Antirassistischer – Antifaschistischer Kampf!

Staatliche Profilierung und Heuchelei

Zum 4. Mal wurde der „Nationale Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt“ mit einer „Gedenkstunde der Bundesregierung“ im Auswärtigen Amt/Berlin veranstaltet. Das war faktisch eine „interne staatliche Veranstaltung“. Nur geladene Gäste waren zugelassen. Die Öffentlich konnte nur per Livestream teilnehmen. Es ist Zynismus, wie die Regierung versucht sich als Anwältin von Angehörigen und Opfern zu profilieren.

Nicht alle Opfer und Angehörige, die unter Terror, faschistischer, rassistischer Gewalt und Mordanschlägen gelitten haben, wurden zu dieser Gedenkveranstaltung eingeladen. Staatliche Institutionen entscheiden darüber, wer teilnehmen darf und wer nicht.

Angehörige von Opfern des Polizeiterrors oder solcher Taten, die von staatlichen Gerichten nicht als Terrorakte anerkannt wurden, bleiben ausgeschlossen. Die Gleichbehandlung und der Respekt vor den Opfern und Betroffenen bleiben so eine leere Phrase auf den Lippen des deutschen Staates – eine Strategie, die darauf abzielt, jene Bewegungen zu schwächen, die sich wirklich gegen Rassismus engagieren.

Staatliches Gedenken, aber nicht für Alle!“

Dagegen setzt sich das Solidaritätsnetzwerk von Angehörigen, Betroffenen und Überlebenden rechter, rassistischer, faschistischer und antisemitischer Morde und Gewalt zur Wehr. Es fordert Transparenz, Erinnerung, Aufklärung, Gerechtigkeit und Konsequenzen. Um auf diese Forderungen aufmerksam zu machen, hat das Netzwerk eine Protestkundgebung vor dem Gebäude, in dem die offizielle staatliche Gedenkveranstaltung stattfand, organisiert.

Das Netzwerk berichtet in seiner Pressemitteilung „Staatliches Gedenken, aber nicht für Alle!“:

Heute versammelten sich rund 50Menschen auf der Jungfernbrücke in Berlin, um an einer Ergänzungskundgebung des Bundesweiten Solidaritätsnetzwerks Betroffener rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt teilzunehmen. Anlass war die jährlich stattfindende Gedenkveranstaltung des Bundesopferbeauftragten für die Opfer von Terrorismus.

Das Bundesweite Solidaritätsnetzwerk besteht aus zahlreichen Initiativen, die für ein selbstbestimmtes und würdiges Erinnern, die Aufklärung rechter, faschistischer, rassistischer Gewalttaten und finanzielle Entschädigung kämpfen. Viele der Angehörigen und Überlebenden aus dem Netzwerk fühlen sich von der offiziellen Gedenkveranstaltung ausgeschlossen. Die meisten von ihnen waren nicht eingeladen, eigen wurde die Teilnahme sogar aktiv verwehrt.“1

In den Beiträgen auf der Kundgebung, – die unserer Meinung nach nicht Ergänzung der staatlichen Heuchelei war, sondern eine Kundgebung des Protests gegen diese –, wurden die richtigen Fragen gestellt: Warum verharmlosen und ignorieren Ermittlungsbehörden und die Politik immer wieder faschistischen Terror? Warum hören sie den Angehörigen und Überlebenden nicht zu? Warum verschließen sie sich der Kritik? Warum weigern sie sich, ihre staatlichen Institutionen zu verändern?1

Wir schlagen vor, über diese Fragen eine Diskussion darüber zu führen, inwieweit dieser deutsche Staat, der in der Aufklärung so vieler Fälle von faschistischen, rassistischen, antimuslimischen, antisemitischen Gewalt- und Mordtaten völlig versagt hat und weiterhin versagt, tatsächlich ein Interesse an Aufklärung hat. Das „Staatsversagens“ bei faschistischen Anschlägen, NSU, Mölln, Hanau und viele, viele weitere Fälle deuten eindeutig auf das Gegenteil hin. Ist die Alternative dann nicht, dass sich die Initiativen, Betroffenen und Angehörigen fester zusammenschließen und ihre eigene Gedenkkultur weiter entwickeln und die Durchsetzung ihrer Forderungen gegen den Staat erkämpfen.

Die nicht geladenen Angehörigen der Opfer betonten in ihren Reden: „Wir lassen uns nicht spalten – das Gedenken am 11. März muss allen Betroffenen gelten.“

Transpi Fluchursachen bekämpfen

Rede von Saliou Jalloh, Bruder von Oury Jalloh,

bei der Ergänzungskundgebung am 11. März 2025

Mein Name ist Saliou Jalloh.

Ich stehe heute hier im Namen der Oury-Jalloh-Stiftung für Familie und Freunde.

