„Bündnis Sahra Wagenknecht“ BSW
Bei den EU-Wahlen im Mai und bei den Landtageswahlen im Herbst 2024 wird das BSW 1 seine „ersten parlamentarischen Auftritte“ performen …
Vorweg: Die in die Jahre gekommene, ziemlich spießig gewordene TAZ prägt aktuell einen bissig-witzigen Begriff für die Parteigänger:innen des BSW. So lautet die Überschrift eines Kommentars in der TAZ zur neuen drei Mitlieder starken BSW-Fraktion im Stadtbezirk Lichtenberg/Berlin: „Wagenknechtler reichen der CDU die Hand.“ 2
Damit haben die BSW-Parteigefolgsleute ihren Spitznamen weg. Knechte sind ausgebeutete, rechtlose „Gehilfen“ der Großgrundbesitzer im Feudalismus. Ironisch interpretiert: Die folgsamen Parteimitglieder des BSW werden als „Knechte“ von Frau Wagenknecht bezeichnet. Sehr treffend. Neben den CDUler:innen, den SPDler:innen, den Grünen und den AfDler:innen werden jetzt die Wagenknechtler:innen in der deutschen Politik mitmischen.
Die Namensgebung BSW ist ein Beispiel für die totale Personalisierung einer politischen Bewegung, indem sie den Namen einer der „Vorsitzenden“ als Programm vor sich herträgt. Das LOGO der Partei spricht hierfür auch Bände. Bisher schmückt es das Parteiprogramm sowie das Programm für die EU-Wahlen: Links: Ganz zart gedruckt das Wort „Bündnis“ und fett rechts daneben „Sahra“ und in der zweiten Zeile auch fett „Wagenknecht“. 3
Aktuell ist BSW durch zehn Abgeordnete mit Gruppenstatus im Deutschen Bundestag vertreten.
Sahra Wagenknecht ist laut Selbstdarstellung des BSW „neben anderen Personen eine der wesentlichen Initiatorinnen des BSW und führt die Partei als Co-Vorsitzende gemeinsam mit Amira Mohamed Ali. Darüber hinaus ist sie Vorsitzende der Gruppe BSW im Deutschen Bundestag“. 4
Programmatische Kernpunkte des BSW – deutsch-national!
Das Parteiprogramm des BSW ist sehr überschaubar und umfasst nur vier Seiten. Unseren Leser:innen empfehlen wir, es sich in Gänze zu Gemüte zu führen. 5
Etliche enttäuschte Linke-Wähler:innen, die sich dem BSW anschließen wollen, haben teils hochgesteckte Erwartungen an das neue Bündnis. Wer etwa der Meinung war, die neue Programmatik würde eindeutiger und klarer antikapitalistisch, antifaschistisch, antiimperialistisch ja vielleicht revolutionär sein, wird bitter enttäuscht.
Bestimmt wird die Programmatik der Partei im Wesentlichen von Frau Wagenknecht „Namensgeberin von BSW und ausgewiesen ihr prominentestes Mitglied.“ 6
Wagenknecht hat sich von Anbeginn ihrer politischen Karriere als „Kommunistin“ und vor allem gewissermaßen als Nachfolgerin von Rosa Luxemburg inszeniert. Sie hat es sich in dieser kapitalistischen Gesellschaft gemütlich und bestens eingerichtet.
Das Programm, das vorwiegend auf ihren „theoretischen Ergüssen“ beruht, ist ein Verschnitt kruder bürgerlicher, liberaler „freier Marktwirtschaftstheorien“, denen sie schon seit langem anhängt. Gleichzeitig enthält es ihr rassistisches Konzept in der Migrationsfrage.
Das BSW versucht nicht einmal, diese zentralen rechten, nationalistischen Einschätzungen und Forderungen mit linken oder marxistischen Kategorien schön zu färben.
Von Klassengesellschaft oder gar Kapitalismus keine Rede
Geprägt ist das Programm von dem Wunsch des BSW nach den „guten alten Zeiten der BRD“ und ihrer politischen und ökonomischen Verfasstheit. Offenbar ein Sehnsuchtsort für Wagenknecht. Motto: Früher war alles besser – kaum zu glauben.
