Durch die brutale militärische Besetzung des Gebiets Rojava (zwischen Serekaniye und Gre Sıpî) durch die faschistische türkische Armee haben sich die Machtverhältnisse in dem Gebiet grundlegend verändert. In diesem besetzten Gebiet (sowie in den vorher besetzten Gebieten Cerablus und Efrin) ist die, dort seit Jahren aufgebaute freie Selbstverwaltung der QSD (Demokratische Kräfte Syriens, DKS) unter Führung der PYD-YPG de facto zerschlagen.
Die türkische Besatzungsmacht herrscht in diesen Gebieten mit den von ihr bewaffneten und ausgebildeten syrischen, teils dschihadistischen Lakaien. Aber der Widerstand der DKS in den besetzten Gebieten hält an. Mit bewaffneten Guerilla-Aktionen gehen sie gegen die Besatzer vor und versuchen die Zivilbevölkerung vor deren Gräueltaten zu schützen. Vor allem vor den, von der Türkei losgelassenen Banden der Nationalen Syrischen Armee (NSA). Heftige Gefechte toben um die Dörfer in dem besetzten Gebiet. Auch in den Städten fügen Anschläge der Demokratischen Kräfte Syriens den Besatzertruppen heftige Schäden zu. Aber die Macht liegt in Händen der türkischen Besatzungsmacht.
Der türkische faschistische Staat versucht auf der einen Seite mit seiner überlegenen Militärmaschinerie sein Machtgebiet zu erhalten und zu erweitern. Auf der anderen Seite will er durch Verhandlungen mit den USA und Russland deren Zusammenarbeit mit der QSD-PYD-YPG torpedieren. Die türkische Regierung fordert von den USA, Russland und den anderen westlichen imperialistischen Mächten, die tragende politische Kraft des freien Rojava-Projekts, die YPG-PYD, zu „terroristischen Organisationen“ zu deklarieren und zu vernichten. Oder zumindest, die Türkei nicht daran zu hindern!
Auch durch indirekte, über Russland laufende, Verhandlungen mit dem Assad-Regime versucht die Türkei ihre Pläne durchzusetzen: Für ein Syrien, in dem die PYD-YPG über keinerlei Macht mehr verfügen kann.
Die imperialistischen Mächte wiederum benutzen Befreiungsorganisationen, wie die YPG-PYD, lediglich als Mittel in ihrem gegenseitigen Kampf um die Neuaufteilung der Welt und gegen Regionalmächte, wie die Türkei.
Insofern lassen sie die Befreiungsbewegungen nicht „ganz fallen“ und versuchen sie für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. So haben sowohl die USA, als auch Russland, den türkischen Militärangriff teilweise gestoppt. Das haben sie durch temporäre Waffenstillstands-Abkommen mit der Türkei ausgehandelt.
Die USA haben ihre Stellungen in Deir ez-Zor und an der irakisch-syrischen Grenze verstärkt und damit ihr Präsenz als eine der Hauptmächte in Syrien weiterhin gesichert. Das haben sie durch die Zusammenarbeit mit den aus dem Kampfgebiet zurückgezogenen Militärkräften der Demokratischen Kräfte Syriens erreicht.
Russland hingegen hat die nordöstlichen Gebiete Syriens, den östlichen Teil Rojavas, vor der Bedrohung einer etwaigen türkischen Besetzung ‚gerettet‘. Dieses Gebiet stand seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs unter der Herrschaft der PYD-YPG (ausgenommen Qamisli, dort war die Macht zwischen PYD und dem Assad-Regime geteilt).
