts der massiven Bemühungen um solche Diskurse ist das meiner Meinung nach schon auch als Erfolg der Friedensbewegung zu werten.
TA: Danke für das Interview.
Februar 2014

Deutsche Weltstrategien… Beispiel Afrika
Die aktuelle Weltlage ist geprägt durch außerordentliche Zuspitzungen der innerimperialistischen Widersprüche. Die USA wendet sich verstärkt Ost- und Südostasien zu. Die neue imperialistische Großmacht China ist eine massive Gefährdung amerikanischer Interessen in diesem Gebiet. Die Konkurrenz zwischen China und Japan, um die Oberhoheit über die angrenzenden Meere, Japanisches Meer (Ostmeer) bis zum Südmeer (Pazifischer Ozean), führte 2013 bereits an den Rand militärischer Auseinandersetzungen.
Vordergründig geht es um den Anspruch von Japan auf einige Inseln, im Prinzip aber um seine Vorherrschaft und die der USA. Eine reale Kriegsgefahr zwischen China und den USA und ihren Verbündeten ist mittelfristig kein Science Fiction Szenario.
Die Weltherrschaft der USA wird direkt bedroht. Das ist tatsächlich eine neue Qualität der innerimperialistischen Widersprüche. Aber auch die geschwächte Großmacht Russland hat wieder festen Tritt gefasst und kehrt zu alter Macht und Größe zurück. Putin trumpft gegen die westlichen Imperialisten EU, USA und Japan auf. Russland erhebt sich nun lautstark und offensiv gegen die weitere „Osterweitung“ der westlichen Imperialisten. Die Krise um die Ukraine und die Krim ist aktuellstes Beispiel.
Die faktische militärische Okkupation und Abtrennung der Krim durch Putin, als Antwort auf den Versuch der Einverleibung der Ukraine durch die EU, allen voran Deutschland und deren geplante vollständige Eingliederung in die NATO hat zu einer vehementen Zuspitzung der innerimperialistischen Widersprüche geführt. Noch waren Deutschland, EU und die USA nicht bereit einen offenen, direkten militärischen Schlagabtausch mit Russland zu führen. Aber es ist ein Testfall. Und auch noch keineswegs entschieden.
Die EU unter Führung Deutschlands und Frankreichs bestimmt ihre Außenpolitik in etlichen Feldern neu. Aktuelle Kernziele sind der Ausbau ihrer strategischen Positionen in Afrika sowie im Nahen und Mittleren Osten. Nur so können sie sich als eigenständig agierender Weltmachtblock festigen. Es geht nicht darum, wie es die Propagandamaschinerie glauben machen will, um den USA „zu Hilfe“ zu kommen, bzw. „den Bündnispartner zu entlasten“ und dergleichen mehr.
Die gesteigerte Konkurrenz zwischen EU und USA in Wirtschaft und im Handel, die Bedrohung des US-Dollar durch den Euro auf der einen Seite bedingt die offensivere militär-politische, strategische Absicherung und Erweiterung der Einflussgebiete der EU auf der anderen Seite. Das sind nicht zu bestreitende Tatsachen.
Deutschlands dritter Anlauf zur Weltmacht?
Bundespräsident Gauck hat am 3. Oktober 2013, zum „Deutschen Nationalfeiertag“ in seiner Grundsatzrede einer offensiven Weltstrategie der deutschen Großmacht das Wort geredet. „Deutschland“ dürfe sich „nicht mehr klein machen“. Deutschland, so Gauck, müsse sich „international an Konfliktlösungen aller Art, auch militärischen“ viel stärker beteiligen. Deutschland sollte seiner Großmachtposition auf allen Gebieten gerecht werden. Damit hat Gauck die neuen Grundmarken der internationalen Politik „für Deutschland“ heruntergebetet. Nach der Bildung der GroKo haben Außenminister Steinmeier und Kriegsministerin von der Leyen auf der Grundlage des Koalitionsvertrages sofort die konkrete Ausformung dieser Politik gestartet.