Sie beklagt, „Statt Leistung zu belohnen, wurde von den Fleißigen zu den oberen Zehntausend umverteilt. Statt in einen kompetenten Staat und gute öffentliche Dienste zu investieren, haben Politiker die Wünsche einflussreicher Lobbys bedient und dadurch die öffentlichen Kassen geleert. Statt Freiheit und Meinungsvielfalt zu achten, macht sich ein autoritärer Politikstil breit, der den Bürgern vorschreiben will, wie sie zu leben, zu heizen, zu denken und zu sprechen haben.“ 7
Weiterhin wird bedauert:7 „Viele Menschen haben das Vertrauen in den Staat verloren und fühlen sich durch keine der vorhandenen Parteien mehr vertreten. Sie haben zu Recht den Eindruck, nicht mehr in dem Land zu leben, das die Bundesrepublik einmal war.“ 8
Statt die Funktionsweise des kapitalistischen Staates zu thematisieren, werden bürgerlich abstrakte Wischi-Waschi-Forderungen wie die nach der „Rückkehr zur Vernunft in der Politik“ gestellt. Und wer soll für diese „Vernunft“ sorgen? „Es braucht verlässliche Politiker“. 9 Die „gute alte“, angeblich soziale Marktwirtschaft, so wird geklagt, hat ausgedient: „Das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft gilt nicht mehr, der persönliche Wohlstand hängt längst wieder vor allem vom sozialen Status der Eltern ab.“ 10
Was verschwurbelte Theorien. …. Das „Aufstiegsversprechen“ von „sozialen“ Marktwirtschaftspropagandisten wie Ludwig Erhardt und Co war schon immer nur Betrug an den Werktätigen und hat nie in der gesellschaftlichen Wirklichkeit gewirkt. Nicht die Werktätigen, nicht die Arbeiter:innen hatten je vom sogenannten, von Wagenknecht gepriesenen, „Wirtschaftswunder“ profitiert.
Das westdeutsche Kapital war der Gewinner des „German Wirtschaftswunders“, auf der Grundlage der intensivsten Ausbeutung der Arbeiter:innenklasse in Westdeutschland und der durch die Ausbeutung der Werktätigen abhängiger Länder erbeuteten Extraprofite. Auch und gerade Arbeitsmigrant:innen die in elendigen Wohnbaracken als rechtlose, billige Arbeitskräfte untergebracht wurden, haben zu diesem Wirtschaftswunder ihren großen Teil beigetragen.
Hinterhergeschoben wird nach dem Motto ‚Jeder/jede ist seines/ihres Glückes Schmied‘: „Der persönliche Wohlstand darf keine Frage der sozialen Herkunft, sondern muss das Ergebnis von Fleiß und individueller Anstrengung sein.“ 11
Also hier ist die Katze, sozial verschlüsselt, aus dem Sack: „Sozial“, weil zunächst gegen die Rolle der Herkunft bei persönlichem Wohlstand Stellung genommen wird. Aber dann kommt es: Die Werktätigen sind im Grunde genommen selber schuld, wenn es ihnen ökonomisch schlecht geht. Sie strengen sich einfach nicht genug an und sind nicht wirklich fleißig. Sie sind keine ausgebeutete Klasse im Kapitalismus, sondern unfähig sich den Wohlstand zu erarbeiten?! Dass der Wohlstand im Kapitalismus „Ergebnis von Fleiß und individueller Anstrengung“ sei, ist eine altbekannte, große Lüge. Der Ursprung des Wohlstands im Kapitalismus ist der von den Arbeiter:innen geschaffene und von den Kapitalist:innen angeeignete Mehrwert. Es ist die Ausbeutung der Arbeiter:innenklasse. Wer diese Tatsache verschleiert, ist Anhänger:in des Kapitalismus.
