Was tun im Sozialismus?- Teil I

I. „Lehrbuch der Politischen Ökonomie“ Methode der Untersuchung

Unser grundlegendes Hauptthema ist der Zusammenbruch in den ehemals sozialistischen Ländern und die Kehrtwende, zurück in die kapitalistischen Verhältnisse. In dieser Frage haben wir bisher eine ganz klare Haltung. Dieser Prozess in den ehemals sozialistischen Ländern ist darin begründet, dass die politische Herrschaft ihre Farbe verändert hat. Aus einer kommunistischen politischen Herrschaft wurde eine revisionistische, d.h. eine bürgerliche Herrschaft. Und das brachte mit sich, dass auch alle Erfolge des Sozialismus in der Ökonomie, in der Politik, in der Kultur, ja in der ganzen Gesellschaft nach und nach abgebaut wurden.

Diese Hauptthese ist die These der Marxisten-Leninisten in der ganzen Welt gewesen. In dem ganzen Zeitabschnitt des Kampfes gegen den modernen Revisionismus Chrustschowscher Prägung haben das die KP China, die Partei der Arbeit Albanien vertreten sowie alle, die sich der neu entstehenden marxistisch-leninistische Bewegung angeschlossen haben: Die politische Revision bringt auch die ökonomische Revision mit sich. Diese Hauptthese ist unseres Erachtens nach wie vor richtig. Das Problem ist allerdings, dass in der Beantwortung der Frage, wie es dazu gekommen ist, ob es irgendwelche – auch ökonomische – Gründe dafür gegeben hat, bisher keine ausreichenden Analysen gemacht wurden. Wie hat die Ökonomie ausgesehen, bevor es dazu kam, dass die Revisionisten die Macht übernommen haben? Diese Fragen sind zwar andiskutiert, aber nicht richtig, grundlegend und tiefgehend untersucht und beantwortet worden.

Wir haben dann in unserer Arbeit gesagt, wir müssen diese Fragen anpacken und haben diskutiert, wie gehen wir dabei vor? Wie fangen wir damit an? Die Antwort darauf war im Prinzip ziemliche einfach und logisch. Wir haben uns gefragt, gibt es irgendein Dokument, das die Kommunistische Partei, die die Führung innehatte, über die Ökonomie des Sozialismus verfasst hat und in dem die Leitlinien ihrer Politik in der Ökonomie begründet werden. Es gibt dieses Dokument: „Das Lehrbuch der Politischen Ökonomie“.

Das Lehrbuch ist geschrieben worden auf der Grundlage einer breit angelegten, öffentlichen Diskussion, die ziemlich lange angedauert hat. Am Ende dieser Diskussion stand eine verbindliche, gemeinsam verfasste Version der Theorie und Praxis des ökonomischen Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR. Nicht nur in der UdSSR, sondern auch in den Volksdemokratischen Ländern Osteuropas und in China.

Insofern ist dieses Dokument das Hauptdokument, auf dessen Grundlage wir nachvollziehen können, wie die KPdSU die ökonomische Theorie des Sozialismus entwickelt und sich vorgestellt hat. Und vor allen Dingen wie diese in die Tat und die gesellschaftliche Praxis umgesetzt wurde.

Lehrbuch im Wandel der Politik

Die Geschichte der Herausgabe dieses Lehrbuches ist sehr interessant für die Diskussion. Dieses Buch wurde zum ersten Mal 1954 in Moskau veröffentlicht. Bereits nur ein (!) Jahr nach der Herausgabe der ersten Ausgabe wurde 1955 eine zweite veränderte Ausgabe verfasst. Begründung im Vorwort vom Dietz Verlag zur deutschen Ausgabe 1956 hierfür ist: „Wie schon das Erscheinungsdatum vermuten lässt, entspricht diese Ausgabe dem Forschungs- und Wissensstand, der in der marxistischen politischen Ökonomie vor dem XX.Parteitag der Sowjetunion erreicht war.“ (2. Ausgabe, S. V)

Wesentliche Veränderungen auf der Welt sollen vor sich gegangen sein, die eine Erweiterung der Grundpositionen über den Aufbau Sozialismus notwendig machten. Dann fand im April 1956 der 20.Parteitag der KPdSU statt. Auf diesem Parteitag wird das Lehrbuch als eine tolle theoretische Arbeit „gewürdigt“: „Man muß darauf hinweisen, wie beachtlich der Erfolg eines Kollektivs unserer Wirtschaftswissenschaftler – die Herausgabe eines Lehrbuchs der politischen Ökonomie und später auch der zweiten, ergänzten Ausgabe dieses Lehrbuches – ist.“

Aber auch diese reiche heute nicht mehr aus und die Tür zur weiteren Revision des Marxismus-Leninismus wird weit geöffnet. „Aber es wäre falsch, zu verschweigen, dass die Abschnitte des Lehrbuchs über die gegenwärtige Entwicklungsetappe des Kapitalismus, darunter die Frage des Charakters und der Periodizität der zyklischen Krisen sowie die fragen der politischen Ökonomie des Sozialismus eines weiteren gründlichen Studiums und einer Überarbeitung bedürfen“.1

Wir wissen, welche zentrale Bedeutung der 20. Parteitag hat und was die Erkenntnisse des 20. Parteitags der KPdSU sind. Das ist politisch die völlige Durchsetzung der revisionistischen Linie. Das sind die neuen Erkenntnisse. Auf dieser Grundlage musste das Lehrbuch per Parteitagsbeschluss um- bzw. neu geschrieben und aufgelegt werden. Die dritte Ausgabe erschien 1958/1959. Das reichte aber noch nicht aus. 1961, nach dem 22. Parteitag, wird eine vierte Ausgabe aufgelegt.

Wir können anhand der Vergleiche dieser verschiedenen Ausgaben klar nachvollziehen, in welchen Punkten die Theorie der Ökonomie des Sozialismus verändert und grundlegend revidiert wird.

Die Hauptrichtung hat ein klares Schema: die Eigentumsformen werden beständig von höheren zu niedrigeren gesellschaftlichen Eigentumsformen verändert und gehen auch in Richtung der Zulassung und Erweiterung des Privateigentums an Produktionsmitteln. Das sind also die „Verbesserungen“, „Erweiterungen“ der Theorie der Ökonomie des Sozialismus in diesen Ausgaben.

Entstehungsgeschichte:

Angefangen hat die Diskussion über die Notwendigkeit eines Lehrbuches über die politische Ökonomie schon Ende der 1930er Jahre. Das sollte praktisch „das Lehrbuch“ sein und alle bisherigen Bücher über die politische Ökonomie ersetzen.

Zunächst aber wurde 1938 die „Geschichte der ­KPdSU(B) – Kurzer Lehrgang“ herausgegeben. Bis dahin lagen viele unterschiedliche Bücher von verschiedenen Autoren mit teils sich sehr widersprechenden Versionen zur Geschichte der KPdSU (B) vor. Um unter den breiten Massen der Parteimitglieder und vor allem aber auch der unorganisierten ArbeiterInnen und Bauern sowie für die internationale Arbeiter­Innenbewegung die Geschichte der Partei bekannt und populär zu machen, wurde dieses sozusagen „offizielle Geschichtsbuch“ der Partei verfasst. Dieses Lehrbuch hatte die Partei umfassend diskutiert und kollektiv verabschiedet.

Ähnlich verlief die Debatte über die Notwendigkeit eines Lehrbuchs der politischen Ökonomie. Auch hier lagen sehr viele Bücher vor, aber fast jedes vertrat eine andere Meinung und Sichtweise. Die Grundlagen des Sozialismus und/oder Kommunismus wurden völlig unterschiedlich dargelegt. Die LeserInnen wussten nicht, was ist jetzt sozialistisch, was ist jetzt kommunistisch. N. Bucharin stellt in seiner Schrift „Ökonomik der Transformationsperiode“, 1920, fest: das und das ist sozialistisch, jenes kommunistisch. E. Preobrazenskij hingegen in seinem Werk „Die neue Ökonomik“, 1926, legte ganz anderes als sozialistisch oder kommunistisch fest. Das gleiche gilt für L. Segals Buch „Lehrbuch der Politischen Ökonomie“, 1934. Zudem lagen auch die Bücher etlicher internationaler revolutionärer, marxistischer Autoren vor, wie von Rosa Luxemburg oder von den linken Oppositionellen in Holland und Deutschland, aber auch opportunistischer wie Kautsky, über die Ökonomie des Sozialismus.

Deshalb wurde beschlossen, eine Parteidiskussion zu initiieren und eine offizielle Version der politischen Ökonomie des Sozialismus herauszugeben.

Aber nicht nur des Sozialismus. Das Buch besteht aus drei Abschnitten: „Die vorkapitalistische Produktionsweise“, „Die kapitalistische Produktionsweise“ und „Die sozialistische Produktionsweise“.

Die ersten beiden Abschnitte enthalten alle ökonomischen Formationen der Geschichte bis zum Sozialismus. Der dritte Abschnitt umfasst den Aufbau des Sozialismus, vor allem in der Sowjetunion. Da sie auf dem Weg der Errichtung des Sozialismus am weitesten fortgeschritten war. Allen ArbeiterInnen und Werktätigen auf der ganzen Welt, also in den sozialistischen und volksdemokratischen, wie in den imperialistischen und kolonialen/halbkolonialen Ländern sollte die Möglichkeit gegeben werden, aus diesem Lehrbuch zu lernen, wie die Sowjets es geschafft haben. Das war der Sinn der Herausgabe dieses Lehrbuches.

