Erklärung des Zentralkomitees der
Bolschewistischen Partei (Nord Kurdistan/Türkei)
Genossinnen und Genossen,
die in Nordkurdistan/Türkei und auf der ganzen Welt für eine neue Welt ohne Ausbeutung, eine Welt des Sozialismus und Kommunismus kämpfen…
ArbeiterInnen und Werktätige Nordkurdistans und der Türkei…
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker…
Unser Wort gilt euch!
Unsere bolschewistische Partei hat ihren elften Kongress vor kurzem erfolgreich abgeschlossen. Unser Kongress wurde von Delegierten, die in allen Parteizellen gewählt worden sind, konstituiert. Auch eine von unserer Geschwisterorganisation, Bolschewistische Initiative Deutschland, gesandte Gastdelegation nahm an unserem Kongress teil.
Unser Kongress hat die ökonomischen und politischen Entwicklungen für die Zeit zwischen 2015 und 2019 eingeschätzt. Die politische und organisatorische Entwicklung unserer Partei wurde selbstkritischgeprüft. Über den vom zehnten Zentralkomitee (ZK) vor dem Kongress zur Parteidiskussion gestellten „Politischen Bericht“ und „Tätigkeitsbericht“ wurden auf dem Kongress fruchtbare Diskussionen geführt. Beide wurden mit einigen angenommenen Veränderungen sowie mit im Protokoll festgehaltenen Minderheitspositionen einiger weniger GenossInnen einstimmig verabschiedet.
Verschiedene vor dem Kongress zur Parteidiskussion vorgelegte Beschlussentwürfe wurden nach eingehender Diskussion beschlossen. Unser Kongress hat auch sehr vorwärtsbringendeDebatten über die Arbeit in der vor uns liegenden Phase geführt und diesbezüglich Empfehlungen hinsichtlich des Arbeitsplans beschlossen.
Unser Kongress hat seine Arbeiten mit der Wahl der Mitglieder des neuen ZK, die auf Grundlage einer tiefgehenden Einschätzung und Aussprache aller zur Wahl stehenden KandidatInnen durchgeführt wurde, abgeschlossen.
Der Weg zur Verhinderung des Kriegs: Revolutionen unter Führung des Proletariats
* Unser Kongress fand zu einer Zeit statt, in der sich der Kampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen den imperialistischen Mächten intensiviert hat. Die großen Veränderungen innerhalb der Kräfteverhältnisse der imperialistischen Mächte brachte und bringt unausweichlich die Verschärfung der Widersprüche, wie auch die Intensivierung der Kämpfe um die Neuaufteilung unter diesen Mächten mit sich.
Diese Auseinandersetzungen laufen momentan nicht in Form eines neuen imperialistischen Weltkriegs, in dem die imperialistischen Großmächte in verschiedenen Bündnissen direkt gegeneinander Krieg führen. Sondern sie laufen in Form von Rivalitätskämpfen, in denen sie mit allen Mitteln versuchen, in den vom Imperialismus abhängigen Ländern die eigenen Einflussgebiete zu erweitern und die Einflussgebiete der Konkurrenten einzuengen.
Ihre Mittel sind vor allem Handels- und ökonomische Kriege, Justiz- und Militärputsche und Stellvertreterkriege. Aber die imperialistische Welt bewegt sich in großen Schritten in Richtung dritter Weltkrieg. Die Vorstellung, bei den enormen Verschiebungen der Kräfteverhältnisse in der imperialistischen Welt könne die Neuaufteilung ohne Krieg vor sich gehen, ist – im besten Fall – eine gefährliche Illusion.
Das Treiben der imperialistischen Welt in einen neuen Weltkrieg aufhalten und überhaupt die Welt und die Menschheit vor imperialistischen Kriegen retten können einzig und allein bolschewistische Revolutionen. Im Friedenskampf gegen die rasant anwachsende Gefahr eines Weltkriegs ist heute die Aufgabe der KommunistInnen, diese Wahrheit unter den friedliebenden Massen unermüdlich zu verbreiten. Unser Kongress hat diese Aufgabe noch einmal unterstrichen.
Der Kampf gegen den sich entwickelnden Rassismus und Faschismus muss als ein Teil des Kampfes gegen den Kapitalismus geführt werden!
*Die Vorbereitung der Imperialisten auf einen neuen Weltkrieg spiegelt sich in der Innenpolitik der einzelnen Länder unter anderem in der Entwicklung des Rassismus und Faschismus in fast allen Ländern der Welt.