Wagenknecht stellte in ihrem 2013 erschienenen Buch „Freiheit statt Kapitalismus“ eine „neue“ Wirtschaftspolitik als „kreativen Sozialismus“ vor, der eine „Marktwirtschaft ohne Kapitalismus“ sei. So sieht die Wirtschaftspolitik im BSW- Programm dann auch aus, von irgendwelchem Sozialismus keine Rede mehr. Dafür wird die „Die deutsche Industrie … als Rückgrat unseres Wohlstandes“ glorifiziert, die „erhalten bleiben muss“, aber sie sei in große Gefahr geraten. Wodurch? „Von Konzernen beeinflusste und gekaufte Politik und das Versagen der Kartellbehörden haben eine Marktwirtschaft geschaffen, in der viele Märkte nicht mehr funktionieren.“ 12
Wer wird dafür vom BSW angeklagt: „marktbeherrschende Großunternehmen … die alle anderen Marktteilnehmer aus dem Feld schlagen.“ Wer jetzt denkt, das Programm führt BASF, VW, Thyssen oder andere deutsche Großmonopolisten an, liegt weit daneben. Nein, Frau Wagenknecht und BSW meinen zuerst die US-Konzerne, wenn sie von den bösen, weil „marktbeherrschenden“ Großunternehmen reden. Sie suchen ihr Heil im Antiamerikanismus. Es wird gewettert gegen „marktbeherrschende Großunternehmen, übermächtige Finanzkonzerne wie Blackrock und übergriffige Digitalmonopolisten wie Amazon, Alphabet, Facebook, Microsoft und Apple entstanden, die allen anderen Marktteilnehmern auferlegen, Wettbewerb untergraben und die Demokratie zerstören“. 13 BSW Lösung: Marktbeherrschende – aber bitte vor allem US-amerikanische – Konzerne entflechten! Und dann weiter deutschtümelnd wie in den Programmen von FDP und AfD: „Wir brauchen wieder mehr Zukunftstechnologien made in Germany.“ 14
Auf allen politischen Ebenen zielen Wagenknecht und das BSW-Programm darauf ab, die deutsche imperialistische Großmacht als eigenständigen, führenden Akteur im Weltgeschehen zu stärken. Daher wird auch im aktuell anlaufenden Europawahlkampf der Untergang der EU in ihrer heutigen Verfasstheit beschworen und gefordert, die Eigenstaatlichkeit des deutschen Imperialismus zu fördern. Alles natürlich verbrämt mit billigen Floskeln.
„Wir brauchen Frieden in Europa auch, um unsere eigenen Interessen in der Welt zu fördern, um unseren Wohlstand und unsere sozialen Errungenschaften zu schützen, um unsere Demokratie und unser rechtsstaatliches System zu verteidigen und um unsere Wirtschaft nicht durch Sanktionen, die Verteuerung von Energie und Rohstoffen sowie die Kappung des Handels mit den Wachstumsmärkten Asiens zu schwächen.“ 15
Welche sind aber mit „unseren“ Interessen gemeint? Wessen unsere? Es geht in diesem herrschenden kapitalistischen System in Deutschland um die Interessen des deutschen Kapitals, um die Interessen des deutschen Imperialismus, wenn von „wir“, „uns“, „unser Deutschland“ gesprochen wird! Die „Wirtschaft“ ist die der Kapitalist:innen. Die Demokratie ist die der Bourgeoisie. Und das ist, was das BSW als „neue politische Partei“ vertritt. Eine neue Verteidigerin des deutschen Imperialismus, die mit anderen bürgerlichen Parteien, vor allem aber mit der stärker werdenden faschistischen Partei AfD, um die schlagkräftigste Deutschtümelei wetteifert.