1938 startet die Diskussion und 1941 – also Mitten in der Vorbereitung und im Krieg – gibt es die ersten Diskussionen zwischen verschiedenen Parteiführern wie Stalin, Molotow, teilweise auch Kaganowitsch, und sowjetischen Ökonomiegelehrten, sowie mit Mitgliedern der Akademie der sowjetischen Wissenschaften, die sich mit der Ökonomie befassten. Im Februar 1950 erfolgt ein weiteres Gespräch von verschiedenen Ökonomen mit Stalin und es schließen sich noch drei weitere an. (Siehe Anmerkung 1 zu Gesprächen)

Themen sind Konzeption des Lehrbuchs, die Probleme des Aufbaus des Sozialismus, die Ökonomie usw.

Im November 1951 fasst das ZK der KPdSU einen Beschluss über „die Parteidiskussion über die politische Ökonomie“. Zu der Zeit liegt bereits ein erster Entwurf vor. Dieser ist uns nicht in deutscher Sprache bekannt. Wir haben versucht diesen Entwurf aus Archiven in russisch zu finden, sind damit aber noch nicht erfolgreich gewesen.

Dieser Entwurf wird in der Parteipresse veröffentlicht, ist allen zugänglich und wird umfassend diskutiert.

Auch Stalin beteiligt sich an diesen Debatten. Er verfasst einen Artikel mit dem Titel „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR“. In dieser Schrift unterstreicht er die zentrale Bedeutung des Lehrbuches. In Punkt 9 „Über die internationale Bedeutung eines marxistischen Lehrbuchs der Politischen Ökonomie“ schreibt er: „Ich denke, daß die Genossen die ganze Bedeutung eines marxistischen Lehrbuchs der politischen Ökonomie nicht erfassen. Das Lehrbuch braucht nicht nur unsere Sowjetjugend. Besonders brauchen es die Kommunisten aller Länder und die mit den Kommunisten sympathisierenden Menschen. Unsere ausländischen Genossen wollen wissen, wie wir uns von der kapitalistischen Knechtschaft befreit haben, wie wir die Ökonomie des Landes im Geiste des Sozialismus umgestaltet haben, wie wir die Freundschaft mit der Bauernschaft erlangt haben, wie wir es erreicht haben, dass sich unser unlängst noch armes und schwaches Land in ein reiches mächtiges Land verwandelt hat, was die Kollektivwirtschaften darstellen, warum wir trotz der Vergesellschaftung der Produktionsmittel die Warenproduktion, das Geld, den Handel nicht abschaffen. Sie wollen all dies und vieles andere nicht nur aus bloßer Neugier wissen, sondern um bei uns zu lernen, um unsere Erfahrungen für ihr Land auszunutzen.“2

Die Fragen, die Stalin in seiner Schrift „Ökonomische Probleme“ andiskutiert, wie zum Beispiel die Funktion des Geldes, der Warenproduktion, etc. und finden sich teilweise in der Ausgabe von 1954 überhaupt nicht wieder.

Stalin wird als eine Koryphäe behandelt, der auch am Ende des Lehrbuches hochgelobt wird. Auf einer wissenschaftliche Konferenz, Januar 1953, an der mehr als tausend sowjetische Wissenschaftler teilgenommen haben, auf der insbesondere über die Beiträge von Stalin diskutiert wurde, wird immer wieder betont, seine Beiträge seien der Gipfel der Wissenschaft. Etwas Besseres habe es bisher nicht gegeben. Das sei praktisch der Genius Stalin. Er habe jetzt endlich alle Probleme gelöst etc. Also eine unheimliche Lobhudelei. Aber, und hier zeigt sich die Funktion dieser Lobhudelei, was da als „Geniestreich“ dargestellt wird, finden wir teilweise schon in dem Buch 1954, in der ersten Fassung, nicht wieder. Das ist die Geschichte der Entstehung und schrittweisen Revision des Lehrbuches. 

In dem Lehrbuch sollen also die sowjetischen Erfahrungen allen Interessierten vermittelt werden: So haben wir es gemacht und daraus könnt ihr auch lernen. Insofern ist dieses Lehrbuch, wenn wir über die Ökonomie des Sozialismus uns Wissen aneignen und debattieren wollen, ein Grunddokument. Auf dessen Basis können wir verstehen, wie die Kommunistische Partei der Sowjetunion sich den Sozialismus in der Ökonomie vorgestellt und versucht hat zu verwirklichen. Wir können sowohl im Positiven als auch im Negativen aus diesem Buch lernen.

Es gibt praktisch kein anderes Dokument in der kommunistischen Bewegung in dem die Ökonomie des Sozialismus, in solch umfassender Form darlegt und diskutiert wird.

Eines der für uns wichtigen Probleme ist, dass in dieser Diskussion die anderen kommunistischen Parteien fast keine Rolle spielen. Obwohl sie dieses Dokument in der Hand hatten, existieren soweit wir wissen, keine Dokumente darüber, ob, und wenn ja, wie sie sich in diese Diskussion eingeschaltet haben. An der 1958er Version – also bei der revisionistischen Version des Lehrbuches – liegt eine Kritik vor, die Mao Zedong zugeschrieben wird, „Das machen wir anders als Moskau, Kritik an der sowjetischen Politökonomie“3 . Alle Zitate, auf die sich Mao beruft in diesem Buch, sind Zitate aus der revisionistischen Fassung und nicht aus der Version von 1954, die nachweislich anders ist als die von 1958. 4

Wenn wir dieses Lehrbuch kritisch analysieren, müssen wir auch diese Beiträge von Stalin mit der ersten Ausgabe des Buches vergleichen und die Frage stellen, wie weit wurde „dieser Geniestreich“ aufgenommen. Wir lassen natürlich beiseite, ob es ein Geniestreich war oder nicht, das ist eine andere Diskussion.

Über die Ökonomie des Sozialismus haben in den 1970er Jahren in der westlichen marxistischen Bewegung eine Menge Leute, wie Charles Bettelheim, „Die Klassenkämpfe in der UdSSR“, 1974, als auch die Trotzkisten Einschätzungen verfasst. In Deutschland legte Willi Dickhut (Gründer der MLPD) im Revolutionären Weg 1971/1972 die Einschätzung „Die Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion“ vor. Unter dem gleichnamigen Titel veröffentlicht in England William Bland (Gründer der Marxistisch-Leninistischen Organisation Britannien, MLOB) 1984 seine Analyse. In der Türkei sind in 2011 zwei Bücher zu diesem Thema erschienen: Hasan Ozan, „Die Restauration des Kapitalismus in der UdSSR – Die historischen Lehren der Fragen des Sozialismus“, und İbrahim Okçuoğlu, „Der Sieg des Sozialismus in der UdSSR und die Fragen der Wiedererrichtung des Kapitalismus“, beide im Akademie Verlag. Die Analyse von Willi Dickhut bewegt sich im Rahmen der Kritik von Mao Zedong an der Sowjetunion und schließt sich den Kritiken Mao Zedongs uneingeschränkt an. Während Bland, Ozan und Okçuoğlu, etc. in dieser Frage auf der Linie der Partei der Arbeit Albanien argumentieren.

Diesen Rahmen der Diskussion müssen wir heute 2014 sprengen. Die Partei der Arbeit Albanien wie auch Mao Zedong und die KP China haben – trotz Ansätzen berechtigter Kritik an Fehlern im Lehrbuch – auch vieles was richtig im Lehrbuch ist, als falsch kritisiert. Also müssen wir unseren eigenen Kopf anstrengen und unsere eigene Meinung dazu entwickeln.

Gleichzeitig ist es wichtig über die Fragen des Aufbaus des Sozialismus eine internationale Debatte zu entfalten. Die Probleme sind gigantisch, und nur zu lösen in der kollektiven Auseinandersetzung aller Kommunistischen Kräfte.

Das Studium dieses Lehrbuches soll dazu dienen. Seine Entstehungsgeschichte muss bei der Diskussion von vorne herein im Bewusstsein sein, damit wir auch einordnen können, was 1954 in dem Lehrbuch ausgeführt wird.

Bei jedem einzelnen Punkt in dem Lehrbuch müssen wir auch nachhaken, wenn es, unserer Meinung nach, irgendwelche Fehler gibt. Wir müssen kritisch prüfen, ob sich diese z.B. auch mit Stalins Meinung decken, bzw. in seinen Positionen angelegt sind. Denn natürlich sind die Marxisten-Leninisten, auch Stalin, die an dem Lehrbuch gearbeitet haben, nicht unfehlbar. Insbesondere wenn wir heute sehen, wie sich bestimmte, damals nicht so gravierende Fehler, die noch keine offene Revision waren, indem sie weiterentwickelt wurden, zum Einfallstor des modernen Revisionismus wurden.

Alle Ausgaben des Lehrbuches zur politischen Ökonomie etc. wurden in Deutsch von der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) übersetzt und herausgegeben. Sie hat dieses Buch als ihr eigenes Buch angesehen, was ja auch so gewollt war.