Der Lack der von der Bourgeoisie verbreiteten Lügen nach dem Zusammenbruch der sozialimperialistischen Lager über „das Ende des Kommunismus“, „der Epoche des Sieges der liberalen Demokratie“, „das Ende der Geschichte“ ist in kurzer Zeit völlig abgeblättert. Die Entwicklungen in den letzten vier Jahren zeigen, dass sich in der imperialistischen Welt insgesamt eine Rechtsentwicklung als Tendenz durchsetzt.
Diese zeigt sich vor allem in der Entwicklung des Rassismus, des Faschismus und der Suche nach starken „Führern“. In allen kapitalistisch/imperialistischen Ländern, einschließlich der „demokratischsten“(!) und in den vom Imperialismus abhängigen Ländern fachen die Herrschenden unter der falschen Flagge des „Kampfes gegen den Terrorismus“ den Rassismus an.
Der gerechte Zorn, der unter den werktätigen Massen brodelt gegen den täglichen Abbau errungener Rechte, wird von den Herrschenden mit Hilfe des Rassismus auf die „Anderen“, die nicht zu „Uns“ gehören, gelenkt.
In den westlichen imperialistischen Ländern wird der Rassismus vor allem in Form des anti-islamischen und antisemitischen Rassismus entwickelt. Kämpfe der Massen, die sich gegen herrschende Zustände richten, werden wie wir z.B. bei der Bewegung der Gelbwesten in Frankreich sehen, mit offen terroristischen Methoden unterdrückt.
Rassistisch, faschistische zivile Organisationen werden von den Staaten geduldet und von staatlichen Institutionen teilweise offen unterstützt und gedeckt.
In den Staaten mit reaktionär bürgerlich-demokratischem System bereitet sich die Bourgeoisie auch auf die Option einer faschistischen Macht vor. In diesem Zusammenhang entwickeln sich natürlich auch Reaktionen, Widerstände und Kämpfe gegen diese Entwicklungen.
Die Aufgabe der KommunistInnen in diesen sich entwickelnden gerechten Kämpfen gegen Rassismus und Faschismus ist klar. Wir müssen unermüdlich und systematisch den Zusammenhang des Rassismus und Faschismus mit dem Kapitalismus zeigen. Ein wirklich antifaschistischer Kampf, ein richtig antirassistischer Kampf ist nur dann möglich, wenn dieser Kampf zugleich als ein Kampf gegen das kapitalistisch-imperialistische System insgesamt geführt wird. Unser Kongress hat diese Tatsache noch einmal betont.
Der Kapitalismus ist der Feind der
ganzen Natur!
*Die Entwicklungen der letzten vier Jahre haben eindeutig wieder und wieder bewiesen, der Kapitalismus ist nicht nur ein Arbeiter- und Werktätigen-feindliches System. Er ist zugleich Feind der Natur. Die verheerenden Klima-Anomalitäten, die sich aktuell häufen sind klare Anzeichen des durch die kapitalistische Produktionsweise geschaffenen Klimawandels.
Immer mehr Menschen sehen, erlebenund begreifen, dass das kapitalistisch imperialistische System das natürliche Gleichgewicht irreparabel zerstört. Seine Antriebskraft ist der Maximalprofit in kürzester Zeit. Die Welt wird, wenn der Entwicklung nicht Einhalt geboten wird, durch den Kapitalismus nach und nach in einen für menschliches Leben unbewohnbaren Planeten verwandeln. Der Kapitalismus zerstört die natürliche Umwelt und führt die Welt in den Untergang.
Die in westlichen kapitalistischen Ländern begonnenen „Fridays for future“ Schulstreikaktionen richten sich gegen diese Entwicklung. Zehntausende Grund-, Mittel- und Oberschul-Kinder skandieren jetzt in vielen Ländern der Welt bei diesen Aktionen „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut“. Sie tragen Plakate wie „Nicht Klima- sondern Regimewechsel“. Die Zukunft gehört diesen Kindern.
Wenn sie begreifen, das imperialistische Weltsystem ist es, das ihnen ihre Zukunft klaut, dann „Wehe diesem System!“
Die Aufgabe der KommunistInnen, unsere Aufgabe ist es, in all diesen Teilkämpfen die Systemfrage auf die Tagesordnung zu setzen und dafür zu kämpfen, sie in den Mittelpunkt des Kampfes zu rücken.
* Das gilt in den Kämpfen der Frauen gegen das Patriarchat und für Gleichberechtigung. Das gilt für die Kämpfe von MigrantInnen, die sich ihre Selbstorganisationen schaffen. Das gilt für die Kämpfe der unterdrückten Völker, die sich gegen die imperialistischen Interventionen auflehnen. Das gilt für die Kämpfe der unterdrückten Nationen für ihre nationalen Rechte.