Verharmlosung der Klimakatastrophe
Hier die tiefschürfende Position Wagenknechts, „Zu einer seriösen Klima- und Umweltpolitik gehört aber Ehrlichkeit: Die Energieversorgung Deutschlands lässt sich im Rahmen der heutigen Technologien nicht allein durch erneuerbare Energien sichern. Blinder Aktivismus und undurchdachte Maßnahmen helfen dem Klima nicht, aber sie gefährden unsere wirtschaftliche Substanz, verteuern das Leben der Menschen und untergraben die öffentliche Akzeptanz von sinnvollen Klimaschutzmaßnahmen.“ 15
Kurz- und mittelfristig umsetzbare Klimaschutzmaßnahmen von der Unterstützung erneuerbarer Energien über Tempolimits zum Verbot von Verbrennermotoren oder Abschaffung der Kohlekraftwerke etc. sind dem BSW offenbar ein Graus. 16
Stichwort „Soziale Gerechtigkeit“
In diesem Punkt ist der Tenor, Ungleichheit wächst, Millionen Menschen arbeiten hart, sind aber immer mehr armutsgefährdet. Stimmt. Dann werden viele Missstände aufgeführt: marodes Bildungswesen, Wohnungsnot, Krankenhäuser, Niedriglöhne etc. Stimmt auch. Und wie sieht die Lösung aus: „Wir wollen den Zerfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts stoppen und die Politik wieder (Also früher unter Adenauer bis Merkel war alles besser!!!) am Gemeinwohl ausrichten. Unser Ziel ist eine faire Leistungsgesellschaft mit echter Chancengleichheit und einem hohen Grad an sozialer Sicherheit. … Zugleich braucht unser Land einen zuverlässigen16Sozialstaat.“ 17 Sozialstaat im wahren Sinne des Wortes im Kapitalismus! Ein Ding der Unmöglichkeit als Lösungsvorschlag! Eine große Lüge!
Krieg und Frieden
Das BSW-Programm stellt seine Vorstellungen zur Außenpolitik ausdrücklich in die Tradition von Willy Brandt und dem „sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow“, die angeblich eine Entspannungspolitik betrieben hätten: „Unsere Außenpolitik steht in der Tradition des Bundeskanzlers Willy Brandt und des sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, die dem Denken und Handeln in der Logik des Kalten Krieges eine Politik der Entspannung, des Interessenausgleichs und der internationalen Zusammenarbeit entgegengesetzt haben“. 18
Und weiter „Die Lösung von Konflikten mit militärischen Mitteln lehnen wir grundsätzlich ab. Den Einsatz deutscher Soldaten in internationalen Kriegen lehnen wir ebenso ab wie ihre Stationierung an der russischen Grenze oder im Südchinesischen Meer.“ 19
Das ist aktuell der Punkt, in dem sich das BSW, von anderen bürgerlichen Parteien – ausgenommen der Linke und der faschistischen AfD – trennt.
Das BSW positioniert sich aktuell als „Friedenspartei“. Die Erklärung „grundsätzlich“ nehmen wir allerdings von keiner bürgerlichen Partei ernst. Wir wissen, dass die erklärten Grundsätze flöten gehen, wenn es der „Sachzwang“ erfordert. Siehe die ehemalige Friedens- und Umweltpartei, die Grünen, an der Macht. Das BSW ist gegen den laufenden Krieg in der Ukraine.
Natürliche Verbündete sind für das BSW Russland und China, die angeblich keine aggressive imperiale Politik verfolgen. Für das BSW stellt lediglich die US-Führungsmacht imperiale Weltherrschaftsansprüche: „Eine Militärallianz, deren Führungsmacht in den zurückliegenden Jahren fünf Länder völkerrechtswidrig überfallen und in diesen Kriegen mehr als 1 Million Menschen getötet hat, schürt Bedrohungsgefühle und Abwehrreaktionen und trägt so zu globaler Instabilität bei.“ 20 Und weiter: „Europa benötigt eine stabile Sicherheitsarchitektur, die längerfristig auch Russland einschließen sollte.“ 21 Antiamerikanismus und pro Großmacht Russland – eine nette Mischung! Da schlägt die alte SED-Liebe zum russischen, revisionistisch-sozialimperialistischen Großreich der 1956er bis 1990er Jahre durch.