Die Erstausgabe ist 1954 in Moskau erschienen, und wurde 1955 ins Deutsche übersetzt. Die erste Auflage in Deutsch ist von 1955. Als sie veröffentlicht wurde, war bereits schon die zweite Version in Russisch erschienen. 5

Diese zweite Version hat in dem ersten Teil des Lehrbuches nur einige Veränderungen. Das ökonomische Grundgesetz des Feudalismus sowie des Kapitalismus wurden 1955 verändert und umgeschrieben. Das müssen wir uns klar machen. Die Verfasser des Lehrbuches haben 1954 festgestellt, das sind die ökonomischen Grundgesetze. Aber dann ergaben sich innerhalb eines einzigen Jahres, angeblich solche zentralen Entwicklungen, dass eine neue Ausgabe verfasst werden musste.

Der Dietz Verlag veröffentlichte nicht die komplette 2. Ausgabe, sondern nur ausgewählte Teile in Deutsch: „Der vorliegende Band enthält die Kapitel ‚Die allgemeine Krise des Kapitalismus’, und ‚Die Vertiefung der allgemeinen Krise des Kapitalismus nach dem zweiten Weltkrieg’ sowie den gesamten dritten Abschnitt’ Die sozialistische Produktionsweise’ aus der zweiten, ergänzten Ausgabe des Lehrbuches ‚Politische Ökonomie’, die im Jahre 1955 in Moskau erschienen ist.“6

Der Verlag stellt eine 8-seitige Schrift voran, wo wesentliche Veränderungen in dem nicht übersetzen russischen Teil knapp im deutschen zusammengefasst werden. Diese betreffen interessanter Weise die Produktionsweise der Urgemeinschaft, deren ökonomisches Grundgesetz und auch die der Sklaverei. Sie werden neu formuliert.

PÖ PolÖk

Diskussion:

Frage: Zur ersten Ausgabe der Politischen Ökonomie. Ein Grundprinzip des Marxismus-Leninismus ist die Kritik und Selbstkritik. Ich habe in diesem Buch keine einzige Stelle gelesen, wo steht, das haben wir falsch gemacht, daraus folgten diese und jene Fehler und das haben wir, oder sollten wir verändern. Das ist eine merkwürdige Methode.

Denn vor allem in einem marxistischen Lehrbuch über einen so entscheidenden geschichtlichen Abschnitt, das für die ArbeiterInnen, für die die Schulen und Universitäten verfasst wird, ist das zentral wichtig, um kritisches Denken anzustoßen. Neben den Erfolgen müssen zwingend auch die Fehler, die Irrtümer und Mängel benannt und daraus Erfahrungen gezogen werden. Und was zeigt uns diese Haltung?

Position: Dickhut diskutiert die Frage der Restauration im Spannungsfeld: ist die Sowjetunion sozialimperialistisch oder sozialistisch. In diesem Konzept geht es Dickhut vor allem darum zu beweisen, das ist ein sozialimperialistisches Land.

Die Erstausgabe des Lehrbuches ist im Großen und Ganzen ein marxistisch-leninistisches Werk, aber doch mit einigen, auch wichtigen Fehlern darin. Wir müssen uns fragen, wann und wo war dann der Bruch, da wo wir sagen müssen, das ist nicht mehr marxistisch-leninistisch. Es gibt Ansätze, die richtig sind, es wurde in der Zeit Lenins und Stalins gegen Bürokratismus gekämpft. Aber das war nicht ausreichend wie die Geschichte bewiesen hat. Die zweite Ausgabe ist schon am Hinübergleiten in den Revisionismus. Die türkischen Bücher etc. haben sich nicht mit den Ursachen beschäftigt, um einen prinzipiellen Ausgangspunkt in der Diskussion zu schaffen. Die politische Ökonomie zum Sozialismus wurde bislang essentiell nicht in der linken, revolutionären Bewegung in Nord/Kurdistan/Türkei debattiert. Zum ersten Mal machen das die beiden Bücher. Aber sie befassen sich vor allem mit der SU nach 1956 und nachdem Chrustschow an die Macht kam, diese usurpierte und den Lauf der Geschichte umdrehte.

Frage: Wie können die ganze Partei und die gesamte Bevölkerung diese grundlegenden Änderungen nicht gesehen haben?

Frage: Gab es keine Leute, die gesehen haben, dass das Revisionismus ist?

Position: Einige GenossInnen zum Beispiel haben sich schon selber gefragt, warum wird in dem Lehrbuch so auf kleinbürgerliches Eigentum und Besitz abgehoben. Wir haben das Lehrbuch im Urlaub in Venezuela 1994 gelesen. Da hat sich viel nicht mit meinem Bild und meinen Vorstellungen vom Sozialismus gedeckt. Aber wir haben das nicht weiter hinterfragt. Als wir dann aber gesehen haben, wie das von anderen benutzt wurde, haben wir uns hinterfragt.

Position: Den Bürokratismus sollten wir später diskutieren. Zentral ist das Lehrbuch, die Theorie als den zentralen Ausgangspunkt zu verstehen und zu nehmen. Und hierbei Fehler, die in der Theorie angelegt sind, kritisch zu werten. Der zweite Schritt ist die Anwendung der Theorie in der Praxis zu überprüfen. Die konkreten gesellschaftlichen Widersprüche und die vielfältige Praxis zu studieren, in der auch erkannt wurde, vieles funktioniert nicht so, wie es geplant wurde. Dieser Prozess der Erkenntnis ist fundamental: ausgehend von der Theorie, diese in der Praxis anwendend, Erfahrungen machen und damit wieder die Theorie befruchten, und wenn nötig eben auch verändern. Das ist marxistische Dialektik. Das müssen KommunistInnen offen machen, nur so können wir aus eigenen Fehlern lernen. Beispiel die Frauenfrage, die Ehescheidung etc. in der Sowjetunion. Da wurde erstmal radikal mit dem bürgerlichen Sumpf gebrochen. Das war richtig so. Dann verlief die Entwicklung allerdings in die genau gegenteilige Richtung. Anstatt, dass die Frauen sich befreien konnten, nutzten in vielen Fragen die Männer die errungene Freiheit für sich und verschafften sich neue Privilegien. Da musste gegengesteuert werden, und da wurde teilweise dann wieder in andere Extreme verfallen.

Antworten ReferentIn:

Zur Methode

Ein abschließendes Urteil sollten wir erst dann vornehmen, wenn wir das ganze Buch durchdebattiert haben. An einigen, sehr wenigen Stellen werden Mängel und Fehler angesprochen. Das werden wir anhand der Diskussion klären. Fakt ist, was Stalin auch teilweise in den Vorbereitungsdiskussionen – 1941 bis 1952 – gesagt hat: Das ist ein Lehrbuch und kein Propagandamaterial. Mit dem Lehrbuch wollen die KommunistInnen allen interessierten Menschen etwas vermitteln über die Gesetzmäßigkeiten, Erfahrungen und Schwierigkeiten des Aufbaus des Sozialismus. Das ist also seine Herangehensweise. Leider ist diese Methode in diesem Lehrbuch nicht umgesetzt worden. Das werden wir in der Diskussion sehen.

Lobhudeleien und Kult um Stalin

Es gibt schon Positionen von Stalin selbst, dass dieser Kult ihn stört, und die Menschen, die das übertreiben doppelzüngig sind und so. Das hat aber nicht ausgereicht. Fakt ist, trotz dieser Haltung von Stalin, wurde eine irre Lobhudelei weiterbetrieben, die er teilweise selbst ekelhaft fand. Trotzdem gab es das. Das hat auch teilweise eine sehr negative Rolle gespielt in der ganzen Geschichte des Prozesses der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion. Und interessant ist, dass diejenigen, die am meisten gelobhudelt haben, diejenigen waren, die später gegen den sogenannten Personenkult in der vordersten Reihe gekämpft haben.

Bis zu Stalins Tod, wurde er zu einem Halbgott stilisiert, der alles richtig und perfekt gemacht hat. Nach seinem Tod, wurde er für alles was negativ und falsch gelaufen ist, allein verantwortlich gemacht. Daraus müssen wir auch lernen. Hundert Prozentig kann man diese Überhöhungen und Übertreibungen nicht verhindern. Es wird immer irgendwelche Lobhudeleien und Lobhudler geben. Die Frage ist, wie die Kommunistische Partei dagegen ankämpft und die Volksmassen davon überzeugt, dass sie die wahren Helden der Geschichte sind.

Welche Wissenschaftler waren die Autoren?

Interessant ist, dass alle diese vier Ausgaben des Buches von der derselben Redaktion herausgegeben worden sind. Hauptredakteur ist bei all diesen Ausgaben Ostrowitjanow. Das war der verantwortliche Politökonom. Da stellt sich die Frage, was ist mit den anderen führenden Ökonomen. Bis praktisch in die 1940er Jahre war Eugen Varga, ungarischer Marxist, Chefökonom der Komintern. Er hat alle Entwicklungen der Ökonomie in der Weltwirtschaft verfolgt und analysiert. Er war zentral verantwortlich in dem Institut für Weltwirtschaft der Komintern und hat Viertel-Jahresberichte über die aktuellen Wirtschaftsentwicklungen herausgegeben, die die Grundlage der ganzen Ökonomie marxistisch ausgewertet haben. Varga ist nicht unter den Herausgebern des Lehrbuches aufgeführt und spielt in der Diskussion keine Rolle. Bis auf Schepilow 7 sind alle anderen aufgeführten Wissenschaftler auch bei allen weiteren Ausgaben in der Redaktion.