Es gilt für alle Kämpfe aller Unterdrückten, aller Entrechteten, all derjenigen, die von den Herrschenden, wie zum Beispiel die Bewegung der LGBTQ, als „Andere“ definiert, diffamiert, verfolgt und unterdrückt werden.
Sozialismus oder Untergang in der Barbarei!
Und natürlich gilt es vor allem für den Klassenkampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie. Das Proletariat, die ArbeiterInnenklasse aller Länder, wächst zahlenmäßig immer mehr an! Entgegen der seit Jahrzehnten verbreiteten Behauptung bürgerlicher Ideologen und Propagandisten, es würde nicht mehr existieren, bzw. verschwinden.
Der Imperialismus treibt die Welt, wenn ihm nicht Einhalt geboten wird, mit sich selbst zum Untergang in der Barbarei.
Die einzige Kraft, die diese Entwicklung stoppen kann, ist der Sozialismus, der in den Revolutionskämpfen der ArbeiterInnenklasse, der Werktätigen und der unterdrückten Völker wieder geboren wird. Entweder Sozialismus oder Untergang in der Barbarei!
Auch die Entwicklungen der letzten vier Jahre haben bewiesen, die Menschheit steht vor dieser Alternative.Es gibt keine Zeit zu verlieren mit Illusionen über die Reformierbarkeit des Imperialismus, mit Illusionen über einen krisenfreien, sozialstaatlichen Kapitalismus, über einen Imperialismus, der mit dem Frieden vereinbar ist etc. Jeder/Jede muss sich entscheiden! Unser Kongress hat noch einmal diese Tatsache festgestellt.
Die Hauptaufgabe:
Aufbau Bolschewistischer Parteien!
* Die internationalen Entwicklungen in den letzten vier Jahren haben noch einmal klar gemacht, dass die Hauptaufgabe der KommunistInnen in allen Ländern die Schaffung bolschewistisch kommunistischer Parteien und die Verstärkung des Aufbaus bereits bestehender ist.
Wir haben immer wieder erlebt, die sich objektiv entwickelnden Klassenkämpfe brechen ohne eine richtige kommunistische Führung entweder in sich zusammen, oder werden mit einigen vorübergehenden reformistischen Zugeständnissen der Bourgeoisie beendet, oder aber werden sogar als Hebel der faschistischen Bewegungen missbraucht.
Wir begreifen die Verstärkung des Aufbaus unserer bolschewistischen Partei, der leider sehr langsam vorangeht, als unsere Hauptaufgabe und arbeiten mit unserer ganzen Kraft daran. Unser Aufruf an die KommunistInnen in jedem Land ist, mit aller Kraft diese Aufgabe anzupacken.
Unserer Meinung nach ist die Hauptaufgabe der KommunistInnen im internationalen Rahmen, an der Schaffung einer Kommunistischen Weltpartei wie der Komintern zu arbeiten. Das ist für den Sieg der proletarischen Weltrevolution die organisatorische Voraussetzung, ein Muss.
Wir wissen, heute sind die subjektiven Bedingungen für die Schaffung einer Kommunistischen Weltpartei, wie die Komintern, noch nicht gegeben. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass dies das entscheidende Ziel im internationalen Rahmen ist. Was heute im internationalen Rahmen geschaffen werden kann, um diesem Ziel näher zu kommen, ist die Organisierung der Debatte unter den kommunistischen Kräften, um die Schaffung einer gemeinsamen Plattform der kommunistischen Weltbewegung voranzutreiben. In diesem Zusammenhang schätzen wir die Auflösung der ICMLPO (Internationale Konferenz Marxistisch-Leninistischer Parteien und Organisationen) in der vorhergehenden Arbeitsperiode als einen Rückschritt an. Wir schätzen den Versuch von ICOR (Internationale Koordination der Revolutionären Parteien & Organisationen), die revolutionären Bewegungen im Weltmaßstab zu koordinieren, als positiv ein.
Wir arbeiten als Gründungsmitglied aktiv in ICOR mit. Aber ICOR ist nicht das Instrument der Vereinheitlichung der kommunistischen Kräfte. Und wir brauchen vor allem ein solches Instrument.
Ziel der türkischen Bourgeoisie: Entwicklung zu einer imperialistischen Macht!
* Was wir in unseren Ländern (Nordkurdistan/Türkei) in den letzten vier Jahren erlebt haben, ist natürlich nicht losgelöst von den internationalen Entwicklungen. Die türkische Monopolbourgeoisie, die sich in den 2000er Jahren gestärkt hat, will im laufenden Kampf der imperialistischen Mächte für die Neuaufteilung als eigenständiger politischer Akteur mitmischen.