Aber das alles doch aus Sorge um die Großmachtstellung Deutschlands: „Unser Ziel ist ein eigenständiges Europa souveräner Demokratien in einer multipolaren Welt und keine neue Blockkonfrontation, in der Europa zwischen den USA und dem sich immer selbstbewusster formierenden neuen Machtblock um China und Russland zerrieben wird.“ 22
Deutscher Chauvinismus und Nationalismus – Frau Wagenknecht & BSW zu Migration und Rassismus
Aktuell brennende Fragen der Migration, die Abschottung der EU-Grenzen, die faktische Aufhebung des Asylrechtes auf der ganzen Linie und eine immer weiter anwachsende, ungebremste Welle von Rassismus, von faschistischen Angriffen auf Geflüchtete, von Polizeigewalt gegen Migrant:innen, zunehmende Faschisierung in allen Ländern weltweit und insbesondere in der BRD … nichts dagegen findet sich im Programm des BSW.
Das BSW kann sich gerade mal aufschwingen, unter dem Stichwort „Freiheit“ zu verkünden: „Rechtsextreme, rassistische und gewaltbereite Ideologien jeder Art lehnen wir ab.“ 23 Das war‘s.
Aber ausführlich widmet sich das Programm der Frage, wie die Migration in dieses Land gestoppt werden kann. Das war auch nicht anders zu erwarten: Mal ganz abgesehen von den Jahren, in denen Wagenknecht in der Linken Partei organisiert war und die Politik der Linken-geführten Landesregierungen zu Abschiebungen und Einschränkungen des Asylrechtes aktiv unterstützt hat, zieht sich in dieser Frage eine Kette ihrer deutlich rassistisch, deutschchauvinistischen Äußerungen durch.
Zum Beispiel als 2016 eine Hasswelle gegen afrikanische Geflüchtete von Bild Zeitung bis in alle politischen Lager aufschlug, verkündete Wagenknecht, „Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht dann auch verwirkt. Und das ist auch von der Linken eine ganz klare Position.“ 24
Die schärfsten nationalistischen Meinungsäußerungen sind in ihrem Buch „Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenarbeit“ nachzulesen. Migrant:innen werden für alles verantwortlich gemacht. So verhindern sie in den Betrieben angeblich „den Zusammenhalt unter den Beschäftigten und (stärken) damit eine schwächere Position in Lohnauseinandersetzungen.“ 25
Im Vier-Seiten-Programm des BSW wird weitschweifend ausgeführt: „Zuwanderung und das Miteinander unterschiedlicher Kulturen können eine Bereicherung sein. Das gilt aber nur, solange der Zuzug auf eine Größenordnung begrenzt bleibt, die unser Land und seine Infrastruktur nicht überfordert, und sofern Integration aktiv gefördert wird und gelingt.“ Also ganz klipp und klar, die Hauptforderung lautet in diesem Programm: „Der Zuzug muss … begrenzt werden!“ Das heißt nichts anders als: Wir wollen nur die Migrant:innen, die wir brauchen und auf keinen Fall zu viele davon! Und die unsägliche Ansage „das Miteinander unterschiedlicher Kulturen könne eine Bereicherung sein“, legt nahe, dass dieses Miteinander sehr häufig nicht bereichernd ist. Und wer ist daran schuld, nicht etwa der deutsche Nationalismus, Chauvinismus und Rassismus, sondern die Migrant:innen!
Und weiter heißt es in diesem Programmabschnitt: „Wir wissen: Den Preis für verschärfte Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum, um Jobs mit niedrigen Löhnen und für eine misslungene Integration zahlen in erster Linie diejenigen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Wer in seiner Heimat politisch verfolgt wird, hat Anspruch auf Asyl. Aber Migration ist nicht die Lösung für das Problem der Armut auf unserer Welt. Stattdessen brauchen wir faire Weltwirtschaftsbeziehungen und eine Politik, die sich um mehr Perspektiven in den Heimatländern bemüht.“ 26
Raffiniert werden hier unterschwellig aber offensiv die deutschen Arbeiter:innen als die Hauptleidtragenden hingestellt. Sie seien es, die den Preis zahlen müssen, für Wohnraum und Konkurrenz um Arbeitsplätze. Ohne Migrant:innen gäbe es diese Konkurrenz nicht?
Der „Anspruch auf Asyl“ wird gerade noch erwähnt, wenngleich auch in den von der Linken Partei mitregierten Ländern fleißig abgeschoben und keineswegs das Asylrecht „gewährt“ wurde.