Offenbar sind das „Wissenschaftler“, deren Wissenschaft darin besteht, das was die politische herrschende Linie momentan vorgibt, in Form der Wissenschaft wiederzugeben. Das sind Opportunisten, die mit der Macht zusammengehen. Anders können wir uns das nicht erklären. Denn, wenn es sich tatsächlich um die marxistische Wissenschaft handelt, dann kann sich diese nicht von einem Jahr auf das andere – was z.B. die grundlegenden Gesetze der Ökonomie betrifft – komplett ins Gegenteil verändern. Besonders, wenn es darum geht z.B. die Ökonomie des Feudalismus einzuordnen.

Der Feudalismus war schon auf dem völlig absteigenden Ast. Da wurden die Gesetze der Ökonomie des Feudalismus neu geschrieben. Was ist denn das für eine Wissenschaft?! Und was sind das für Wissenschaftler?!

Man kann natürlich sagen, es gibt neue Erkenntnisse. Zwischen 1954 und 1955 gab es aber keine neuen Erkenntnisse, die wir kennen, die z.B. das bisherige Wissen über die Urgesellschaft irgendwie in Frage gestellt haben.

In den Sozialwissenschaften gibt es keine Wissenschaft, die objektiv, unabhängig von Klasseninteressen ist. Da ist es ganz einfach im Namen der Wissenschaft die Klasseninteressen zu vertreten, die momentan herrschen. Die sozusagen der Brötchengeber der Wissenschaftler sind.

Gab es Widerstand?

Es gab keinen Widerstand. Vor der Veröffentlichung des Lehrbuches entbrannte eine sehr heftige Diskussion in der Frage, was ist die Grundlage der sozialistischen Ökonomie. Konkret ging es darum: Ist die Vorrangigkeit der Schwerindustrie in den Grundfesten der sozialistischen Ökonomie ein zeitweiliges oder aber ein allgemeingültiges Gesetz. Wollen wir den Sozialismus entwickeln, muss dann immer die Grundlage die Schwerindustrie sein. In dieser kontroversen Diskussion vertreten Ostrowitjanow und Stalin die gleiche Position.

Die Schwerindustrie ist keine vorübergehende Grundlage, sie muss immer diese sein. Aus der ganz einfachen ökonomischen gesetzlichen Tatsache: wollen wir die Ökonomie überhaupt entwickeln, müssen wir vor allem die Grundlage dafür entwickeln. Die wichtigsten Investitionen müssen wir vor allem in diese Sparte stecken. Da ist Ostrowitjanow mit ganzem Herzen dabei. In der Lehrbuchversion von 1955 steht allerdings etwas ganz anderes, als 1954 – also kurz vor dem Tode Stalins – von Ostrowitjanow vertreten wurde. So sieht es also mit einigen Sowjetwissenschaftlern damals aus.

Interessant ist also bei dieser 1 000-köpfigen Wissenschaftlertagung, dass es keine Diskussionsveranstaltung ist, sondern eine „Applausveranstaltung“. 16 Vorträge wurden gehalten und abgeklatscht, fertig aus. Das ist also die wissenschaftliche Tagung. Und das ist abschreckend, nicht dialektisch und nicht materialistisch gewesen.

Hat niemand den Revisionismus gesehen?

Das werden wir auch im Laufe des Buches, jetzt beim Studium, immer wieder nachfragen. Wichtig ist, Stalin hat in diese Diskussion direkt eingegriffen mit der Schrift „Ökonomische Probleme des Sozialismus“. Darin sieht man, dass er praktisch in manchen Fragen ganz klar die Entwicklung hin zum Revisionismus sieht und benennt. Das Lehrbuch erscheint ein Jahr nach seinem Tod und da ist im Prinzip alles schon gelaufen.

Es gab natürlich Marxisten-Leninisten, Stalin war nicht der einzige in der KPdSU. Aber sie waren in der Minderheit. Das ist das was anhand der Dokumente klar nachgewiesen werden kann. Und Stalin spielt eine sehr große Rolle. Er ist quasi die Bremse vor der Entwicklung des offenen Revisionismus. Sein Tod hinterließ eine große Lücke. Das ist Fakt. Ob das gut ist, wieso es dazugekommen ist, ist die Frage, die wir beantworten müssen. Denn wenn ein einzelner Mensch eine so große Rolle in der kommunistischen Partei spielt, ist es ganz schlecht, birgt das in vielerlei Hinsicht eine riesige Gefahr in sich. Mit diesen Fragen werden wir im Laufe des Studiums dieses Buches immer wieder konfrontiert und wir müssen diese Fragen beantworten.

Unserer Meinung nach gibt es in diesem Buch schon Antworten darauf oder wir können unsere Antworten daraus entwickeln. Natürlich reicht auf keinen Fall aus, was in dem Lehrbuch steht. Wir müssen im nächsten Schritt das Lehrbuch mit der realen gesellschaftlichen Entwicklung in Verbindung bringen. Die gesellschaftliche Praxis, die soziale Wirklichkeit, die Klassenlage etc. alles muss mit einbezogen werden.

Da ist natürlich auch eine konkrete Diskussion über die Verfassung der UdSSR ein wichtiger Baustein: Was wurde warum und wie in dieser Verfassung festgeschrieben.

Wenn wir die Diskussion um das Lehrbuch also hinter uns haben und für uns Schlüsse ziehen, ist diese Frage also nicht vollständig geklärt. Es ist nur ein Anfang, dessen müssen wir uns bewusst sein. Aber diesen Anfang müssen wir machen.

Es ist nicht ausreichend, was bisher in dieser Frage diskutiert worden ist. Wir müssen darüber hinausgehen. Aber auch das wird nur ein Beginn sein und nicht mehr und nicht weniger.

Was hat sich konkret zwischen der 1954er und 1955er Ausgabe des Lehrbuches verändert?

In der 1955er Ausgabe (deutsche Ausgabe 1956) wurde der ganze zweite Hauptteil des Buches, „Dritter Abschnitt. Die sozialistische Produktionsweise“, den wir heute studieren, neu verfasst. Da wir beide Ausgaben vorliegen haben, können wir diese vergleichen.

Im Vorwort des Dietz Verlages zur zweiten Ausgabe heißt es: „Für unsere Propagandisten, die Lehrer und Leiter der Zirkel, Seminare und Arbeitsgemeinschaften über Probleme der politischen Ökonomie wird diese Ausgabe ohne Zweifel eine Hilfe sein.“ (2. Ausgabe, S. V) In diesem Vorwort werden die, für den Dietz Verlag „wesentlichen Veränderungen in dem nicht übersetzten Teil der zweiten Auflage des Lehrbuches“ (2. Ausgabe, S. V) aufgeführt. Interessant ist, welche angeblich wesentlichen Veränderungen zwischen 1954 und 1955 das sind: – die Definition der Produktionsverhältnisse; – das ökonomische Gesetz der Urgemeinschaft; – das ökonomische Gesetz der auf Sklaverei beruhenden Produktionsweise; – das ökonomische Grundgesetz des Feudalismus; – die Warenproduktion, Ware und Geld. Hier wurden Umstellungen und Einfügungen vorgenommen, die die Darlegung angeblich präzisieren, ergänzen und vervollständigen. Der Inflationsbegriff wird verändert. Die Periodisierung des Kapitalismus wird dahingehend abgewandelt, dass die Maschinenperiode des Kapitalismus weggelassen ist.

Das ökonomische Grundgesetz des Kapitalismus und die Definition des Reallohns werden umformuliert. Zu der Frage Produktionskosten, Profit und Profitrate werden ergänzende Erklärungen angefügt. Bei Leihkapital, Zins, Geldzirkulation, werden über Zins- und Unternehmergewinne Ergänzungen vorgenommen, etc.

Das heißt also, es sind wirklich wesentliche Veränderungen zwischen 1954 und 1955 vorgenommen worden, die aber durch nichts, keinerlei neue Fakten im Prinzip erklärt werden können.

Was hat sich zwischen 1954 und 1955 bitteschön ereignet, was bewirkt, dass das ökonomische Grundgesetz der kommunalen Produktionsweise sich verändert hat? Oder an der feudalen Produktionsweise oder der kapitalistischen Produktionsweise? Nichts!

Es hat sich nur eines verändert und zwar in der politischen Herrschaft in der Sowjetunion. Die Revisionisten haben sich mehr und mehr ausgebreitet. Nicht mehr und nicht weniger.

Und interessant ist, diesen Veränderungen fällt zum Beispiel der Parasitismus des Kapitalismus, das Parasitäre am Feudalismus, das Parasitentum in allen Ausbeutungsgesellschaften einfach zum Opfer. Gestrichen!