Als mediengerechte Plattform bot sich das internationale Mega-Imperialisten Treffen, die Münchner Sicherheitskonferenz am 31. Januar 2014, an. Deutschland war prominent durch das Trio Gauck, Steinmeier und von der Leyen vertreten.
Gauck ist auch bei seiner Eröffnungsrede der Münchner Sicherheitskonferenz Sprachrohr der neuen Strategiepolitik der GroKo: „Seit der Wiedervereinigung hat sich Deutschland auf den Weg gemacht. Schritt für Schritt wird Deutschland … zu einem Garanten internationaler Sicherheit und Ordnung. … Ich möchte sprechen über die Rolle Deutschlands in der Welt… Ich muss wohl sehen, dass es bei uns – neben aufrichtigen Pazifisten – jene gibt, die Deutschlands historische Schuld benutzen, um dahinter Weltabgewandtheit oder Bequemlichkeit zu verstecken. … Dazu drängt uns immer wieder die Weltlage – in diesen Tagen die Ereignisse in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik.“ Gaucks Vision sind verstärkte weltweite Militäreinsätze, um Deutschlands Interessen abzusichern. Dazu fordert er auch den Ausbau des „Konzeptes der Schutzverantwortung, … das die staatliche Souveränität von Staaten und den Grundsatz der Nichteinmischung“ einfach außer Kraft setzt und eine moralische Rechtfertigung militärischer Interventionen liefert.
Steinmeier fordert als deutscher Außenminister offensiv: „Deutschland muss bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch bei der Krisenbewältigung in der Welt früher, entschiedener und substantieller einzubringen.“ Also Schluss mit der Westerwellschen „Kultur der Zurückhaltung“. Steinmeier will viel stärker militärisch, nichts anderes heißt „sicherheitspolitisch“ im weltweiten „Krisenmanagment“ einsteigen. Damit Deutschland massiver auch ihm genehme politische Regime absichern kann. Dabei soll die skeptische Haltung des Wahlvolkes in Kriegsbegeisterung „für deutsche Verantwortung“ umgewandelt werden. Womit? Mit dem „Menschenrechtsimperialismus“.
Von der Leyen ist sofort nach ihrem Amtsantritt in die Offensive gegangen. Sie will „Ausbau und Verstärkung deutschen Engagements“, und dafür den militär-politischen Rahmen schaffen. Sie tritt für eine „europäische Perspektive der Bundeswehr“ ein. Denn „Europa kommt im Spiel der globalen Kräfte nicht voran, wenn die einen sich immer dezent zurückhalten, wenn es um militärische Einsätze geht und die anderen unabgestimmt nach vorne stürmen“ 54
Deutsche Militärstrategie soll also zur europäischen Leitpolitik gemacht werden. Der „Chef“ der Münchner Sicherheitskonferenz, Ischinger, sagt viel direkter was tatsächlich Sache ist: „Deutschland soll endlich Führungsverantwortung übernehmen, also die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik in Europa selber gestalten wollen.“ Und schneidend deutsch-chauvinistisch fährt er fort: „Man könne die Federführung in der Frage, was Europa machen könne und solle, nicht Portugal, Lettland und Bulgarien überlassen. ‚Da müssen wir jetzt ran!’“.!!! 55Ja, darum geht es: Die deutsche Großmacht soll endlich die militärische Führung in der EU übernehmen!
Bereits im Dezember 2013 hat der EU Gipfel neue Schritte zur Stärkung der gemeinsamen EU-Militärpolitik beschlossen.Die EU-Battlegroup wird noch 2014 in Ulm ihr Hauptquartier aufschlagen.