Das Lösungsangebot des BSW: „Faire Weltwirtschaftsbeziehungen und Bemühung um mehr Perspektiven in den Heimatländern“ ist nichts als inhaltsloses Blabla.
In der Praxis hat das BSW hinsichtlich rassistischer Politik gegenüber geflüchteten Menschen keinen Unterschied zur AfD. Bei der Debatte über die „Bezahlkarte“ für Geflüchtete im Bundestag am 12. April 2024 trat Klaus Ernst als Sprecher der Gruppe BSW als einer der eifrigsten Befürworter der Bezahlkarte auf. Damit werden Geflüchtete ausgegrenzt, herabgewürdigt und völlig unmündig gemacht. Am Ende der Debatte hat das BSW gemeinsam mit den Parteien der Ampelkoalition (ausgenommen einer einzigen Gegenstimme aus den Reihen der Grünen) und der AfD für die Einführung der Bezahlkarte gestimmt. Schöne rechte deutsche Volksfront! Gegen Geflüchtete. 27
Zusammengefasst: Das BSW ist mit diesem Programm und dem aktuell auch verabschiedeten Programm zu den Europawahlen für fortschrittliche, linke, antifaschistische, revolutionäre Personen und Organisationen auf keinen Fall eine Alternative.
Am 24. April hat das BSW seine Europa-Wahlkampfkampagne gestartet mit dem Hauptslogan: „Für Vernunft und Gerechtigkeit“. Dominierend sowohl bei der Auftakt-Pressekonferenz als auch bei der medialen Präsenz des BSW ist Sahra Wagenknecht auch hinsichtlich der Bildgestaltung der Wahl-Plakate wie der Inhalte.
Das hat eine pikante Note: Wagenknecht ist keine Kandidatin auf der Wahlliste des BSW für die Europawahlen. Aber die Chefin ist allgegenwärtig!
Wahlperspektiven – Wählerpotential BSW
Bundesweit liegen die Zustimmungswerte für BSW ungefähr bei 7 Prozent in aktuellen monatlichen Umfragen. Die FDP bei 6 Prozent, die Linke bei 3 Prozent. In einer Befragung vom Februar 2024 können sich in Westdeutschland insgesamt 24 Prozent der Befragten vorstellen, BSW zu wählen, in Ostdeutschland sind es 40 Prozent.
Im Wählerprofil erhält BSW circa 19 Prozent von den sich als „links“ bezeichnenden Menschen und 22 Prozent von denjenigen, die sich selbst als rechtsstehend bewerten. Wagenknecht sahnt also bei „Rechts“ und „Links“ ab.
Das deutschnationalistische Programm des BSW ist insbesondere für diejenigen maßgeschneidert, die vor allem in Ostdeutschland die AfD wählen.
Ein Plakat der AfD-Bitterfeld bei früheren Wahlen zeigt das Konterfei von Wagenknecht mit der Aufschrift: „SAHRA HAT RECHT. ‚ZUWANDERUNG BEGRENZEN.‘ EINE FORDERUNG DIE WIR UMSETZEN WERDEN. AfD WÄHLEN!“. Sahra Wagenknechts Bündnis ist vor allem eine Alternative für die „linken“ AfD Wähler:innen! Alternative zur Alternative!
Der Zuwachs an Mitgliedern im BSW (Stand 31.03.24) liegt höher als die Doppelspitze, Amira Mohamed Ali und Sahra Wagenknecht des BSW, erwartet hatten. Aktuell hat BSW 500 Mitglieder, insgesamt wurden 1 000 Anträge erwartet. Bereits im März 2024 wurden 8 000 Mitgliedsanträge gestellt und 1 700 Menschen haben sich als Unterstützer:innen registrieren lassen. 28
Neue Partei – neue Politik
Beispiel Lokalpolitik Berlin
Ein zentrales Thema der BSWler:innen ist in stramm deutscher Tradition: Die Migrationspolitik. „Innovativer“ lokal-politischer BSW-Vorschlag: „Geflüchteten-Unterkünfte sollen in den reichen Vierteln wie Zehlendorf“ etc. angesiedelt werden. Hingegen sollen die „armen Bezirke“ wie Lichtenberg, diese sind ausgesprochen naziverseucht, bitte verschont werden, damit die Nazis nicht noch stärker werden. Ein Nein für weitere Unterkünfte in diesem Bezirk schließt das BSW nicht aus und macht „Kooperationsangebote“ an die CDU, gemeinsam dagegen zu stimmen.