In der ersten Fassung 1954 heißt es: „Die Hauptzüge des ökonomischen Grundgesetzes des Feudalismus bestehen etwa in folgendem: Aneignung des Mehrprodukts durch die Feudalherren für ihre parasitäre Konsumtion durch Ausbeutung der abhängigen Bauern auf der Grundlage des Eigentums des Feudalherren an Grund und Boden und des beschränkten Eigentums des Feudalherrn an den Produzenten, den Leibeignen.“ (1. Ausgabe, 1. Band, S. 76)

In der 2. korrigierten Ausgabe wird neu formuliert: „Das ökonomische Grundgesetz des Feudalismus lautet in neuer Formulierung: Schaffung eines Mehrprodukts zur Befriedigung der Bedürfnisse der Feudalherren durch Ausbeutung der abhängigen Bauern auf der Grundlage des Eigentums der Feudalherren an Grund und Boden und ihres beschränkten Eigentums an den Produzenten, den Leibeigenen.“ (2. Ausgabe, S. VIII)

In der ersten Version wird gesagt im Feudalismus wird produziert auch für den Luxus der Feudalherren. Das ist gestrichen worden.

In der 2. Ausgabe wird nur von der Notwendigkeit der Befriedigung der Bedürfnisse der Feudalherren geredet. Genauso ist es im Kapitalismus. Und warum? Weil die Revisionisten eine andere Politik einschlagen wollen. Weil die Interessen bestimmter Schichten in der Sowjetunion tatsächlich also diesen Parasitismus in der Produktion und Konsumtion schon verdecken.

Fakt ist aber – das nennen sie auch „das Wesen betreffende Veränderung“ zwischen 1954 und 1955 – diese Veränderung ist im Prinzip völlig unmöglich. Fakt ist, dass die Revisionisten mit dieser Methode durchgekommen sind in der Sowjetunion, in der DDR und in allen volksdemokratischen Ländern, wo die kommunistischen Parteien mit an der Macht bzw. führend waren.

Die ganze kommunistische Bewegung hat diese politischen Manöver mitgemacht.

Warum wurden die Probleme nicht gesehen?

Auch wir, sowohl BP als auch TA haben das Lehrbuch über einen längeren Zeitraum sehr intensiv studiert und diskutiert. An etlichen Punkten, wie Fragen der Vergesellschaftung der Hausarbeit und Kindererziehung, wie sozialistischer Wettbewerb in der Arbeiterklasse, wie kollektive Betriebsführung oder Einzelführung, wie nachlässiger Kampf gegen den Bürokratismus, wie Kult um Personen, wurden ernsthafte und weit reichende Kritiken geäußert. Aber es erfolgte lange Zeit keine umfassende, systematische Kritik. Da haben wir uns auf den Weg gemacht und die Diskussionen vertieft und versucht umfassend in einen Rahmen zu stellen.

Das ist auch gleichzeitig eine Frage der Selbstkritik, warum haben wir das nicht gesehen und was sind die Ursachen. Aber manche Widersprüche, falschen Einschätzungen erkannten wir nicht oder konnten wir nicht erkennen, weil der Marxismus-Leninismus eine Wissenschaft ist, die wir uns aneignen müssen. Und da ist es eine Frage, wieweit wir das geschafft haben. Ja, wir haben dieses Lehrbuch so angenommen, das hat Stalin mitgeschrieben, das ist sowieso marxistisch-leninistisch und ein Dokument der KPdSU unter der Führung Stalins, darum haben wir es nicht genügend hinterfragt.

Das sind die Fragen und Aufgaben, die wir stellen und beantworten müssen, wenn wir es besser machen wollen.

In der nächsten Ausgabe folgt der Abschnitt „Die Grundzüge der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus“.

Anmerkung1:

„Die fünf Gespräche von Stalin mit Sowjetischen Ökonomen“ liegen leider nur in englischer und türkischer Sprache vor. (J. V. Stalin, „Five Conversations with Soviet Economists1941-1952 “)

Das erste Gespräch „Über Fragen der Politischen Ökonomie“ auf Tonträger aufgenommen, 29.01.1941.

Das zweite Gespräch wurde zusammengestellt aufgrund der Notizen von verschiedenen Teilnehmern, 22.02.1950.

Drittes Gespräch: Notizen der Diskussion, 24.02.1950.

Viertes Gespräch: Notizen der Diskussion, 30.05.1950.

Fünftes Gespräch: Notizen der Diskussion, 15.02.1952.

PÖ Mensch

Genosse Grinko mit ausländischen Arbeiterdelegationen, 1931

Die Sowjetunion an der Jahreswende der Revolution

Briefe unseres in die Sowjetunion entsandten

Sonderberichterstatters T.h. Neubauer

Heute abend versammelten sich die bereits in Moskau eingetroffenen Arbeiterdelegationen aus Deutschland, Österreich, Polen, Tschechoslowakei usw. im Volkskommissariat für Finanzen, um eine Aussprache mit dem Volkskommissar, Genossen Grinko, zu haben.

Genosse Grinko begrüßte die erschienenen Arbeiterdelegierten im Namen der Sowjetregierung aufs herzlichste und bat, ihm Fragen zu stellen, auf die er gern jede Antwort erteilen werde. Die Sowjetregierung führt ihre Arbeit unter der Kontrolle der breiten Massen, und zwar nicht nur des sowjetischen, sondern des internationalen Proletariats. Als erster stellte an den Volkskommissar eine Frage ein Delegierter, der Mitglied der tschechischen nationalsozialistischen Partei (Partei Benesch) ist, darauf ein deutscher Sozialdemokrat, dann ein Mitglied der polnischen Delegation; eine Reihe anderer Fragen wurden dem Genossen Grinko schriftlich vorgelegt. Genosse Grinko beantwortete diese Fragen ausführlich.

Erste Frage: Welche Mittel hat die Sowjetregierung für den sozialistischen Aufbau, und aus welchen Quellen nimmt sie diese Mittel?

Antwort: Ich muß euch bitten, mit etwas Geduld die wichtigsten Ziffern unserer Wirtschaft zur Kenntnis zu nehmen. In diesem Jahre hat die Sowjetregierung in die wirtschaftlichen Unternehmungen 17 Milliarden Rubel investiert, während des vorigen Jahres 10 Milliarden Rubel. Im Rahmen des ganzen Fünfjahrplans werden auf den sozialistischen Aufbau ungefähr 100 Milliarden Rubel verwandt werden.

Ganz berechtigt ist diese Frage, woher wir diese gewaltigen Mittel nehmen. Wir haben die Möglichkeit, sie zu nehmen, und wir nehmen sie aus dem sehr raschen Wachstum unseres Volkseinkommens. Das Volkseinkommen in den reichsten entwickeltsten kapitalistischen Ländern, und bei einer guten Konjunktur, wächst jährlich um 2-3 Prozent oder im besten Falle 4 Prozent; jedoch bei uns ist das Volkseinkommen im vorigen Jahre um 18 Prozent gewachsen, in diesem Jahre erwarten wir ein Wachstum um 30 Prozent. Noch vor einigen Jahren suchten bei uns unsere bürgerlichen Oekonomen den Beweis zu führen, daß ein größeres Wachstum des Volkseinkommens als 10 Prozent niemals zu erreichen sei. Das ist jetzt natürlich durch die Tatsachen widerlegt. Das rasche Wachstum des nationalen Einkommens ist die Grundlage für die Möglichkeit unseres sozialistischen Aufbaus.

Weiter will ich erklären, warum unser Volkseinkommen so rasch wächst. Was ist das Geheimnis dessen, daß unser Sowjetstaat, der doch verhältnismäßig sehr jung ist, außerdem von einer ganzen kapitalistischen Welt umringt – ihr kennt die Blockade gegen die Sowjetunion – ein so schnelles Wachstum aufweisen kann? Das ist durch folgendes zu erklären:

Erstens: Wir haben alle Vorkriegs- und Kriegsschulden annulliert. Die Vertreter der Bourgeoisie sprechen nicht gern über dieses Thema. Aber es ist eine Tatsache, daß wir, wenn wir diese Schulden nicht annulliert hätten, jährlich allein an Zinsen 2 Milliarden Rubel in Gold an das Ausland zahlen müßten. Die deutschen Delegierten begreifen sehr gut, was es bedeutet, solche Schulden zahlen zu müssen, gleichgültig ob dies auf der Grundlage des Dawes-PIans, des Young-Plans oder des Hoover-Moratoriums geschieht.

Zweitens: Bei uns ist die Verminderung des Volkseinkommens durch die parasitären Klassen, die Großgrundbesitzer und Kapitalisten, liquidiert. In unserem Lande seht ihr nicht das luxuriöse Leben einer parasitären Klasse; viele Ausländer, die unser Leben nur von außen her beobachten, haben den Eindruck, daß wir sehr arm leben. Der Eindruck ist nicht richtig, aber so viel ist wahr, daß wir nicht reich leben. Wir verschwenden nicht das Volkseinkommen auf unproduktive Ausgaben. Dadurch aber ersparen wir große Mittel, die wir auf den sozialistischen Aufbau verwenden.

Drittens: Eine weitere wichtige Tatsache in diesem Zusammenhang sind die Ausgaben für den Militarismus. Ein jeder von euch weiß, einen wie großen Teil in den kapitalistischen Staaten die Ausgaben für das Heereswesen ausmachen. Ich spreche jetzt aus dem Gedächtnis und ohne Notizen; daher werde ich nur ungefähr die Ziffern angeben, die jedoch von den wirklichen Zahlen nicht wesentlich abweichen.

Im englischen Budget werden fast 40 Prozent für Flotte und Heer, für den Machtapparat zur Erhaltung der Herrschaft über die Kolonien vorgesehen. Frankreich, Polen, Tschechoslowakei, Rumänien, Italien geben fast die Hälfte, andere Länder sogar mehr als die Hälfte des Budgets direkt oder indirekt für den Militarismus aus.