Sie will mit am Verhandlungstisch der Wölfe sitzen, um bei der Verteilung der Beute einen möglichst großen Teil der Beute für sich erstreiten zu können. Das ist Plan und Programm der türkischen Bourgeoisie. Beim Versuch, diesen Plan umzusetzen,vergisst die türkische Bourgeoisie öfter, dass sie noch immer schwach ist im Vergleich zu den alteingesessenen imperialistischen Mächten – trotz ihrer Stärkung in den letzten Dekaden, dass sie nach wie vor noch immer eine abhängige Bourgeoisie ist. So nimmt sie öfters den Mund zu voll. In solchen Fällen wird sie von den imperialistischen Großmächten an die eigenen Grenzen „erinnert“.
Um an der Neuaufteilung überhaupt teilnehmen zu können, muss die innere Front verstärkt werden. Dafür wird im Inneren der Faschismus intensiviert, der Rassismus vorangetrieben, gegenüber der kurdischen nationalen Bewegung und jeder auch bürgerlich demokratischen Opposition wird offener faschistischer Terror ausgeübt. Jedwede Widerstandsbewegung, jedwede Streikaktion, Demonstration, die Entwicklungspotential hat, wird mit faschistischem Terror im Keim erstickt. Im Ausland werden in Rojava, wie wir bei der Okkupation in Cerablus und Efrin gesehen haben, kolonialistische Besatzungskriege geführt.
Dimension des Machtkampfes innerhalb der Bourgeoisie – der gescheiterte Militärputsch
Der interne Machtkampf der türkischen Großbourgeoisie hat sich in den letzten vier Jahren enorm intensiviert. Die Koalition von AKP und der Fethullah-Sekte i hat gemeinsam die herrschende, kemalistische bürokratische Elite bekämpft. Nachdem diese Koalition die herrschende bürokratische kemalistische Elite aus den staatlichen Institutionen weitgehend entfernt hatte und es darum ging, die Macht untereinander zu teilen, kam es zum „Bruderzwist“.
In den letzten vier Jahren wurden der Kampf der Erdoğan-AKP, die Gülen-Bewegung aus Machtpositionen in Staat und Gesellschaft zu entfernen und die Gegenwehr der Gülen-Organisation das bestimmende Element der Politik in der Türkei. Wobei die Gülen-Bewegung im Namen des Kampfes für Demokratie, Freiheit etc. fast die ganze bürgerliche Opposition hinter sich scharen konnte.
Die Türkei erlebte am 15. Juli 2016 einen gescheiterten Militärputsch. Dieser Putschversuch wurde von den Gülenisten in der Armee durchgeführt. Das im Fernsehen und Rundfunk verlesene Putschmanifest war durch und durch kemalistisch und wandte sich an alle Kräfte, die gegen die Regierung Erdoğan-AKP waren.
Der Putschversuch wurde von den westlichen imperialistischen Mächten, angefangen bei den USA, wohlwollend beobachtet. Dieser Putsch, eine Gelegenheit, die Erdoğan-Regierung, die nicht mehr unter fester Kontrolle war, loszuwerden, wenigstens auf Linie zu bringen, scheiterte. In 12 Stunden brach der Putsch zusammen.
Es gibt viele Faktoren, die das Scheitern dieses blutigsten Putschversuchs in der türkischen Geschichte, die sehr reich an Putschen ist, verursacht haben. Zweifellos ist aber einer der Hauptfaktoren die Fehleinschätzung der Putschisten über das Mobilisierungspotential der AKP-Basis und die Vorbereitungen der AKP gegen einen eventuellen Putschversuch. Unerwartet strömten Zehntausende gegen den Putsch auf die Straßen.
Gegenschlag gegen den Putsch
* Der erfolglose Putschversuch bot der Erdoğan-Regierung die günstige Gelegenheit, die Gülen-Organisation vollständig zu liquidieren, die eigene Macht zu konsolidieren und den Übergang zum Präsidialsystem durchzusetzen.
Gleich nach dem gescheiterten Putsch wurde in Justiz und Armee eine große Säuberungsaktion gestartet. Fünf Tage nach dem Putsch, am 20. Juli 2016, hat die Erdoğan-Regierung im Parlament die Befugnis erhalten, mit Notstandgesetzen, mit Regierungserlässen im Rang von Gesetzen zu regieren. Mit Regierungserlässen wurde die Liquidierung der Gülen-Organisation brutal weitergeführt. Und hält bis heute an.
Am 17. April 2017 wurde in der Türkei ein Referendum über eine Verfassungsänderung durchgeführt und diese mit knapper Mehrheit angenommen. Das bisherige, wenigstens auf dem Papier, parlamentarische Regierungssystem wurde in ein Präsidialsystem türkischer Art umgewandelt.