Wir sind hier, um der Opfer von Terror zu gedenken. Doch wir haben Fragen. Wessen Namen werden hier genannt? Wessen Tod wird überhaupt anerkannt? Und wer soll aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht werden?

Die Regierung erinnert an die Opfer rechten Terrors. Doch was ist eigentlich mit denen, die durch den Staat selbst getötet wurden? Was ist mit denen, die durch Polizeigewalt auf den Straßen, in Polizeizellen oder im Gefängnis starben?

Wenn ein anerkannter Rechtsextremist mordet, dann trauert der Staat offiziell mit. Doch wenn Polizisten Schwarze Menschen oder Migrant*innen töten, werden die Täter geschützt, die Wahrheit vertuscht und die Opfer beschmutzt. Das ist keine Gerechtigkeit. Das ist Auslöschung. Ab heute weigern wir uns, diese Auslöschung hinzunehmen.

Mein Bruder Oury Jalloh floh aus Sierra Leone nach Deutschland, um Sicherheit zu finden und unsere Familie zu unterstützen. Doch stattdessen wurde er in einer Dessauer Polizeizelle an Händen und Füßen gefesselt, gefoltert und getötet. Wenige Stunden später war er bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.

Die Polizei, die Justiz, die Politik und viele Medien behaupten, er muss sich selbst angezündet haben. Unabhängige Untersuchungen zeigen jedoch:

Seine Hände und Füße waren auf einer übergroßen Matratze gefesselt. Eine feuerfeste Matratze lässt sich nicht mit einem Feuerzeug zum Brennen bringen.

Das Feuer war zu stark, um von einem einfachen Feuerzeug zu stammen.

Er war bereits tot, bevor das Feuer begann, weil er weder Kohlenmonoxid im Blut, noch Stresshormone im Urin hatte. Polizisten haben nachweislich und kollektiv gelogen. Das war Mord.

Doch anstatt die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, vertuschte der Staat die Wahrheit, vernichtete Beweise und schützte die Täter. Seit nunmehr zwei Jahrzehnten kämpfen meine Familie und viele andere für Gerechtigkeit und gegen das unerträgliche Schweigen.

Wenn wir heute Opfer von Terror betrauern, dann müssen wir alle Opfer benennen – nicht nur jene, die der Staat anerkennt, sondern auch solche, die er selbst terrorisiert hat:

Oury Jalloh, verbrannt in einer Polizeizelle in Dessau.

Mohamed Dramé, 16 Jahre alt, erschossen von der Polizei in Dortmund.

Christy Schwundeck, von der Polizei in einem Frankfurter Jobcenter erschossen.

Mareame N’deye Sarr, von der Polizei in Aschaffenburg erschossen

… und noch viele, viele weitere.

Warum wird rechter Terror öffentlich verurteilt, aber staatliche Gewalt vertuscht. Warum heißt es Nie wieder bei rechtsextremen Anschlägen, aber nicht bei Polizeimorden.

Wenn Terror dazu dient, Angst zu verbreiten und Kontrolle auszuüben, dann ist staatliche Polizeigewalt eine der ältesten und gefährlichsten Formen von Terror.

Dasselbe System, das den NSU nicht erkennen wollte und den Attentäter von Hanau nicht stoppte, hat auch die Mörder von Oury Jalloh geschützt.

Dasselbe System, das rechten Terror verharmlost, vertuscht auch die Gewalt von Polizei und Behörden.

Das ist nicht einfach nur Fahrlässigkeit von Einzelnen im System. Das ist systematische Mittäterschaft.

Terror ist Terror, egal ob von religiösen Fanatikern, ideologischen Rechtsextremen oder vom rassistischen Staat. Er wächst und gedeiht auf demselben Boden und in einem System, das ihn ermöglicht, statt ihn konsequent zu benennen und zu bekämpfen.

Wenn Politiker Hassreden normalisieren.

Wenn Medien Migranten dämonisieren.

Wenn Gerichte rassistische Morde entschuldigen.

Dann säen sie die Saat der strukturellen Gewalt.

Polizisten, die töten, haben keine Konsequenzen zu befürchten.

Die Regierung verfolgt Rassisten und Polizisten nicht konsequent.

Das sendet eine klare Botschaft, dass bestimmte Formen von Gewalt toleriert werden.

Wenn wir wirklich Nie wieder meinen, dann müssen wir das gesamte System bekämpfen, das rassistischen Terror möglich macht – auch den Teil, der im Staat selbst seine Wurzeln hat.

Keine selektive Gerechtigkeit

Kein systematisches Verschweigen und Vertuschen mehr

Kein staatlich sanktionierter Terror

Keine Gerechtigkeit, kein Frieden

Nicht heute, nicht morgen, niemals!

1 burak.blackblogs.org/2025/03/26/rede-von-saliou-jalloh-oury-jallohs-bruder-bei-der-erganzungskundgebung-am-11-marz-2025-staatliches-gedenken-aber-nicht-fur-alle/