Deutsche Afrika-Strategie
Nach Amtsantritt der neuen Bundesregierung startete eine überaus rege Reisetätigkeit von Ministern auf den afrikanischen Kontinent. Anfang Februar besuchte von der Leyen Mali und Senegal. Vor Ort kündigte sie an insbesondere in Afrika soll „Deutschland mehr Verantwortung übernehmen“. Das deutsche politisch-militärische Modell für „Staatsstabilisierung in Afrika“ nennt sie in preußischer Tradition: „Ertüchtigung“. Von der Leyen betreibt die Ausweitung militärischer Interventionen mit demagogischen Argumenten wie. „….in Ruanda und in Kongo sind Millionen Menschen durch Nichthandeln der internationalen Gemeinschaft zu Tode gekommen.“ 56
Die Schlussfolgerung daraus ist, in solchen Konflikten muss Deutschland militärisch viel stärker präsent sein. Also Deutschland soll noch mehr Kriege führen!
Entwicklungsminister Müller unternimmt am 7. Februar einen eintägigen Antrittsbesuch bei der Afrikanischen Union in Addis Abeba/Äthiopien. Am 13. März besucht Müller die Zentralafrikanische Republik; und zwischen dem 25.-28. März unternimmt er eine Reise nach Mali und Südsudan. Müller entwickelt eine „Neue Afrikapolitik des BMZ“ unter dem Motto „Afrika auf dem Weg vom Krisen zum Chancenkontinent“. Er versucht sich als „Friedensminister“ gegen Steinmeier und von der Leyen zu profilieren.
Steinmeier tourt vom 23.-27. März durch Afrika, nach Äthiopien, Tansania und Angola. Steinmeier: „Deshalb mein Besuch hier und deshalb in einer Phase in der das Afrikakonzept noch in der Erarbeitung ist.“ 57 Die GroKo will unter Federführung Steinmeier eine neue eigene Afrika-Strategie Deutschlands festlegen zur Umsetzung einer forcierten Aggressionspolitik zur Absicherung deutscher ökonomischer und politischer Interessen. Nicht weniger als sechs Ressorts sind am Konferenztisch, um diese Aufgabe zu meistern: Außen, Verteidigung, Entwicklungshilfe, Wirtschaft, Inneres und Landwirtschaft.
Stichworte für die Neuausrichtung der neokolonialen Afrika-Politik sind „Kampf gegen den Terrorismus“ (Steinmeier), „Armutswanderung über das Mittelmeer“ (von der Leyen), „Migration verhindern…“ (Müller) und „Starke wirtschaftliche Zusammenarbeit“ und „Deutsche Investitionen“ (Merkel).
Für von der Leyen ist die aktuelle Arbeitsteilung in den EU-Missionen in Afrika der Weg „Auch und verstärkt in Afrika, unserem Nachbarkontinent präsent zu sein.“ Am 20. Februar stimmte der Bundestag der Verlängerung des Mali-Mandates und der Verstärkung von 180 bis auf 250 deutschen Soldaten in die EU-Ausbildungsmission zu. Aber das ist nur der Einstieg. Deutschland will nicht „die helfende Hand“ Frankreichs werden, sondern endlich eigenverantwortlich militärische und zivile Interventionen organisieren. Und dazu die EU-Strukturen und EU-Ressourcen nutzen.
Am 19. März beschließt die Bundesregierung den Einsatz von 20 Soldaten in der EU-Ausbildungsmission in Somalia, wo lokale Stellvertreterkriege laufen.
Die EU startete am 01. April offiziell ihre Militärintervention (EU-for-RCA-Mission) in der Zentralafrikanischen Republik mit 1 000 Soldaten. Zynisch werden sie „Friedenstruppen“ genannt. Darunter, noch sehr bescheiden, die BRD mit 10 Bundeswehrsoldaten, einem Sanitäts- und zwei Transportflugzeugen.