Der satirische Knaller in dieser Lokal-Posse ist allerdings die neue Verkehrspolitik der BSW. Seit dem die unsägliche Verkehrssenatorin CDU-Schreier im Berliner Senat regiert, werden Verkehrsberuhigungen, Tempolimits, Radwege etc. einfach abgeschafft. Ihr Motto: „Freie Fahrt für freie Bürger“. Dem jetzt immer ungebremsteren Auto-Wahn werden Fuß- und Fahrradfahrer:innen geopfert. Die revolutionäre, innovative Parole des BSW lautet: „Wir wenden uns im Bezirk klar gegen die Pollerkultur“ und „Es gibt in einer Großstadt kein Recht auf Abschottung“. Also noch mehr Verkehrstote, verletzte Kinder und ältere Menschen, da Fußgänger- und Fahrradfahrer:innen-Schutz „Abschottung“ bedeute! 29
Ohne Moos nix los!
Offensiv wird auf der Webseite bsw-vg.de um Knete geworben. In der Rubrik „Fragen und Antworten“ im Unterordner „Unterstützer, Förderer & Mitglieder“ wird die Frage: „Ich will Sarah Wagenknecht unterstützen, möchte aber kein Mitglied der Partei werden. Wie mache ich das?“ wie folgt beantwortet: „Das ist sehr einfach und effektiv möglich. Einerseits benötigt die junge Partei eine stetige Einnahmebasis. Diese können Sie vergrößern, indem Sie eine monatliche Dauerspende einrichten und so Förderer werden. Dies geht ab 1 Euro im Monat.“ 30 Damit kommt die neue Partei natürlich nicht weit. Aber zum Glück gibt es ja noch spendable Kapitalist:innen-Ehepaare aus der Hightech-Branche. Eines davon hat im Januar mal ganz locker 1 Mio. Euro und im März eine Großspende von 4,1 Mio. Euro an das BSW rübergeschoben.
Verwendungszweck: Für die „Friedenspolitik“ des BSW, so die Spender:innen. Wagenknecht kommentiert: „Diese sehr großzügige Spende zeigt, wie sich die Menschen einen Neubeginn in Deutschland wünschen.“ 31 Bravo! So schnell ist BSW in der korrupten kapitalistischen Parteienfinanzierung in der BRD angekommen! Die anderen bürgerlichen Parteien werden es neiden!
Exemplarisch ausgewählte angeblich „antikapitalistische Schriften“ von Wagenknecht
Diskussionsbeitrag auf der Bundeskonferenz der Kommunistischen Plattform der PDS“ 32 1995
„Antisozialistische Strategien im Zeitalter der Systemauseinandersetzung. Zwei Taktiken im Kampf gegen die sozialistische Welt.“ 33, 1995
„Sahra Wagenknecht und Jürgen Elsässer: Vorwärts und vergessen? Ein Streit um Marx, Lenin, Ulbricht und die verzweifelte Aktualität des Kommunismus.“ 34, 1996
„Kapitalismus im Koma. Eine sozialistische Diagnose.“ 35, 2003
„Was ist und was mißt Wert? Die Marxsche Arbeitswerttheorie“ 36, 2005
„(Hrsg.), „Armut und Reichtum heute. Eine Gegenwartsanalyse.“ 37 2007
„Freiheit statt Kapitalismus. Über vergessene Ideale, die Eurokrise und unsere Zukunft.“ 38, 2012
„Kapitalismus, was tun? Schriften zur Krise.“ 392013
„Reichtum ohne Gier. Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten.“40, 2016
„Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt.“ 41, 2021