Nach den vorgezogenen Präsidenten- und Parlamentswahlen am 24. Juni 2018 wurde auch rechtlich und praktisch die Umwandlung in Präsidialsystem vervollständigt. Erdoğan wurde im ersten Wahlgang zum ersten Präsidenten des neuen Regierungssystems gewählt.
Die Forderung nach einem Präsidialsystem wurde zwar seit Anfang der 1990er Jahre von der türkischen Großbourgeoisie immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt, stieß aber auf großen Widerstand. Die durch den gescheiterten Putschversuch entstandene Atmosphäre war in dieser Frage der entscheidende Türöffner. Der Putschversuch machte den Weg für die Zusammenarbeit der AKP mit der MHP frei. Die MHP verschaffte der Erdoğan-AKP die für den Übergang zum Präsidialsystem notwendige Mehrheit von über 50 Prozent plus eine der Stimmen.
Sowohl beim Verfassungsreferendum als auch bei der Wahl Erdoğans zum Präsidenten war die Koalition der AKP mit der MHP entscheidend. Nach dem gescheiterten Putsch wurde die MHP de facto ein Teil der Regierung. Auch heute trägt die faschistische Regierungspolitik in der Türkei maßgeblich den Stempel der MHP.
Der intensivierte Faschismus
* Die wichtigste politische Veränderung in den letzten vier Jahren ist zweifelsohne der abrupte Abbruch der, von uns in der vorherigen Arbeitsperiode als „Prozess der Auflösung des Faschismus“ genannten Entwicklung.
Dieser Prozess wurde schlagartig beendet und durch eine neue Periode der Intensivierung des Faschismus abgelöst. Dabei spielte die kurdische Frage die Hauptrolle. Der Stopp der Friedensverhandlungen mit der PKK, die praktisch von 2008 bis April 2015 gelaufen sind, wurde kurz nach Newroz 2015 durch die Erdoğan-Regierung abgebrochen.
Das ist ein Wendepunkt beim abrupten Ende des „Auflösungsprozesses des Faschismus“ und der Änderung der Politik in Richtung Intensivierung des Faschismus. Hinsichtlich der Lösung der Kurdenfrage hat die AKP-Erdoğan Regierung mit der Aufkündigung der Verhandlungen, die von ihr zwischen 2008 und 2015 gefahrene „Verhandlungslösungs“-Linie verlasen. Sie ist zur „traditionellen Linie“ des türkischen Staates, der Vernichtung der PKK durch Krieg, zurückgekehrt. Dabei spielten auch die Entwicklungen in Rojava eine wesentliche Rolle.
Durch den heldenhaften Widerstand gegen die Angriffe des IS in Kobanê wurden die PYD-YPG von den westlichen imperialistischen Mächten, vor allem von den USA als „die im Feld gegen den IS am erfolgreichsten kämpfende Truppe“ anerkannt. Über die PYD-YPG wurde die PKK auf einmal Verbündete der „Anti-IS-Koalition“ in Syrien. Diese Entwicklung störte die Herrschenden in der Türkei massiv.
* Unser 11. Kongress erachtete es auch als wichtig, zu folgenden Einschätzungen zu den Entwicklungen in Nordkurdistan/Türkei zu unterstreichen:
Kampf der „Festen Glaubensgemeinschaften“ gegeneinander
In unseren Ländern ist das demokratische Bewusstsein, auch im bürgerlichen Sinne, sehr unterentwickelt. Der politische Kampf wird als ein Kampf „fester Glaubensgemeinschaften“ geführt, die alle „Anderen“ außer sich verteufeln und als zu vernichtende Feinde ansehen und bekämpfen.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat sich die Gesellschaft, die eine Summe von „festen Glaubensgemeinschaften“ ist, hinsichtlich des politischen Kampfes, in der Hauptsache in zwei große Lager gespalten. Die Lager definieren sich vor allem über ihre Haltung zum heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan.
R.T. Erdoğan Lager
Für dieses Lager ist Erdoğan ein Geschenk Gottes für die Türkei. Er ist der gegen alle Welt seine Meinung kundtuende, „geradestehende“, „sich nicht bückende“, „lokale und nationale Chef“, der die Türkei zu ihrer alten Größe aus der Zeit der osmanischen Blütezeit führen wird. Er ist quasi ein Messias.