Die Bundesregierung hat ihre Finanzmittel für die Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern um 100 Mio. Euro auf insgesamt 1,3 Mrd. erhöht. Insbesondere Ausfallbürgschaften für deutsche Konzerne bei ihren Geschäften in Afrika sollen damit finanziert werden. „Nur in diesem Zusammenspiel können wir das Ziel von stabilen und funktionsfähigen Staaten erreichen.“, so Müller. Erst destabilisieren durch Krieg, dann stabilisieren durch Militäreinsätze und an beidem verdienen, darin ist die deutsche Nation geübt. Bei seinem Besuch in Mali schwärmt Müller, dieses Land sei ein: „Beispiel, wie nach einer Phase des Chaos Entwicklungshelfer innerhalb kurzer Zeit einen Staat stabilisieren und beim Aufbau von Gesellschaft und Wirtschaft helfen können“. 58
Die Profite für die deutschen Monopole werden so garantiert. Afrika ist mit einer Milliarde Menschen ein gigantischer Absatzmarkt für die Exportnation Deutschland. Erweiterte Wirtschaftsbeziehungen mit afrikanischen Ländern sichern neue Rohstoff- und Energiequellen und können so die deutsche Abhängigkeit von anderen Rohstoffe liefernden Ländern wie z.B. Russland abmildern.
Die Bundeswehr beteiligt sich in Afrika nicht nur an Manövern, EU-Einsätzen oder UN-Beobachtermission. Seit Jahrzehnten sind auch deutsche Militärberater im Einsatz. Derzeit sind es nach Angaben des Verteidigungsministeriums etwa 40 Soldatinnen und Soldaten, die aufgrund von bilateralen Abkommen die Streitkräfte in sechs afrikanischen Ländern beraten. 59
Frankreich und Deutschland – Rivalität europäischer Großmächte
Steinmeier hat die Debatte für „Mehr Verantwortung in Afrika“ gestartet. Scheinheilig begründet wird die Neuausrichtung mit der „militärischen Überforderung“ Frankreichs in Mali und der Zentralafrikanischen Republik und der „notwendigen Solidarität“ Deutschlands. Die Deutschen wollen entlasten! Mehr Heuchelei ist kaum vorstellbar. Worum geht es?
Leute wie D. Tull, ‚Afrikaexperte’, ehemals Stiftung Wissenschaft und Politik, aktuell Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kamerun: „Mit Blick auf die bündnispolitische Dimension muss sich Berlin der extrem negativen Wahrnehmung Frankreichs im Klaren sein“.
Das Hamburger Giga-Institut: „Frankreich ist seit vielen Jahren ein weitgehend ungeliebter Akteur in Afrika.“ Der kenianische Entwicklungsökonom J. Shikwati fordert ganz im Interesse westlich ausgerichteter afrikanischer Eliten: „Deutschland hat fast überall auf dem Kontinent Botschaften und sollte besser seinen eigenen Weg entwickeln, um in einer sich ändernden Welt eine strategisch bedeutsame Rolle zu spielen“. A. Atta-Asamoah, Institut für Sicherheitsstudien in Pretoria/Südafrika, führt aus, das heiße auf keinen Fall, „dass Deutschland sich aus dem Militärischen heraushalten solle“. Im Gegenteil. „Langfristige Finanzierungen ‚Afrikanischer Sicherheitsarchitektur’ (staatliche Armeen und Rüstungsversorgung)“ seien zentral. 60
Der französische Imperialismus durchlebt seit einiger Zeit eine gravierende ökonomische Krise. Eines seiner altbewährten „Heilmittel“ ist die verstärkte Aggression und Kriegsführung nach außen. So nehmen die militärischen Interventionen, insbesondere in Afrika zu. Einerseits profitiert davon natürlich die französische Kriegsindustrie, anderseits wird der Staatshaushalt mit ungeheuren Kosten belastet. Die Krise, die voll auf Kosten der Werktätigen an breiter Front durchschlägt, massive Erwerbslosigkeit, Verarmung etc. wird dadurch noch verstärkt. In dieses „Vakuum“ stößt jetzt der deutsche Imperialismus vor.