Auch wir sind nicht frei von Ausgaben für unsere Landesverteidigung. Wir sind von allen Seiten von kapitalistischen Ländern umringt. Es hieße die Sache des Proletariats vergessen, wenn wir uns nicht gegen etwaige Angriffe des Kapitalismus schützten. Aber unsere Ausgaben für die Landesverteidigung sind nicht größer als 6,8 Prozent des Staatsbudgets. Womit ist diese Tatsache zu erklären?

Erstens bereiten wir uns nicht vor, jemanden anzugreifen. Wir haben ausschließlich die Verteidigung des Landes vor Augen. Zweitens haben wir keine Kolonien, und wir brauchen keinen Machtapparat zur Aufrechterhaltung einer kolonialen Herrschaft. Drittens stützt sich unsere Wehrkraft neben der Technik auf das sozialistische Bewußtsein des Proletariats und der Bauern der Kollektivwirtschaften. Viertens: Wir haben die Sympathien des Proletariats der ganzen Welt. Aus diesen Gründen geben wir soviel weniger Geld für die Wehrmacht aus, als die kapitalistischen Länder, und was wir hier ersparen, können wir für den wirtschaftlichen Aufbau verwenden.

Das ist aber noch nicht alles. Unser Volkseinkommen wächst auch deswegen so schnell, weil wir in allen staatlichen und wirtschaftlichen Gebieten streng die Linie auf die Hebung der Volkswirtschaft durchführen. Von den 31 Milliarden Rubel, die wir in diesem Jahre für die weitere wirtschaftliche Entwicklung ausgeben, investieren wir 17 Milliarden in neuen Betrieben, 6 Milliarden verwenden wir zur Erweiterung der Betriebsmittel der schon bestehenden Betriebe, den Rest zu dem Zwecke des kulturellen Aufbaus.

Daraus sehen wir, daß bei uns der größte Teil dieser Mittel zur neuen Erweiterung der Produktion und dadurch zur weiteren Erhöhung des Volkseinkommens dient. Wir haben in diesem Jahre der Landwirtschaft 700 000 PS an Traktoren gegeben, und andere komplizierte Maschinen im Werte von 700 Millionen Rubel. Wir stellen in diesem Jahre mehr als 500 neue Betriebe in die Produktion ein, darunter eine Reihe von Giganten, die ihr ja gesehen habt. Stellt euch vor, welche Wirkung auf die Vermehrung der Produktion und auf die weitere Erhöhung des Volkseinkommens dies haben wird. Wir bringen das Geld zusammen, wir verschwenden es nicht für Luxus, für Bezahlung der alten Schuld, für Militarismus; wir wirtschaften sparsam mit jeder Kopeke, legen alles in der Volkswirtschaft an, und dadurch erzielen wir die ständige Steigerung des Volkseinkommens. Nehmt dazu die steigende Aktivität der Massen, den sozialistischen Wettbewerb, die Stoßbrigaden, den Aufschwung der schöpferischen Kraft in den Massen – dies alles zusammen gibt den Schlüssel zur Erkenntnis, warum bei uns eine so rasche Steigerung des Volkseinkommens möglich ist. Das sozialistische System der Volkswirtschaft gibt in dieser Hinsicht ganz andere Möglichkeiten als das kapitalistische.

Bedeutet dies, daß wir reich an Kapital sind und daß wir ohne Schwierigkeiten und ohne Sorgen aufbauen können? – durchaus nicht; angesichts der Größe der Aufgaben, die wir zu lösen haben, sind wir verhältnismäßig sehr arm an Kapital. Ich bitte die Genossen, sich in die Eigenart und die Schwierigkeit unserer Lage hineinzudenken. Wie haben die kapitalistischen Länder ihre Industrie aufgebaut? Die deutsche Industrie hat nach dem deutsch-französischen Kriege einen Sprung nach vorwärts gemacht mit Hilfe der 5 Milliarden Kriegsentschädigungen, die damals die Franzosen zahlen mußten. England hat ganze Erdteile unter seine Herrschaft gebracht und ausgebeutet, um auf der kleinen englischen Insel, in Manchester, in Liverpool, Fabriken aufbauen zu können.

Die USA. haben vor unseren Augen das ganze Mittel- und Südamerika ausgebeutet und mit Hilfe des Weltkrieges fast das ganze in Europa akkumulierte Kapital an sich gezogen. Ferner geben die kapitalistischen Staaten sich gegenseitig Anleihen. Alle exploitieren (ausbeuten, Anm. TA) sie ihre Arbeiter und Bauern. Aus diesen Quellen hat die Bourgeoisie aller kapitalistischen Länder ihre Industrie aufgebaut.

Wir haben keine Kolonien. Wir hatten als Erbe der zaristischen Vergangenheit das Recht, von China die Entschädigungen aus dem Boxeraufstand einzuziehen; wir haben darauf verzichtet. Es gibt im Innern unseres Staates eine Reihe von Gebieten, die während des Zarismus als Kolonien oder Halbkolonien verwaltet und zugrunde gerichtet wurden; wir geben große Mittel aus, um diese zurückgebliebenen Gebiete jetzt kulturell und wirtschaftlich zu heben. Wir bekommen keine Kontributionen. Wir bekommen von niemanden langfristige Anleihen, trotzdem wir solche Verpflichtungen, die wir selbst übernommen haben, absolut pünktlich zahlen. Kein einziges Land, keine einzige Firma kann sagen, daß die Sowjetunion die übernommenen Verpflichtungen nicht genau erfüllt.

Stellt euch vor, wie ungeheuer schwer es ist, wenn wir jedes Jahr riesige neue Unternehmungen aus den Mitteln aufbauen, die wir während des Jahres im Prozeß des Aufbaus sammeln müssen. Das ist begreiflicherweise eine sehr schwierige Aufgabe.

Wir haben einen starken Mangel an Kapital. Vieles können wir nicht in einem solchen Tempo und in einem solchen Umfange bauen, wie es notwendig wäre. Aber trotzdem haben wir ein so rasches Wachstum des Volkseinkommens, daß es für die kapitalistischen Länder unerreichbar ist, und uns darauf stützend, bauen wir die sozialistische Industrie und die sozialistische Landwirtschaft auf. Ich will eure Aufmerksamkeit, noch auf einen Punkt lenken. Ihr seid durch unser Land gefahren. Ihr habt den Ural, Magnitogorsk, Nishnij-Nowgorod, Dnjeprostroi, Charkow, das Donezgebiet, Sowjetgüter, Kollektivwirtschaften gesehen. Alle diese großen Unternehmungen, ebenso wie die neuen Eisenbahnlinien, wurden mit unseren Sowjetrubeln, mit unseren Tscherwonzen aufgebaut.

In der kapitalistischen Welt spricht man oft mit Ironie über unseren Tscherwonez. Unser Rubel wird nicht an den kapitalistischen Börsen notiert; er ist eine innere Valuta unseres Landes, die von den Herren aus den Ländern des Pfundes, des Dollars und sogar manchmal auch von den Herren aus dem Lande der Mark hochmütig betrachtet wird. Sie glauben, daß unsere Valuta nicht stabil sei. In Wirklichkeit ist unser Tscherwonez die stabilste Valuta der Welt.

Unlängst kam zu mir ein früherer Finanzminister, der die Valuta seines Landes stabilisieren wollte, um zu studieren, warum bei uns die Valuta nicht fällt. Er war nicht imstande, die Ursachen der Stabilität unseres Tscherwonez zu begreifen. Er konnte nicht verstehen, wie wir imstande sind, mit unserer Valuta einen so grandiosen Aufbau durchzuführen. Ungefähr vor einem Jahre, zu Beginn des dritten Jahres des Fünfjahrplanes, hat die ganze kapitalistische Welt geschrieben, daß wir uns an der Schwelle eines Bankrotts befänden, daß der Tscherwonez fallen werde, daß wir uns unmittelbar vor einer Inflation befänden, daß wir nicht imstande seien, unseren Plan zu erfüllen. Seit der Zeit ist ein Jahr verflossen. Der Tscherwonez steht fest, der Aufbau wird durchgeführt, dagegen ist jedoch das Pfund gefallen, der Dollar wackelt, die Valuta anderer Länder ist bedroht.

Wodurch hält sich unsere Valuta? – Unsere Zahlungsmittel haben eine Golddeckung. Das ist aber für uns nicht die Hauptsache. Für uns ist das Gold eine Ware wie jede andere Ware; wir können das Gold wie jede andere Ware exportieren, wenn es notwendig ist, und unser Rubel wird deswegen doch nicht schwanken. Die Grundlage der Stabilität unseres Rubels ist die Gütermenge, die der Staat in den Händen hält, und die Tatsache, daß wir selbst die Preise bestimmen.