Russland bringt nun Schritt für Schritt das von ihm abhängige Assad-Regime in dieses Gebiet und versucht außerdem, einen Deal zwischen dem Assad-Regime und der Befreiungsbewegung QSD-PYD-YPG auszuhandeln. Dieser Deal soll die Integration der bewaffneten Kräfte der DKS in die syrische Assad- Armee umsetzen. Die Demokratischen Kräfte Syriens stellen für einen solchen Deal, der das Ende des Zusammengehens mit den USA bedeuten würde, folgende Bedingungen: „Erstens muss dieses Gebiet (Rojava) in der syrischen Verfassung als eines der Verwaltungsgebiete anerkannt werden, zweitens muß QSD (Demokratische Kräfte Syriens) in dem Verteidigungssystem Syriens institutionell einen autonomen Status erhalten.“
Das wird von Russland nicht akzeptiert. So bleiben für die Demokratischen Kräfte Syriens im Machtpoker in dem Gebiet zunächst nur die USA als unverlässlicher Partner übrig.
Über diesen Partner wiederum führt der Sprecher der KSD, Abdi, in einem Interview mit dem kurdischen Fernsehsender Rudaw am 6. November folgendes aus:
„Sie (Die USA, AdÜ) haben ein neues Projekt entwickelt. Dieses sieht vor, sich im Osten Syriens zu positionieren. Natürlich ist Öl nicht der Hauptgrund.
Wir alle wissen, dass die USA das Öl in dem Gebiet nicht braucht. Sie sagen ‚Wir wollen verhindern, dass dieses Öl nicht vom IS oder dem syrischen Regime kontrolliert wird.‘ Aber jeder weiß, dass sie (die USA, AdÜ) hier bleiben müssen und nun begründen sie das so.
Um den Beschluss (sich aus Syrien zurückzuziehen AdÜ) zu revidieren, hat man diese Begründung geschaffen. Der Grund der Existenz der USA in dem Gebiet ist nicht das Öl und wird auch in Zukunft nicht das Öl sein. In diesem Gebiet entstand ein neues Gleichgewicht. Um Teil dieses neuen Gleichgewichts zu sein, müssen die USA da bleiben. Sie wissen das.
Dieser (neue AdÜ) Beschluss wurde gefasst, um auch den Druck, der sich auf die US Regierung aufbaute, zu entkräften. Es ist nicht bekannt, wie lange die US Kräfte in dieser Form hier bleiben werden.
Für uns ist folgendes wichtig: Wir haben nie gesagt, die USA Kräfte sollen ewig hier bleiben und uns schützen. Eine solche Forderung haben wir weder an die USA noch an irgendeine andere Kraft gestellt. Wir sagen nur, dass die unter der USA-Führung stehenden internationalen Kräfte bis zur Lösung des syrischen Problems hier bleiben müssen.“i
So sieht die aktuelle Lage in Syrien heute aus.
Ein freies, demokratisches Rojava, das eine Zeitlang existierte, ist in kurzer Zeit nicht in Sicht. Trotzdem, dafür zu kämpfen ist gerecht und notwendig und muss internationalistisch unterstützt werden.
Diese internationalistische Unterstützung schließt aber nicht aus, auch Fehler in diesem Kampf solidarisch zu kritisieren.
Der Kampf für ein freies demokratisches Rojava, für das Selbstbestimmungsrecht der kurdischen Nation erfordert in Deutschland von den RevolutionärInnen und KommunistInnen vor allem, zu verstehen und zu zeigen welche verdammte imperialistische Rolle der „eigene“ Imperialismus, der deutsche Imperialismus, in dem Krieg in Syrien spielt. Es sind auch deutsche Waffen und deutsches Geld, die in Syrien mit morden!
Vor über 100 Jahren rief Karl Liebknecht in der Manifestation gegen den Krieg auf: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“. Aus Deutschland ist die beste internationalistische Unterstützung des Kampfes für ein freies Rojava, den Kampf zum Sturz des deutschen Imperialismus, der auch im Krieg in Syrien verdient, voranzutreiben.
So, GenossInnen, KommunistInnen, Revolutionäre rufen wir euch alle gemeinsam auf:
* Solidarität mit den
BefreiungskämpferInnen in Rojava!
* Nein zur Besetzung Rojavas durch den
faschistischen türkischen Staat
* Stopp dem Krieg gegen Rojava!
* Für ein freies, unabhängiges,
demokratisches Rojava!
* Imperialisten raus aus dem Mittleren Osten!
Januar 2020
i www.rudaw.net/turkish/interview/06112019