Die neue Afrika- und Welthegemonie-Strategie der GroKo, unter den Fittichen des deutschen Finanzkapitals, bezweckt in Europa die Schwäche des französischen Imperialismus ausnutzend, sich in seinem „Terrain“ in Afrika auszudehnen. Die Strategie sieht vor, Bereiche der Ökonomie zu ergattern, in Infrastrukturprojekte zu investieren, Rohstoffe zu sichern, über NGOs und militärische Ausbildung und Intervention vorzustoßen, Raum zu ergreifen auf politischen und sonstigen Ebenen.
Das internationale Gewicht Deutschlands hat enorm zugenommen, das Frankreichs mit seinem schwachen Präsidenten im Vergleich dazu enorm abgenommen. Die deutsche regierungsnahe Presse behauptet ungeniert: „Trotz der brutalen und keineswegs ruhmreichen, dafür aber wenigstens kurzen deutschen Kolonialgeschichte gilt (in Afrika, TA) Deutschland als ‚ehrlicher Makler’ und ‚verlässlicher Partner’!“ (TSP) Der Völkermord an den Hereros, die brutale Kolonialpolitik des Deutschen Reiches wird einfach, als „kurz und schmerzlich“ entsorgt. Deutschlands Rolle im neokolonialen Poker wird heruntergespielt und Deutschland als uneigennützige Friedensmacht präsentiert!
Kooperation und Konkurrenz schließen sich nicht aus. Auf dem deutsch-französischen Regierungsgipfel im Februar haben Hollande und Merkel ein verstärktes Engagement der deutsch-französischen Brigade in Afrika beschlossen. Teile der Brigade sind bereits in Mali im Einsatz. Derzeit steht sie unter französischem Kommando. Ihr gehören 6 000 deutsche und französische Soldaten an.
EU-Afrika-Gipfel Brüssel
Am 2. April. startete der vierte, zweitägige EU-Afrika-Gipfel in Brüssel. Das bislang größte internationale Spitzentreffen von RegierungschefInnen in Brüssel überhaupt. Delegationen aus über 90 Ländern nahmen teil, davon 51 aus Afrika. Es war kein Gipfel auf „Augenhöhe“ wie Merkel ihn anpries. Schon bei der Einladung haben die alten Kolonialherren bestimmt, wer darf kommen und wer nicht. Marokko und Ägypten wurde geladen, entgegen dem Willen der Afrikanischen Union. Die Demokratische Arabische Republik Sahara wurde nicht eingeladen, da Europa die Besatzung durch Marokko unterstützt. Eritrea wurde „aufgrund von Menschenrechtsverletzungen“ nicht zugelassen. Südafrikas Präsident Zuma boykottierte den Gipfel mit der Begründung, die Zeiten seien vorbei, wo Europa Vorschriften machen kann.
Das zynisches Motto des Gipfels lautete: „In Menschen, Wohlstand und Frieden investieren“. Da ist sie, die ungebrochene Sicht der kolonial-chauvinistischen, weißen Herrschernationen auf Afrika: „In Menschen investieren“, Menschen als Humankapital und Investitionsobjekte! Wen wundert es?!
Die EU gab die entscheidenden Fragen des Gipfels vor. Abwehr von Flüchtlingen, Handels- und Investitionsfreiheit für europäisches Kapital, verstärkte militärische Interventionen und Ausbau der Militärapparate in afrikanischen Ländern durch die EU. Abgezielt wird auf das Eindämmen des unaufhaltsamen Eindringens Chinas in Afrika. Alles in allem ein Konzept des Neokolonialismus, unter dem ideologischen Gesülze von „Partnerschaft“.