Den Gedanken, daß diese zwei Momente die Stabilität des Rubels garantieren, können die bürgerlichen Ökonomen nicht begreifen, die nicht imstande sind, sich eine Wirtschaft ohne Konkurrenz und mit einer planmäßigen Leitung, mit den festen, vom Staate bestimmten Preisen vorzustellen. Unser Rubel ist unabhängig von den Schwankungen der kapitalistischen Börsen. Wir können die Preise bewußt und planmäßig erhöhen oder senken, aber wir sind von den elementaren Erscheinungen der anarchischen Wirtschaft der kapitalistischen Welt geschützt. Ihr Arbeiter sollt den Mechanismus unserer Währung kennenlernen, um ihn den Arbeitern in den kapitalistischen Ländern zu erklären und so gegen die Verleumdungskampagnen in den kapitalistischen Ländern zu verteidigen. Niemals werden wir erlauben, daß sich die Preise bei uns gegen die Interessen der breiten Massen der Konsumenten, der Arbeiterklasse, entwickeln.

Zweite Frage: Wie wird die Verteilung der finanziellen Mittel unter den einzelnen Unternehmungen und Betrieben durchgeführt?

Antwort: Das geschieht auf der Grundlage der Planwirtschaft. Wir haben den Fünfjahrplan, einen Plan des sozialistischen Aufbaus auf fünf Jahre. Dieser Plan ist durch unsere höchsten Organe der Gesetzgebung bestätigt und hat die Kraft eines Gesetzes. Aber die operative Durchführung der einzelnen konkreten Teile dieses Planes ist nur auf der Grundlage dieses allgemeinen Programmes allein nicht möglich.

Im Rahmen des Fünfjahrplanes stellen wir einen Wirtschaftsplan für jedes Jahr, die sogenannten Kontrollziffern, zusammen. Bei der Aufstellung dieses jährlichen Planes wird Rücksicht genommen auf die Mittel, die wir in dem betreffenden Jahre zur Verfügung haben, und darauf, welche Aufgaben aus dem fünfjährigen Plane eben in diesem Jahre durchgeführt werden sollen, welche Betriebe, Eisenbahnen, Kollektivwirtschaften, Traktorenstationen, Universitäten und anderes errichtet werden sollen, welcher Lohn gezahlt werden soll usw. Auf diese Art stellen wir für ein Jahr, für jedes Gebiet konkrete Aufgaben auf. Und im Verhältnis zu diesen Aufgaben verteilen wir die finanziellen Mittel.

Auf einem so großen Gebiete, wie unser Staat darstellt, mit über 160 Millionen Bevölkerung, ist es auch für ein Jahr ziemlich schwer, alles genau zu bestimmen. Man muß auch berücksichtigen, daß wir alle erst junge Organisatoren sind; manchmal haben wir nicht genug Erfahrungen von den älteren Generationen übernommen. Darum stellen wir noch sogenannte Quartalspläne für 3 Monate auf. Für die Ausarbeitung dieser Pläne besteht bei uns die Planwirtschaftskommission (Gosplan).

Diese Institution steht in Verbindung mit allen Volkskommissariaten, sie arbeitet die Pläne aus; die Regierung bestätigt sie, evtl. korrigiert sie sie im Prozesse ihrer Durchführung. Solche Korrekturen sind deswegen möglich, weil wir in unseren Händen immer gewisse Reserven halten.

Diese ganze Arbeit der planmäßigen Leitung der Volkswirtschaft ist eine schwere Wissenschaft und eine große revolutionäre Kunst. Manchmal arbeiten wir infolge ungenügender Erfahrung nicht ganz genau, aber es geht doch vorwärts. Es gibt bei uns scharfe Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern der einzelnen Teile der Wirtschaft; ein jeder möchte mehr bekommen, hält sein Gebiet für das wichtigste; es wird auf uns ein großer Druck von allen Seiten ausgeübt. Wir halten diesem Druck stand.

Unsere Aufgabe ist, die ausgleichende Linie zu finden. Sehr oft müssen wir die Arbeiten, die wir für weniger wichtig halten, um ein Jahr verschieben. Denen, welchen wir die angeforderten Mittel nicht bewilligen können, ist das gar nicht angenehm; sie sind mit uns unzufrieden; aber das ist keine feindliche Unzufriedenheit, sondern ein Wettbewerb der verschiedenen sozialistischen Organisationen, von denen jede ihre Aufgabe möglichst schnell durchführen will.

Wir sind dazu da, um eine richtige Linie durchzusetzen. Wer diesen Organismus nicht begreift, der wird auch nicht verstehen können, wie zwei Drittel des Volkseinkommens in einem großen Kessel gesammelt und dann richtig verteilt werden.

Wir machen dabei auch Fehler. Manchmal haben wir weitergehende Pläne aufgestellt, als unsere Erfahrung zuläßt. Wir müssen sehr acht geben, daß unsere Planarbeit nicht zum leblosen Bürokratismus wird.

Seinerzeit besuchte uns der amerikanische Wirtschaftler Stuart Chase; er besuchte oft unsere Staatsplankommission; als er nach Amerika zurückkehrte, hat er ein Buch herausgegeben, in dem er schrieb: „16 Weise (damit meinte er das Kollegium unseres Gosplans) sitzen in einer Institution, sprechen darüber, welche Fabriken in 5 Jahren gebaut werden sollen, wie das Volkseinkommen geteilt werden soll; davor würde selbst einem Henry Ford der Kopf schwindelig werden.“

Was dieser bürgerliche amerikanische Wirtschaftler nicht begreift, wird jeder einfache Arbeiter begreifen, wenn er sich des Wesens der sozialistischen Planmäßigkeit und derjenigen Methoden bewußt wird, über die ich gesprochen habe.

Dritte Frage: Welche Steuerpolitik verfolgt die Sowjetregierung?

Antwort: Wir haben kein System der indirekten Steuern auf einzelne Gegenstände wie z.B. Zündhölzer, Salz, Zucker usw. Es besteht bei uns eine allgemeine Umsatzsteuer: sie wird einmal von dem Produzenten der Ware erhoben; ihre Höhe, steht im umgekehrten Verhältnis zu der Bedeutung der Ware für die Bedürfnisse der breiten Massen.

Es besteht weiter die Steuer aus dem Einkommen der Arbeiter, Angestellten und Bauern. Diejenigen, die in der Stadt bis zu 100 Rubel Monatseinkommen, in der Provinz bis zu 70 Rubel haben, sind von dieser Steuer befreit. Die höheren Einkommen sind progressiv belastet. Ich selbst habe als Volkskommissar das für die Parteimitglieder höchste zulässige Einkommen von 300 Rubel monatlich und zahle davon monatlich 6 Rubel Steuern. Drittens besteht bei uns die Gewerbesteuer, die die bei uns noch bestellenden privaten Unternehmen zahlen. Diese Steuer ist vom Umsatz des Unternehmers abhängig. Die kleinen Handwerker und Gewerbetreibenden sind durch Pauschalierung dieser Steuer vor einer ungerechten Abschätzung ihres Einkommens geschützt. In den Dörfern wird die landwirtschaftliche Erwerbssteuer erhoben. Die armen Bauern, etwa ein Drittel der Dorfbevölkerung, sind von dieser Steuer ganz befreit, den anderen Bauern wird diese Steuer im Verhältnis zu der Größe, ihres Einkommens auferlegt. Was die Kulaken betrifft, so sage ich ganz offen, daß gegen sie die Steuerpolitik eines der Mittel ist, das wir bewußt anwenden, um sie als Klasse zu liquidieren. In dieser Hinsicht ist unser Standpunkt ganz eindeutig.

Ich habe bereits gesagt, daß unser ganzer Finanzplan der Summe von 31 Milliarden entspricht. Von dieser Summe werden 13 Milliarden aus den Erträgen unserer sozialistischen Staatsunternehmungen und 12 Milliarden aus den Steuern aufgebracht, der Rest wird durch innere Anleihen und auf ähnlichem Wege beschafft. Unsere Tendenz ist, schrittweise alle einzelnen Steuern zu beseitigen und sie durch die Erträgnisse der wirtschaftlichen Unternehmungen zu ersetzen. Die Erträge der staatlichen Unternehmungen sollen die Grundlage aller Einnahmen bilden; das ist aber vorläufig noch nicht in vollem Umfange möglich.

In diesem Zusammenhang bemerke ich noch, daß unser Staatsbudget für das Jahr 1931 kein Defizit aufweist.

Vierte Frage: Wer trägt die Lasten der Sozialpolitik?

Antwort: Bei uns sind alle Arbeiter in der Sozialversicherung und zwar ganz auf Kosten der wirtschaftlichen Unternehmungen, bei denen sie arbeiten. Die Arbeiter selbst zahlen nichts. Die Beiträge zur Sozialversicherung werden ihnen von ihrem Lohn nicht abgezogen, sondern sie werden als Zusatz zu dem Lohn von dem Unternehmer getragen. Der gesamte Aufwand der staatlichen Sozialversicherung der Arbeiterklasse kommt in diesem Jahr an 2 Milliarden Rubel heran. Im Jahre 1930 betrug er 1,4 Milliarden. Er wächst von Jahr zu Jahr. Im Rahmen dieser Versicherung erhält der Arbeiter im Falle von Krankheit seinen vollen Lohn, im Falle von Arbeitsunfähigkeit eine Rente. Ziemlich weitgehend ist die Unterstützung, die die Wöchnerinnen bekommen.

Neben dieser Versicherung besteht bei uns die staatliche Sicherstellung der Invaliden, Altersrentner und der dauernd Arbeitsunfähigen. Sie erhalten Pensionen auf Kosten des Staates.