Die wichtigsten politischen Kräfte dieses Lagers sind neben Erdoğans AKP seit dem 15. Juli 2106 auch die MHP. Die beiden Hauptparteien dieses Lagers agieren momentan sehr eng zusammen auf der gemeinsamen Grundlage, die sich in ihrer Parole „Ein Vaterland, Eine Nation, Eine Fahne, Ein Staat“ zusammenfassen lässt. Sie sind die angeblich alleinigen Verteidiger „der Existenz des türkischen Staates gegen innere und äußere Feinde“. Sie verhalten sich momentan wie eine Partei.
Sie geben vor, dass ihr Bündnis nicht „bis zum Sonntag, sondern bis zum Grab“ dauern wird. Vergessen scheint zu sein, dass sie, die sich heute gegenseitige Treue schwören, vor dem 15. Juli 2016 sich gegenseitig wüst beschimpft haben. Aber Fakt ist, dass diese beiden Parteien sowohl was ihre Programme als auch die praktische Politik betreffen, beträchtliche Unterschiede haben. Sie beinhalten genug Sprengstoff um diese Koalition zu sprengen, wenn die AKP die MHP nicht mehr braucht und umgekehrt.
Anti-R.T. Erdoğan Lager
Für dieses Lager wiederum ist Erdoğan ein korrupter Dieb und Mörder, ein prunksüchtiger Diktator, der die Türkei von Demokratie zu einer faschistischen Ein-Mann-Diktatur führt. Er isoliert dadurch die Türkei von der ganzen zivilisierten Welt und bringt sie so an den Abgrund.
Der von Mustafa Kemal Atatürk gegründete „laizistische, demokratische Rechtsstaat Republik Türkei“ ist unter Erdoğan in großer Gefahr. Die Werte dieser modernen Republik werden von ihm mit Füßen getreten. Er will diese Republik vernichten. Eine Zeitlang behauptete dieses Lager, Erdoğan würde die Republik Türkei in einen Scharia-Staat umwandeln.
In den letzten Jahren wurde dieses Narrativ geändert. Nun wird ihm vorgeworfen, er würde den demokratischen Staat in eine Ein-Mann-Diktatur umwandeln. Erdoğan ist eine große Plage und ein Fluch. Die Türkei muss sich in kürzester Zeit davor retten muss, egal auf welchem Weg und mit welchen Methoden auch immer.
Dieses Lager wird von der CHP (Republikanische Volkspartei)angeführt, an deren Spitze Kemal Kılıçdaroğlu steht, der mit einer illegalen Tape-Operation zum Vorsitzenden dieser Partei gemacht wurde. Die IYI Parti (Gute Partei), gegründet von Abtrünnigen der MHP und die Saadet Partei, eine Nachfolgepartei von Erbakans Partei sind die anderen offiziellen politischen Akteure dieses Lagers. Ein Großteil ihrer Anti-Erdoğan Propaganda-Materialien wird von der Gülen-Organisation geliefert. Sie ist ein natürlicher Verbündeter dieses Lagers.
Fast die gesamte reformistische Linke hängt sich im Namen der „Einheit aller demokratischen Kräfte im antifaschistischen Kampf“ an dieses Lager an, bzw. bildet das Anhängsel dieses Lagers. Leider reihen sich auch ein Teil der revolutionären Linken, die den antifaschistischen Kampf heute als Kampf gegen Erdoğan führen, diesem Anhängsel an und werden zum Anhängsel des Anhängsels.
und wir
Wir Bolschewiki haben immer folgendes gesagt und wiederholen es: Der Faschismus ist in der Republik Türkei die hauptsächliche Herrschaftsform der türkischen Bourgeoisie. Der türkische Staat ist ein faschistischer Staat. Jede bisher an die Macht gekommene bürgerliche Regierung hat in der Türkei den Faschismus praktiziert.
In bestimmten kurzen Perioden wurde die türkische Bourgeoisie sowohl durch den Klassenkampf als auch durch die internationale Konjunktur gezwungen, bestimmte bürgerlich-demokratische Rechte zuzugestehen. In diesen Zeiten konnten in der Entwicklung des Klassenkampfes der ArbeiterInnen und Werktätigen, der Kämpfe der Frauenbewegung, der Jugendbewegung, der kurdischen nationalen Bewegung diese Rechte teilweise auch in Anspruch genommen werden. Aber der faschistische Charakter des Staates hat sich auch in diesen Perioden nicht verändert.
Der Prozess, den wir heute erleben, ist nicht ein Prozess des Übergangs von der bürgerlichen Demokratie zum Faschismus. Es ist der Prozess des Übergangs von der parlamentarisch-demokratisch maskierten Form der faschistischen Diktatur, zu einer „Präsidialsystem“- Form der faschistischen Diktatur.
