Gedenkdemonstration – Hanau 22. August 2020
Unter diesem Motto war sechs Monate nach dem rassistischen Anschlag in der Stadt Hanau eine Gedenkdemonstration geplant. VeranstalterInnen waren die Initiative 19. Februar Hanau, die Familien, Angehörigen der Opfer, die Überlebenden und Betroffenen. Mit dieser Gedenkaktion wollten wir alle gegen den rassistischen Terroranschlag ein Zeichen setzen und unsere Forderungen laut und deutlich stellen.
Leider ist die Demonstration, zu der über 5 000 Menschen erwartet wurden, am Freitagabend von der Stadt Hanau aufgrund „der akut steigenden Zahl an Corona-Neuinfektionen“ sehrkurzfristig abgesagt worden. Alternativ wurde eine Kundgebung auf dem Freiheitsplatz für max. 249 TeilnehmerInnen und ein Livestream ab 15:00 Uhr genehmigt.
Als die Kundgebung beginnt, sind fast alle Familien, Angehörige der Opfer, Überlebende und Betroffene des rassistisch-faschistischen Anschlags anwesend bzw. auf der Bühne. Fast alle haben das Wort ergriffen.
Sie sprechen unter spürbar großer Anspannung, mit schwankender Stimme. Wut und Empörung, Zittern und Tränen in den Augen.
Für uns TeilnehmerInnen ist es auch sehr schwer. Alles einerseits Besorgnis, extrem emotional, schmerzvoll, anderseits eine Quelle für Zorn und Auflehnung. Einige RednerInnen setzen auch gegen den Staat klare Zeichen und zeigen klare Kante.
Alle Angehörigen und Überlebenden äußern ihre großen Enttäuschungen.
Konkrete Fragen, die bis heute nicht geklärt sind, werden gestellt: „Was hat die Staatsanwaltschaft bis heute gemacht? „Welche Fragen wurden lückenlos geklärt?“ „Ist dieser Anschlag ein Einzelfall?“, „Eine Sache von einem Nazi?“ „Warum hat die Polizei während des Anschlags nicht rechtzeitig reagiert? Und nicht gehandelt?“.
Zum Beispiel fragt Piter Minnemann, Überlebender des Anschlags eindringlich nach: „Wie kann es sein, dass die Polizei erst eine Stunde nach der Tat am Haus des Täters ist, obwohl sie das korrekte Nummernschild hatte?“Er beschreibt seine Gefühle: „Ich habe der Polizei die Situation geschildert und mir kam es vor, als würde ich gegen eine Wand reden. Ich habe mein Vertrauen in die Polizei komplett verloren“.
Der Bruder von Gökhan Gültekin klagt an: „Ich kann nicht verstehen, warum die Feuerwehr und die Rettungskräfte vor der Polizei am Tatort sind. Obwohl die Polizeistation nur wenige hundert Meter vom Tatort entfernt ist. Wie kann das sein, dass der hessische Innenministers Beuth von ‚exzellenter Polizeiarbeit‘ spricht. Das ist ein Behördenversagen in und vor der Tatnacht, deshalb fordern wir den Rücktritt des hessischen Innenministers Beuth, dem das bewusst und bekannt war und der das bis heute immer noch schön redet“.
„Wir kämpfen weiter für unsere Kinder,“ ruft die Mama von Ferhat Unvar und sein Cousin:„Wir fordern eine lückenlose Aufklärung der Tat“, „Rassismus muss im Keim erstickt werden. Rassismus tötet!“
Die Familien, Angehörigen und Überlebenden eint der gemeinsame Wille: „Wir haben uns ein Versprechen gegeben: Nie zu vergessen und nie zu vergeben. Solange nicht lückenlos aufgeklärt wird, solange nicht endlich Konsequenzen gezogen werden und es Gerechtigkeit gibt, solange werden wir nicht aufhören zu kämpfen.“
Wir sind mit einigen GenossInnen von verschiedenen Städten nach Hanau gefahren und haben bei der Kundgebung aktiv teilgenommen.
Für die Gedenkdemonstration in Hanau haben wir das Transparent„Staat und Nazis Hand in Hand! Organisieren wir den Widerstand!“ vorbereitet. Denn auch Hanau ist ein Beweis für die Verflechtung von Staat und Nazis. Unser Transparent war der Polizei ein Dorn im Auge. Nach etlichen Diskussionen intervenierten sie bis zum Ende der Kundgebung nicht weiter.
Auf weiteren Transparenten der Aktion heißt es: „Hanau war kein Einzelfall! Staatsversagen hat Struktur!“, „Wer den Faschismus verhindern will, der muss den Kapitalismus stürzen!“
Wir haben auch ein Flugblatt zu dem Anschlag in Hanau mit dem Titel „Kampf dem Rassismus und Faschismus! Kampf gegen das kapitalistische System! Solidarität und Widerstand!“ mitgebracht und verteilt.
Unser Kampf geht weiter!
Wir werden weiter kämpfen!