Genosse Grinko macht dann detaillierte Angaben über die Zahl der Kinderheime, Heime für verwahrloste Kinder, und anderer ähnlicher Einrichtungen. Man beginnt jetzt diese soziale Fürsorge des Staates auch auf die Dorfarmut zu erweitern. Wir haben schon sehr viel auf diesem Gebiet getan, aber trotzdem halten wir das, was gemacht wurde, noch nicht für genügend und erhöhen diese Ausgaben von Jahr zu Jahr.

Fünfte Frage: Warum macht die Sowjetregierung Bestellungen in den kapitalistischen Ländern?

Antwort: Diese Frage haben mir die polnischen Delegierten gestellt, und sie haben wohl in erster Linie an unsere Bestellungen in Polen gedacht. Aber diese Frage hat auch eine allgemeine Bedeutung; sie ist eine ernste Frage, und ich bin verpflichtet, sie klar zu beantworten. Die Gegner unserer Politik, hauptsächlich die Trotzkisten, haben seinerzeit die Ansicht entwickelt, mit der sie zum Teil auch noch jetzt operieren, als ob unsere Politik eine Politik der „nationalen Beschränktheit“ wäre. Sie haben uns gegenüber behauptet, daß wir, um des Interesses der Sowjetunion willen, die Interessen der Weltrevolution übersehen. Für jeden denkenden Arbeiter ist es aber heute klar, und die Erfahrungen der letzten Jahre sind der stärkste Beweis dafür, daß die Festigung der Sowjetunion und unserer Industrie, der Aufbau unserer gigantischen Unternehmungen, die Aneignung der hohen Technik, die Kollektivierung der Landwirtschaft, die Liquidierung des Kulakentums als der letzten kapitalistischen Klasse bei uns, nicht nur für uns, sondern für den Kampf des gesamten internationalen Proletariats von sehr großer Wichtigkeit sind. Der Fünfjahrplan hat vom Standpunkt der Arbeiterklasse eine große internationale Bedeutung.

Warum treiben wir Handel mit dem Ausland? Wir kaufen im Auslande solche Maschinen, die wir selbst noch nicht erzeugen können. Wir sagen ganz offen vor der Arbeiterklasse der ganzen Welt, daß wir sehr oft dasjenige exportieren, was wir selbst brauchen könnten, daß wir uns in unseren Bedürfnissen einschränken, aber der Zweck alles dieses ist, das für den sozialistischen Aufbau Notwendige aus dem Ausland schnell zu bekommen. Wir bauen unsere Sowjetunion nicht als einen nationalen Staat auf, sondern als eine Festung, die nicht nur den Angriffen der kapitalistischen Welt standhalten soll, sondern die durch ihre Existenz und durch ihre Stärkung einen Gegenpol gegen die kapitalistische Welt darstellt. In den ersten Jahren nach dem Weltkriege konnte man den Arbeitern in Westeuropa erzählen, daß bei uns Zerstörung und Hunger herrschten, und wichtige Teile der Arbeiterschaft mit diesen Argumenten irreführten. Heute müssen selbst unsere Gegner im bürgerlichen Lager anerkennen, auch der Sozialdemokrat Otto Bauer (Wien) war gezwungen, in einem seiner Artikel vom September anzuerkennen, daß bei uns die Volkswirtschaft sich rascher vorwärts entwickelt, daß bei uns die Arbeitslosigkeit beseitigt ist. Diese Tatsachen sind eine wichtige Stärkung der Arbeiterschaft jenseits unserer Grenzen. In der Zeit der großen Krise und Arbeitslosigkeit in den kapitalistischen Ländern muß es auf die dortigen Arbeiter einen großen Einfluß ausüben, daß die Zahl der Arbeiter bei uns in diesem Jahre um 2,8 Millionen gestiegen ist. Angesichts von 4 ½ Millionen Arbeitslosen in Deutschland, 10 Millionen Arbeitslosen in den Vereinigten Staaten, zeigen die Resultate, unseres Systems den Arbeitermassen einen Weg in die Zukunft. Die Bestellungen, die wir im Ausland machen, beschleunigen durch Einfuhr von Maschinen den Aufbau des Sozialismus in unserem Lande, und dies ist auch vom Standpunkt der Arbeiterbewegung in den kapitalistischen Ländern äußerst wichtig.

Sechste Frage: Wird sich die Produktion in der Sowjetunion nicht so entwickeln, daß der Export der Sowjetunion die Industrie aller anderen Länder totschlägt?

Antwort: Diese Frage hängt eng mit der bekannten Dumping-Kampagne gegen die Sowjetunion zusammen. Ich will zuerst darauf aufmerksam machen, daß wir in der Weltwirtschaft vorläufig einen verhältnismäßig sehr kleinen Platz einnehmen. Unser Export beträgt nicht mehr als zwei bis drei Prozent des Weltexports. In einigen Artikeln, besonders mit Naphtha und Holz, sind wir zwar ein bedeutendes Exportland, aber nur in diesem engen Rahmen. Zweitens will ich sagen, daß wir einen unausschöpflichen inneren Markt haben. Wir können und müssen unser Land auf ein viel höheres kulturelles Niveau bringen. Wir müssen für Millionen und Millionen unserer arbeitenden Bevölkerung Wohnhäuser bauen; wir müssen ihnen Kleidung geben, sie bilden, das ganze Land mit einem Netz von Kraftwerken überziehen, dem Dorfe die Elektrizität bringen, Wege und Eisenbahnen bauen. Die Zahl unserer Bevölkerung wächst sehr rasch. Wir erleben bei uns einen großen Warenhunger. In dieser Lage haben wir weder die Notwendigkeit noch die Neigung, daran zu denken, wie wir die andere Welt mit unseren Produkten überschwemmen. Wir exportieren soviel, wie wir exportieren müssen, um die Maschinen, die wir noch nicht selbst erzeugen können, zu importieren. Wir führen eine Planwirtschaft. Wenn bei uns morgen sich ein Überfluß an bestimmten Produkten zeigen sollte, sind wir sofort imstande, die Produktion auf diesem Gebiet zu beschränken und auf andere Gebiete umzustellen. Wir sind ein proletarischer Staat, und nirgends steht für uns geschrieben, daß, wenn wir einen Überfluß an Produkten haben sollten, wir unbedingt 7 Stunden arbeiten müssen, man kann auch 6 oder 5 Stunden arbeiten.

Eine ganz andere Situation wäre es, wenn neben uns noch ein anderer proletarischer Staat bestünde. In diesem Falle ließe sich ganz gut eine planmäßige Teilung der Arbeit und der Produktion zwischen diesen beiden Staaten denken. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, die Industrie der anderen Länder zu vernichten, sondern auf die rasche Erweiterung unserer eigenen Industrie bedacht zu sein. Dieser Gesichtspunkt ist auch für unseren Export und Import entscheidend. Wir exportieren soviel, wie wir zur Sicherstellung unseres notwendigen Imports ausführen müssen. Dabei geben wir den kapitalistischen Staaten mehr zu verdienen, als wir von ihnen bekommen. Wir exportieren Rohstoffe, von ihnen aber bestellen wir hauptsächlich Maschinen, durch den Export unserer Rohstoffe wird ihre Industrie nicht bedroht, sie hätten noch eine viel größere Arbeitslosigkeit, wenn sie nicht in Handelsbeziehungen mit uns stünden.

Die Ausführungen des Genossen Grinko fanden den stürmischen Beifall sämtlicher anwesenden Delegierten. In ihrem Namen sprachen ein deutscher sozialdemokratischer Arbeiter, ein Arbeiter der polnischen Delegation und ein Mitglied der kanadischen Delegation dem Genossen Grinko den Dank der ausländischen Delegationen aus.

„Genosse Grinko vor den ausländischen Arbeiterdelegationen, T.N. Moskau, 2. November 1931“, Internationale Presse-Korrespondenz, 1931,Nr. 107, S. 2427ff; Fettungen in kursiv von TA)

1 „Bericht des ZKs der KPdSU an den XX. Parteitag, Referat von N.S. Chrustschow,“ Die Presse der Sowjetunion, 1956, Nr. 21/22, S. 558, Herausg. Presseamt beim Ministerium der Regierung der DDR.

2 Stalin, „Ökonomische Probleme des Sozialismus“, 1952, Werke, Bd. 15, S. 336, – „Ökonomische Probleme“.

3 Mao Tse-tung, „Das machen wir anders als Moskau, Kritik an der sowjetischen Politökonomie“, Herausgegeben von Helmut Martin, rororo, 1975, Titel der Schrift Mao: „Notizen nach der Lektüre des Lehrbuchs ’Politische Ökonomie’.“ 1960.

4 Die GenossInnen von komak-ml haben dazu Schulungsnotizen verfasst.

5 1955 in Moskau – immer ein Jahr später wurden die Übersetzungen veröffentlicht

6 Vorbemerkung zu der zweiten deutschen Ausgabe 1956, S. V

7 D.T. Schepilow wurde im Juli 1957 mit einem ZK Beschluss wegen „parteifeindlicher Tätigkeit in der parteifeindlichen Gruppe G.M. Malenkow, L.M . Kaganowitsch und W.M. Molotow“ von seinen Aufgaben als Sekretär des ZK und ZK Mitglied ausgeschlossen. „Die KP der SU in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Konferenzen und Plenen des ZK, Bd. XIII, S. 32