Der Kampf gegen den Faschismus in unseren Ländern darf nicht begrenzt werden auf einen Kampf gegen diese oder jene faschistische Regierung der Bourgeoisie, sondern muss als ein Kampf gegen den faschistischen Staat der Republik Türkei insgesamt geführt werden. Auch wenn die Speerspitze des Kampfes in einem gegebenen Moment gegen die herrschende Regierung gerichtet wird, dürfen keine Zweifel und keine Missverständnisse zugelassen werden, dass der Kampf sich insgesamt gegen den faschistischen türkischen Staat richtet.
Die antifaschistische Front in unseren Ländern ist keine Anti-Erdoğan-Front sondern eine Front gegen den faschistischen türkischen Staat.
In dieser Front haben diejenigen Kräfte, die selbst faschistisch sind, die bei einer etwaigen Regierungsübernahme den Faschismus selber praktizieren werden, keinen Platz.
Unser Aufruf an alle demokratischen, revolutionären, kommunistischen Kräfte lautet:Befreit euch von Positionen, die euch im Machtkampf der Herrschenden zum Anhängsel und zu nützlichen IdiotInnen eines Teils von ihnen machen.
Wir haben unsere eigene Front: Diese ist die von allen Teilen der Bourgeoisie unabhängige Kampffront der ArbeiterInnen und Werktätigen, die sich klar von allen Teilen der Bourgeoisie abgrenzt und dem Volk gegenüber mit einer revolutionären Linie als die wirkliche Alternative auftritt. Lasst uns diese Front gemeinsam aufbauen!
* Unser 11. Kongress hat den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Diskussion, Einschätzung und Lösung der organisatorischen Fragen und die Probleme unserer Entwicklung auf organisatorischer Ebene gelegt. Wir haben festgestellt, dass sowohl in unseren Ländern als auch auf internationaler Ebene unser ideologisch-politischer Einfluss größer ist als unsere tatsächliche organisatorische Stärke.
Der Kongress hat konkrete organisatorische Schritte beschlossen, um dieses Missverhältnis zu überwinden. Der Kongress hat die allgemeine organisatorische Linie bestätigt, die besagt, die organisatorische Hauptarbeit muss in der ArbeiterInnenklasse geleistet werden.
Weiter wurde die Aufgabe gestellt, die Diskussionen über die Meinungsunterschiede mit den Gruppen, die uns als kommunistisch einschätzen, und die wir als dem Kommunismus nahestehende Gruppen einschätzen, zu intensivieren mit dem Ziel der Vereinheitlichung der KommunistInnen.
In diesem Zusammenhang rufen wir alle Menschen, Gruppen, Parteien, die sich als KommunistInnen verstehen, dazu auf: Lest und studiert die Dokumente unserer Partei und setzt euch kritisch damit auseinander. Wenn ihr das macht, sind wir sicher, dass auch ihr nach Wegen der Vereinheitlichung suchen werdet. Unser Aufruf
Unser 11. Kongress ist:
Eine rote Herausforderung an die gesamte kapitalistisch imperialistische Welt!
Er ist die wiederholte Deklaration der Wahrheit:
TROTZ ALLEDEM:
WIR WAREN, WIR SIND, WIR WERDEN SEIN!
Er ist ein Aufruf gerichtet an die ArbeiterInnenklasse, an die Werktätigen, an die unterdrückten Völker:
Organisiert euch für den Aufstand und die Revolution gegen das imperialistische Weltsystem!
Er ist ein Aufruf an die KommunistInnen, an alle GenossInnen: Widmen wir unsmit unserem ganzen Dasein dem Kampf für den Sozialismus und dem Kommunismus, unserer großen Sache!
Die Hoffnung liegt im Aufstand; die Befreiung liegt in den Revolutionen unter Führung des Proletariats.
Der Aufruf unseres 11. Kongresses ist der Aufruf der Kommunistischen Internationale!
PROLETARIER ALLER LÄNDER VERINIGT EUCH!
PROLETARIER ALLER LÄNDER UND UNTERDRÜCKTE VÖLKER VEREINIGT EUCH!
Wir haben vor, eine neue Welt ohne Ausbeutung zu gewinnen!
Bolschewistische Partei (Nordkurdistan/Türkei)
Ende März 2019
Grußbotschaft der Bolschewistischen Initiative (Deutschland) an den 11. Kongress der Bolschewistischen Partei Nordkurdistan/Türkei
Werte Genossinnen und Genossen,
Als Bolschewistische Initiative (Deutschland) begrüßen wir euren 11. Kongress mit kommunistischen Gefühlen.