Kanzlerin Merkel hat das Motto des Gipfels sinnig aufgegriffen: „Mehr investieren statt nur helfen“. Sie fordert „starke wirtschaftliche Zusammenarbeit“, ebenso wie sie „das Interesse der deutschen Wirtschaft an mehr Investitionen in Afrika wecken will.“ In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Hollande, hat sie die neue Wende hin zur Verstärkung militärischer Präsenz und Einflußnahme in Afrika bestätigt: „Aus der historischen Verantwortung heraus ist es für Deutschland eine neue Wegstrecke, auch stärker in Afrika Verantwortung zu zeigen neben der klassischen Entwicklungspolitik. Heute sind wir in Mali in der Ausbildungspolitik beschäftigt und bilden malische Truppen aus.“
Merkel hat auf dem Afrika-Gipfel mit Sicherheit alle Optionen für die Neuausrichtung der deutschen Afrika-Strategie, militärisch, politisch und ökonomisch ausgelotet.
5. April 2014
1 „The Middle of the Pyramid: Dynamics of the Middle Class in Africa“, www.afrikaecho.de/2012/12/fakt-mehr-als-350-millionen-afrikaner-gehoren-der-mittelschicht-an/
2 African Center for Economic Transformation online: dandc.eu/de/article/pegnet-konferenz-afrikanische-loewen-und-asiatische-tiger
3 www.gemeinsam-fuer-afrika.de/informieren/armut-und-hunger/
4 Zentralafrika umfasst die Staaten Äquatorialguinea, Angola, Burundi, Demokratische Republik Kongo (DR Kongo), Gabun, Kamerun, Republik Kongo, São Tomé und Principe, Tschad und die Zentralafrikanische Republik (ZAR).
5 hdr.undp.org/en/countries/profiles/COG.html
6 www.welt-in-zahlen.de/laendervergleich.phtml
7 MONUC – Mission der Vereinten Nationen für die Stabilisierung in der Demokratischen Republik Kongo
8 abarrelfull.wikidot.com/european-refineries
9 liportal.giz.de/angola/wirtschaft-entwicklung/
10 zeit.de/2003/08/Umwelt_9al-Kasten
11 Alle Zahlen 2012: de.statista.com/statistik/daten/studie/184416/umfrage/gewinn-der-top-10-oel-und-gaskonzerne-weltweit/
12 www.welt-in-zahlen.de/laendervergleich.phtml
13 Rohstoffkonflikte und Rohstoffgerechtigkeit, Rohstoffhandel und Krieg in Afrika. Zu den Ursachen und Folgen bewaffneter Konflikte; www.medico.de/themen/menschenrechte/rohstoffe/dokumente/der-stoff-aus-dem-kriege-sind/48/
14 www.gesichter-afrikas.de/rohstoffe-ressourcen-in-afrika/erdoel.html
15 www.zeit.de/2003/12/Sao_Tome
16 Die Zahlen sind sehr unterschiedlich: Die Regierung gibt auf ihrer Webseite 1 622 000 EinwohnerInnen an (2010), die Weltbank 720 000 (2011) und das CIA-Factbook 686 000 (2012) Die Ergebnisse der Volkszählung (2001) wurden gefälscht, um das Pro-Kopf-Einkommen trotz der Erdöleinnahmen künstlich tief zu halten, damit weiterhin Entwicklungshilfegelder beansprucht werden konnten. Äquatorialguinea ist das einzige Land in Afrika mit spanischer Amtssprache.