Heute leben wir in einer Zeit, in der die Internationale Kommunistische Bewegung ihre schwächsten Zeiten erlebt, in der Sozialismus und Kommunismus durch den modernen Revisionismus schwere Rückschläge erlebt und die Anziehungskraft unter den ArbeiterInnen und Werktätigen verloren hat; in der Nationalismus, religiöse Reaktion, Antikommunismus, jegliche bürgerliche Ideologie das Bewusstsein der ArbeiterInnen und werktätigen Massen bestimmen. Die Tatsache, dass in einer solch verdammt schwierigen Situation in Nordkurdistan-Türkei eine bolschewistische Organisation als eine Kraft der proletarischen Weltrevolution existiert, die trotz aller Schwierigkeiten kämpft, gibt auch unserer kommunistischen Organisation in Deutschland Stärke und Mut.
Ja, Genossinnen und Genossen, unsere Kraft als KommunistInnen ist weltweit verglichen mit unseren Aufgaben leider schwach. Die objektiven Bedingungen sind gegen uns. Aber diese Bedingungen können und werden nicht immer so bleiben. Unsere Hauptaufgabe ist, die subjektive Kraft der Revolution, das heißt den Generalstab, der die Revolution führt, die Bolschewistische Partei aufzubauen. Mit den objektiven Bedingungen, die gegen uns sind, ist diese Aufgabe sehr schwer zu erfüllen, aber gleichzeitig ist dies eine herausragend bedeutsame Aufgabe. Der Schlüssel, um sie zu erfüllen ist, dass jede/r Genossin und Genosse seine/ihre ganze Kraft für unsere gemeinsame Sache mit ganzer Kraft und Herz einsetzt und daran arbeitet, hierfür das Bestmöglichste beizutragen.
Neue Genossinnen und Genossen zu gewinnen ist aktuell schwierig, Manchmal verlieren GenossInnen auch den Mut und geben auf. Aber in unseren Händen liegt es, nicht zu resignieren, sondern unsere gemeinsamen Anstrengungen zu verstärken. Es ist die Aufgabe jede/r Kommunist/in, Kämpfer/in einen langen Atem zu haben und das Gleichgewicht zwischen “realistisch sein und das Unmögliche verlangen” auf der richtigen Basis zu finden.
Wir betrachten eure Beiträge im Kampf für den Kommunismus gegen jeglichen Revisionismus und Opportunismus, sowohl für die Revolution in Nordkurdistan-Türkei als auch für die proletarische Weltrevolution als unsere Beiträge und verstehen das als große Unterstützung für unseren gemeinsamen Kampf. Eure umfangreiche Analyse der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion (die Frage der Abkehr vom Sozialismus), die ihr vor dem X. Kongress vorgelegt habt, hat auch uns vorwärtsgebracht. Auf dieser Grundlage gehen wir unsere aktuelle Analyse, die Einschätzung der DDR, an. Auch hier bringen uns unsere gemeinsamen Diskussionen vorwärts.
In einer Zeit, in der die Welt vom Imperialismus, internationaler Reaktion, imperialistischen und reaktionären Kriegen, Männerherrschaft, Chauvinismus, Rassismus, Umweltzerstörung beherrscht wird und die Internationale Kommunistische Bewegung noch schwach ist, ist unsere gemeinsame Arbeit für die Stärkung der Internationalen Kommunistischen Bewegung mit unserer bolschewistischen Linie von besonders bedeutender Wichtigkeit.
Mit der Hoffnung und Erwartung, unsere gemeinsame Arbeit vorwärts zu bringen und uns gemeinsam zu stärken, wünschen wir, dass der 11. Kongress erfolgreich durchgeführt wird.
Ihr könnt sicher sein, dass wir jeden Erfolg der Bolschewistischen Partei in Nordkurdistan-Türkei auch als unseren Erfolg sehen werden. Wir denken, dass hierfür die notwendigen und wegweisenden politischen Einschätzungen im, dem 11. Kongress vorgelegten, politischen Bericht besonders im “Organisatorischen Bericht” enthalten sind. Wir stellen hier noch einmal fest, wir werden als Geschwisterorganisation nach unseren Kräften und Möglichkeiten eure politische und theoretische Arbeit unterstützen.
Mit dem Wunsch, dass auf dem 11. Kongress vorwärtsweisende Beschlüsse für die nächste Arbeitsperiode beschlossen werden, sich jede einzelne Genossin und jeder einzelne Genosse von diesen Beschlüssen begeistern lässt und dass, wo auch nur ein Genosse, eine Genossin ist, die Organisation den Kampf aufnimmt, wünschen wir viel Erfolg. Mit unseren bolschewistischen Grüßen
Zentrale Leitung
Bolschewistische Initiative (Deutschland)
i Auch Gülen-Bewegung genannt