17 Zum Vergleich: Das Bruttoninlandsprodukt pro Kopf von Griechenland lag im Jahr 2012 bei 22 083 US-Dollar, des Tschad bei 1 035 US-Dollar, das der Zentralafrikanischen Republik bei 483 US-Dollar. factfish.com/de/land/%C3%A4quatorialguinea,
18 de.wikipedia.org/wiki/%C3%84quatorialguinea
19 factfish.com/de/land/%C3%A4quatorialguinea
20 Friedrich-Ebert-Stiftung, Referat Afrika: Angola: Ungelöste innenpolitische Herausforderungen, Juli 2011
21 CIA World Factbook: indexmundi.com/de/angola/wirtschaft_profil.html
22 www.welt-in-zahlen.de/laendervergleich.phtml,
23 wikipedia/Angola, eingesehen Okt. 2013
24 www.welt-in-zahlen.de/laendervergliech.phtml
25 www.tradingeconomics.com/angola/inflation-cpi
26 www.unicef.org/infobycountry/angola_502.html
27 www.laenderdaten.de/wirtschaft/gini-index.aspx
28 Die Handelsbilanz Portugals wies gegenüber Angola 2012 noch einen Überschuss auf, rutschte aber 2013 in den roten Bereich. Portugal importiert heute mehr Erdöl aus Angola, als es Waren in seiner Ex-Kolonie absetzen kann. Parallel dazu steigen die angolanischen Investitionen in Portugal; presseurop.eu/de/content/article/4332681-schmutziges-geld-aus-luanda-lissabon-verschliesst-die-augen
29 www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Angola/Wirtschaft_node.html
30 Zahlen Nov 2012: Deutsch-Angolanische Wirtschafts-Initiative e.V.; dawi-initiative.com/www/index.php?site=CMS&col_id=16
31 Zahlen Nov 2012: Deutsch-Angolanische Wirtschafts-Initiative e.V.: dawi-initiative.com/www/index.php?site=CMS&col_id=16
32 gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/_SharedDocs/Pdf/Maerkte/afrika-im-fokus.pdf
33 dw.de/brasilien-investiert-in-afrika/a-15944387
34 gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/_SharedDocs/Pdf/Maerkte/afrika-im-fokus.pdf
35 auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Angola/Bilateral_node.html
36 liportal.giz.de/angola/wirtschaft-entwicklung/, März 2014
37 dw.de/deutschland-entdeckt-angola-nur-allmProzentC3ProzentA4hlich/a-16871003, März 2014
38 Zahlen 2013, Fischer Weltalmanach
39 www.welt-in-zahlen.de/laendervergleich.phtml
40 GIGA, Zentralafrika vor neuem Aufbruch? Nummer 2, 2011
41 de.wikipedia.org/wiki/Gabun
42 cia.gov/library/publications/the-world-factbook/fields/2050.html
43 cia.gov/library/publications/the-world-factbook/fields/2061.html
44 welt-in-zahlen.de/laendervergleich.phtml
45 wikipedia/Kamerun
46 MINURCAT – Mission des Nations Unies en République Centrafricaine et au Tchad. Sie existierte von September 2007 bis Ende 2010.
47 de.wikipedia.org/wiki/Tschad, März 2014
48 Friedrich-Ebert-Stiftung, Referat Afrika: „Öl-Boom im Golf von Guinea“, Okt. 2003
49 www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/fields/2050.html, und 2061.html
50 afrika-auf-einen-blick.de/sao-tome/wirtschaft.php
51 welt-auf-einen-blick.de/wirtschaft/auslandsverschuldung.php
52 GIGA: Neue Erdölfunde in Afrika: Können Konflikte vermieden werden? Nr 7, 2010
53 zeit.de/2003/12/Sao_Tome
54 welt.de/politik/ausland/article124770924/Regierung-ueberarbeitet-deutsche-Afrika-Strategie.html
55 TSP, „An fremden Fronten, Auslandseinsätze der Bundeswehr“, 28.01.2014
56 welt.de/politik/ausland/article124770924/Regierung-ueberarbeitet-deutsche-Afrika-Strategie.html
57 Interview, „Inseln der Stabilität in Afrika“, Deutsche Welle, 25.03.2014
58 TSP, 29.03.2014
59 dw.de/bundeswehr-betritt-in-afrika-bekanntes-terrain/a- 17480168
60 TSP, „Sollen die Deutschen kommen?“, Artikel über die neuen Strategien deutscher Afrikapolitik, 23.03.2014